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Ticket zu spät gelöst und gebüsst? Wie Sie eine Busse abwenden – oder von 100 Franken auf 30 Franken runterhandeln

Haben Sie das Billett in der SBB-App erst beim Einsteigen gelöst und sind dafür gebüsst worden? Oder konnten Sie wegen technischer Probleme kein Ticket kaufen? Hier erfahren Sie, was Ihre Rechte sind – und warum der Bund eine grosszügigere Praxis bei «EasyRide» in Aussicht stellt.

Was geschieht, wenn ich das Ticket in der SBB-App erst beim Abfahren löse?

Mit einem Wisch vor der Fahrt einchecken und beim Aussteigen ebenfalls wieder mit einem Wisch auschecken. Und obendrauf wird einem am Ende des Tages automatisch das günstigste Billett verrechnet: So werben die SBB für die Easy-Ride-Funktion. Sie ist seit einiger Zeit in der SBB-App integriert und ein Riesenerfolg: 2,5 Millionen Billette pro Monat werden auf diesem Weg inzwischen verkauft.

Nun haben sich jedoch Klagen von Kunden gehäuft, die gebüsst wurden, weil sie die Wisch-Bewegung erst beim Abfahren gemacht haben. Wenn das Billett selbst wenige Sekunden nach der Abfahrt in der App bestätigt wird, gilt man als Schwarzfahrer und wird gebüsst. Für Kondukteure gilt gemäss Weisung Nulltolerenz. Doch das könnte sich bald ändern. Tamedia berichtet, dass nach Meinung des Bundesamts für Verkehr (BAV) diese Praxis nicht mit dem Personenbeförderungsgesetz vereinbar sei.

Das heisst: Die strenge Praxis der SBB und anderer Transportunternehmen ist nicht gesetzeskonform, viele Reisende sind juristisch gesehen gar keine Schwarzfahrer und werden zu Unrecht gebüsst. Tipp: Weisen Sie im Zug auf diese juristische Einschätzung hin – vielleicht haben Sie beim Zugbegleiter Erfolg damit.

Was muss ich tun, wenn Easy Ride falsch abrechnet?

Die Easy-Ride-Funktion kann auch dann ihre Tücken haben, wenn man das Billett rechtzeitig gelöst hat. Grundsätzlich ist der Passagier für das Check-in und das Check-out selbst verantwortlich. Wenn er nach dem Aussteigen vergisst, die Fahrt in der App zu beenden, läuft diese weiter. Allerdings ist es möglich, beim Bemerken des Irrtums den Fehler via App den SBB zu melden. Dann rechnen diese nochmals von neuem ab, und es gibt, wenn alles richtig abläuft, eine Gutschrift.

Nicht immer funktioniert dies aber, wie es sollte. Die SBB leisten aufs Jahr gerechnet in knapp 100’000 Fällen eine Rückerstattung. Darüber berichtete der «Kassensturz» von Fernsehen SRF .

Was passiert, wenn Easy Ride wegen eines Funklochs ausgeschaltet wird?

Es kommt vor, dass die Aktivierung von Easy-Ride während der Fahrt gestoppt wird. Zum Beispiel in einem Funkloch oder wenn man zwischenzeitlich den Flugmodus eingeschaltet hat. CH Media ist der Fall eines Easy-Ride-Nutzers bekannt, der schon vier Stunden unterwegs war und mehrfach kontrolliert wurde, doch bei einer erneuten Kontrolle war Easy Ride plötzlich deaktiviert. Der Kontrolleur hatte kein Erbarmen: 100 Franken Busse.

Kann man Bussen wegen Easy-Ride-Tücken anfechten?

Im Fall der erwähnten 100-Franken-Busse wollte der Passagier die Strafe nicht akzeptieren, weil er aus seiner Sicht nichts falsch gemacht hat und bei vormaligen Kontrollen die App aktiviert war. Der Kontrolleur nahm seine Personalien auf und sagte, er könne sich auf einem Bahnhof melden, um über die Busse zu reden. Das tat er.

Dort verwies man ihn aber an das Call-Center in Brig. Also rief er dorthin an. Eine Mitarbeiterin hörte sich die Schilderungen an und nahm zur Kenntnis, dass der Kunde sehr oft mit Easy Ride unterwegs ist und noch nie schwarzgefahren war. In solchen Fällen, sagte die Mitarbeiterin, könne sie die Busse «aus individuellen Gründen» senken. Als sie 80 Franken vorschlug, fragte der Kunde, ob es auch tiefer gehe. 50 Franken, antwortete sie. Am Ende bot sie ihm eine Busse von 30 Franken an. Tiefer könne sie nicht gehen, das liege nicht in ihrer Kompetenz. Fazit: Über Bussen kann man in gewissen Fällen verhandeln.

Wie muss sich der Kunde verhalten, wenn er kein Ticket kaufen kann, weil die SBB-App stockt oder nicht funktioniert?

Wer wegen einer von der SBB verschuldeten Panne kein Billett kaufen kann, darf trotzdem in einen SBB-Zug einsteigen. Die Fahrt ist «gratis», solange kein Kontrolleur kommt. Falls ein Passagier in eine Kontrolle gerät, gibt es laut Auskunft der Medienstelle keine Busse. Das Begleitpersonal sei in diesen Fällen jedoch angewiesen, dem Passagier ein Ticket zu verkaufen – ohne den üblichen Aufpreis.

All das gilt, wenn man in den SBB unterwegs ist. Wer mit einem anderen Transportunternehmen führt (regionaler Verkehrsbetrieb, BLS etc.) und kontrolliert wird, darf gebüsst werden. Ausser er oder sie trifft auf einen verständnisvollen respektive kulanten Kondukteur. Gibt es trotzdem eine Busse, dann empfiehlt die SBB, beim entsprechenden Transportunternehmen anzuklopfen und den Unterbruch der Vertriebssysteme zu erwähnen. «Die zuständige Stelle kann dies abklären und über die Erstattung des Zuschlags entscheiden», schreiben die Bundesbahnen.

Wer ist verantwortlich für den Billettkauf?

«Grundsätzlich liegt es in der Verantwortung der Reisenden, vor Reiseantritt einen gültigen Fahrausweis zu besitzen und diesen später dem Kontrollpersonal vorweisen zu können», sagt Sarah Trummer von der Alliance Swisspass. Laut dem Zusammenschluss der Schweizer Transportunternehmen stehen den Kundinnen und Kunden im Störungsfall «üblicherweise alternative Vertriebskanäle» zur Verfügung.

Zudem heisst es vonseiten der Alliance Swisspass, dass es je nach Situation in der Hand der betroffenen Transportunternehmen liege, «im Sinne einer pragmatischen und kundenfreundlichen Lösung, weitere Massnahmen zu ergreifen.» Sprich: Wer bei einer SBB-App-Panne in ein anderes Transportmittel als die SBB einsteigt, ist laut dem Kleingedruckten – wie auch immer – selber verantwortlich für ein gültiges Ticket. SBB-Probleme hin oder her.

Anmerkung der Redaktion: Bei diesem Artikel handelt es sich um eine aktualisierte Fassung eines früher publizierten Textes.