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Emotionen auf und neben der Bühne beim Eröffnungskonzert von Argovia  Philharmonic

Was passiert, wenn ein kleines Orchester grosse Romantik spielt? Die Argovia Philharmonic gibt im Eröffnungskonzert eine Antwort mit Ausrufezeichen.

Eigentlich ist dieses Sinfonieorchester zu klein. Zu klein, um grosse Romantik zu spielen. Sechzehn Violinen, sechs Celli und nur drei Streichbässe sind da unteres Limit. In Luzern, am diesjährigen Festival, spielten zum Beispiel das Lucerne Festival Orchestra oder die Wiener Philharmoniker Kompositionen von Sergei Rachmaninoff praktisch in der doppelten Grösse. Für seine Klavierkonzerte braucht es ein grosses Volumen. Diese Musik, die wie Wellen über das Publikum schwappt.

Dennoch macht es die «kleine» Argovia Philharmonic regelmässig. Auch bei ihrem Eröffnungskonzert. Der Titel «Romantik pur» sagt hier alles. Doch am Donnerstag in der Alten Reithalle in Aarau ist nur die Besetzung dünner.

Berührende Zugabe für die Grossmutter

Das Orchester selber, unter ihrem Chefdirigenten Rune Bergmann, spielt gross auf. Dies einerseits mit einem erstaunlich üppigen Klang. Sicher trägt die Kompaktheit der Alten Reithalle das Ihre dazu bei. Dunkel und tosend spielt die Solistin Anna Fedorova die Anfangstöne von Rachmaninoffs 2. Klavierkonzert. Ein verhaltenes Grollen aus der dumpfen Erde. Das Orchester setzt ein, langsam und schwer. Eine Schwere, aus der sich flüchtig das Klavier entschraubt. Fern und schattenhaft. Vergangene Zeiten. Mehr in Erzählungen reflektiert, denn wirklich erlebt. Dazu die Argovia Philharmonic, die mit ihrem runden Klangbild die Handlung vorwärts zieht. Schade, setzt die Pianistin im letzten Teil vermehrt auf Härte und Kanten. Eine momentane Holprigkeit, die das rauschende Finale wieder vergessen lässt.

Für einen berührenden Moment sorgt die Zugabe. Vor wenigen Tagen starb die Grossmutter von Anna Fedorova. Eines ihrer Lieblingsstücke war der Walzer Nr. 2 in Cis-Moll von Frédéric Chopin. Musik, die Fedorova ihr bei jedem Besuch zu spielen pflegte. Und an diesem Abend ein Moment, in dem sich der Pianistin Erinnerung in Schönheit und Schmerz zu einem Abschied fügt.

Ein Reichtum an Details, die Rune Bergmann nach der Pause in die – ebenfalls romantischen – «Peer Gynt-Suiten 1 & 2» bringt. Zwar ist auch hier die Grösse des Orchester am unteren Limit. Und die relativ trockene Akustik des Saals – ein Vorteil in den lauten Passagen – nimmt in den leisen Stellen etwas den weiten Bogen aus den Streicherlinien. Doch der Dirigent und sein Orchester versuchen gar nicht erst mit Pomp und Donner das Publikum zu bezwingen. Subtil und detailreich werden die verschiedenen Szenen ausgefaltet. Ein veritables Kammerspiel. Duftende und lebendige Pianissimi – inzwischen fast ein Markenzeichen des Orchesters – gestalten «Anitras Tanz». Oder «Peer Gynts Heimkehr» erhält mit Akzenten und Phrasierungen Transparenz und Atmosphäre. Ausgezeichnete Solisten auf der Flöte, dem gross aufspielenden Waldhorn oder der Kesselpauke sind die zusätzliche Crème des reichen Kuchens.

Eine Saison für die Romantiker

An diesem Abend wird auch der langjährige Präsident Jürg Schärer verabschiedet, einer der Baumeister des Höhenfluges des Orchesters. In emotionalen Reden des Regierungsrat Alex Hürzelers und des Konzertmeisters Ulrich Poschner wird sein wichtiges Wirken ins Licht gerückt.

Im weiteren Programm der Saison steht praktisch immer ein Romantiker im Zentrum. Einen besonders grossen Brocken hin in Richtung Grosssinphonik hat sich die Argovia Philharmonic für den Januar vorgenommen. Nichts Geringeres als Bruckners Siebte Sinfonie. Ein siebzigminütiger Koloss und bis heute der grosse Welterfolg des Komponisten. Nach diesem guten Start in die Saison darf man sich auch darauf freuen.