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Jagd auf den «einen Ring»: Diese Spielkarte soll zwei Millionen Euro wert sein

Eine Abbildung des Ringes aus «Herr der Ringe» könnte zur teuersten Sammelkarte der Welt werden. Wie ist es möglich, dass ein Stück Karton solche astronomischen Preise erzielt?

«Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.» Mit diesen Gedichtzeilen beginnt der britische Autor J. R. R. Tolkien seinen berühmten Fantasyroman «Herr der Ringe». Der eine Ring, der unermessliche Macht verspricht, ist gleichzeitig ein gefährliches Objekt der Begierde: Er vergiftet den Geist und korrumpiert die Seele. Kaum jemand kann sich seinem Bann entziehen. Einzig ein Hobbit namens Frodo Beutlin scheint in der Lage zu sein, den Versuchungen zu widerstehen – und das Böse ein für alle Mal zu zerstören.

Kürzlich hat die klassische Geschichte Tolkiens eine ironische Spiegelung in der Wirklichkeit gefunden. Denn zurzeit suchen weltweit Tausende von Personen eine Reproduktion des einen Ringes. Abgebildet ist er auf einer Spielkarte aus Karton, die materiell nicht mehr als ein paar Rappen wert ist. Trotzdem überbieten sich im Internet Sammlerinnen und Sammler. Ein Unternehmen in Spanien ist offenbar bereit, für den Ring zwei Millionen Euro zu zücken – plus einen Ferienaufenthalt in Valencia.

Der Preis steigt und steigt

Gedruckt wurde die Karte von «Wizards of the Coast», einem Tochterunternehmen des US-amerikanischen Spielzeuggiganten Hasbro. Mit Marken wie «Monopoly» und «Play-Doh» spricht der Konzern vor allem Kinder und Familien an, mit «Wizards» deckt er mittlerweile aber auch eine erwachsene Zielgruppe ab. Die Karte ist Teil der aktuellen Erweiterung von «Magic: The Gathering» (MTG), einem 30-jährigen Sammelkartenspiel, das eine internationale Fangemeinde hat und ein Millionenpublikum anspricht.

«Magic» verfügt über ein eigenes fiktives Universum, über das zahlreiche Romane geschrieben wurde. Dass die aktuelle Erweiterung einen Ausflug in die Fantasy-Bibel «Herr der Ringe» macht, ist ein äusserst geschickter Schachzug, der auch Personen ausserhalb der MTG-Fangemeinde anlockt.

Der eigentliche Coup aber ist der eine Ring: Er ist ein exklusives Einzelstück, ein Unikat. Zwar hat «Wizards of the Coast» in der Vergangenheit bereits serialisierte Karten veröffentlicht, von denen es nur etwa hundert Exemplare gibt. Ein einziges Kartenexemplar hingegen hat es noch nie gegeben. Der Schritt ist in der Branche eine Premiere, der einen noch nie da gewesenen Hype ausgelöst hat. Bereits eine erste Fälschung ist aufgetaucht.

Das Ring-Unikat steckt in einer von Hunderttausenden Kartonschachteln, die derzeit auf der ganzen Welt verteilt werden – auch in Europa und der Schweiz. Die Chance, den Ring aus einer dieser Schachteln zu ziehen, ist verschwindend gering. Dennoch steigt der Preis dieser «Sammler-Booster-Boxen» derzeit in ungeahnte Höhen. Wenn sie überhaupt noch verfügbar sind, kosten sie etwa 550 Franken. Zum Vergleich: Bei herkömmlichen Erweiterungen wird für solche Boxen etwa 200 Franken hingeblättert.

Ja, mit den Karten kann man auch spielen: Hier ein Eindruck aus einer Partie «Magic».
Bild: Andre Veith

Wie ein teurer Lottoschein

Das Interesse an der Erweiterung sei «enorm», sagt Rafael Boog auf Anfrage. Er betreibt in Luzern den Laden Carab, der sich auf Sammelkarten spezialisiert hat. «Es ist schon jetzt das meistverkaufte Set, das wir je im Laden hatten», hält Boog fest. Die Vorbestellungen seien durch die Decke gegangen. Das Gebot von 2 Millionen Euro für den einen Ring hält er für realistisch. Es sei vielleicht sogar zu tief angesetzt. «Wenn Wizards nie mehr ein Unikat druckt, wird diese Karte unbezahlbar sein.» Er gehe jedoch davon aus, dass es künftig weitere Unikate geben wird – bis sich der Trick abgenutzt habe.

Der Ring helfe seinem Laden zwar kurzfristig, mittelfristig stelle sich die Frage, wohin sich das Kartenspiel entwickle. «Die Erweiterung weckt Hoffnungen, die sich kaum einlösen lassen», sagt Boog. «Eine Box zu kaufen, ist wie im Kiosk einen Lottoschein auszufüllen.» Nur, dass ein Lottoschein ungleich günstiger ist. Laut Boog könne es auch sehr gut sein, dass die Karte über Jahre im Lager eines Ladens oder einer Privatperson unentdeckt bleibe.

Fans fühlen sich zunehmend entfremdet

Auch ein Blick ins Internet zeigt, dass der «One Ring Serialized» nicht nur Glücksgefühle auslöst. Für viele «Magic»-Fans repräsentiert der Ring eine fragwürdige Strategie, die Wizards of the Coast seit einer Weile verfolgt. Das Unternehmen setzt nämlich vermehrt auf extrem seltene Karten, die sich normalverdienende Spielerinnen und Spieler kaum leisten können. Zum 30-jahr-Jubiläum von «Magic» verkaufte Wizards ein exklusives Boosterpäckchen, das gerade einmal 15 Karten beinhaltet – für satte 999 Dollar.

Der Schritt löste in der Fangemeinde Widerstand und Spott aus. Denn auch und gerade Sammlerinnen und Sammler haben ein eminentes Interesse daran, dass die Karten erschwinglich bleiben. Von astronomischen Preisen profitieren vor allem jene, die Sammelkarten lediglich als Investition betrachten, sich also gar nicht für die Spielmechanik oder die Ästhetik interessieren.

Karten aus dem neuen «Herr der Ringe»-Set in einem Sammelordner.
Bild: Simon Mathis

Sammler will die Karte in einem Vulkan verbrennen

Zwischen dem Unternehmen und MTG-Fans herrscht schon länger eine gewisse Entfremdung. Der sogenannten «Fear of Missing Out» (Angst, etwas zu verpassen) weicht Schritt für Schritt eine Erschöpfung über die zahllosen Karten und Produkte. Die Kundinnen und Kunden hecheln von einer Erweiterung zur nächsten – billiger wird das Hobby nicht. Es fragt sich, wie lange es dauert, bis sich ein solches System totläuft. Hasbro scheint darauf zu setzen, dass die Marke «Magic» zu gross ist, um zu scheitern. Vielleicht ist sie das auch. Der Marketing-Erfolg des einen Ringes dürfte das Unternehmen jedenfalls darin bestärken, weiterhin auf Seltenheit und Premiumprodukte zu setzen.

Würde der eine Ring tatsächlich für 2 Millionen Euro den Besitz wechseln, wäre er die teuerste Magic-Karte der Welt. Bisher war dies der «Black Lotus» von 1993, die vor zwei Jahren für 615’000 Dollar gekauft wurde. Zwar ist auch der «Black Lotus» äusserst selten, ihr Wert ist aber über die Jahre gewachsen und in der Geschichte des Spiels verankert. Dagegen ist der Wert des Rings künstlich erzwungen. Zwar haben Sammelkarten schon immer mit Raritäten die Preise in die Höhe getrieben. Der jetzige Schritt von Wizards könnte allerdings eine Art Dammbruch darstellen. Denn wie lässt sich ein weltweites Unikat künftig noch überbieten?

Ein Angebot des Sammlers Dan Bock bringt die Absurdität der Situation auf den Punkt: Bock bietet für den Ring lediglich 50’000 Dollar – will die Karte dann aber wie am Ende von «Herr der Ringe» in einem Vulkan verbrennen.