
Bahnhof Schöftland: Pläne an die Wand gefahren, Familienbetrieb will nicht umsiedeln
«Wir möchten weiterhin mit der Gemeindebehörde zusammen die beste Lösung entwickeln. Aber wir wollen auch eine gute Lösung für die Schöftler Bevölkerung», sagt Marcel Wächter. Er ist Mitinhaber der Polymill AG, der das Industriegebiet westlich des Bahnhofs gehört. Oder des Mühleareals, wie es im Volksmund bisher bekannt war. Mit ihm am Tisch sitzt Federica Hunziker, Geschäftsleitungsmitglied bei Purinox AG.
Sie haben zusammen zum Gespräch eingeladen, weil sie als betroffene Eigentümer und Unternehmer über die Zukunft des Mühleareals beziehungsweise des PPH-Areals (Purinox, Polymill, Hunziker) und Dorfzentrums West berichten wollen. «Der Begriff Mühleareal stört uns, weil das betroffene Areal grösser ist», so Wächter.
Hunziker und Wächter waren Teil der Planungsgruppe, mit der die Gemeinde Schöftland vor gut einem Jahr die Entwicklung des Dorfzentrums West wieder aufgenommen hat. Denn einerseits sollte sich auf dem Industrieareal etwas tun, andererseits hat dieAargau Verkehr AG (AVA) beim Bahnhof Schöftland der Wynental- und Suhrental-Bahn weiterhin Ausbaupläne.
An der Gmeind im Juni 2024 hat das Stimmvolk einenKredit von 200’000 Franken für ein Testplanverfahrenals Vorarbeit für die anstehende Revision der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) gesprochen. Denn das Areal sowie die Hegmatte wurden 2018 von der letzten Revision ausgenommen. Seit dem letzten Sommer hat sich hinter den Kulissen einiges getan, doch handfeste Resultate liegen offenbar nicht vor. «Die Fronten sind verhärtet, es kam zum Abbruch der Planung durch die Gemeinde», sagt Wächter.
Familienbetrieb will nicht umsiedeln
Dabei freuten sich Hunziker und Wächter erst, als sie eingeladen wurden, Teil der Planungsgruppe zu sein. «Wir wollen auf dem Areal seit zwölf Jahren etwas planen. Denn wir sind mit der Bevölkerung einverstanden, dass es im aktuellen Zustand nicht schön aussieht», so Wächter. Immer wieder gebe es Fragen oder Sprüche aus der Bevölkerung. Deshalb wenden sich Hunziker und Wächter nun mit einem Flugblatt an die Einwohnenden von Schöftland. Darin sind umfassende und exklusive Informationen zur Entwicklung des PPH-Areals seit 2012 zu lesen. Und insbesondere darüber, welche Arbeit die Planungsgruppe im letzten Jahr geleistet hat.

Bild: Laura Koller
Denn die AVA möchte, auch nach demStopp der Planung einer Depot- und Werkstattanlage auf der Hegmatte, eine solche bauen. Gemäss den Ausführungen auf dem Flugblatt ist eine grosse überirdische Halle beim aktuellen Bahnhofsareal angedacht, mitten im Herzen der Gemeinde. Die Eigentümer des PPH-Areals müssten dafür Land hergeben und weitere Einschränkungen in Kauf nehmen. Das bedroht die Existenz von Gewerbebetrieben wie der Purinox AG.
Während der Planungssitzungen hiess es, die Purinox müsse weg, sagt Federica Hunziker. Konkrete Angebote für Entschädigungszahlungen oder einen Standort mit Ersatzneubau habe sie aber keine erhalten. Für die Purinox kommt ein Standortwechsel ohnehin nicht infrage: «Wir wollen nicht umziehen, das ist nicht nötig.»
Sie erklärt: «Meine Eltern haben sich 1990 mit dem Metallbaubetrieb selbstständig gemacht. Seit 2003 sind wir auf dem PPH-Areal, und 2020 konnten wir unsere Parzelle kaufen.» Das Metallbauunternehmen ist direkt hinter der heutigen Eisenbahnremise angesiedelt. Heute zählt der Familienbetrieb sieben Mitarbeitende, hat einen grossen Maschinenpark und ist auch auf die Aussenflächen angewiesen, die zur Lagerung genutzt werden.
Einsprachen gegen den geplanten Neubau
Hunziker und Wächter sehen eine unterirdische Bahnanlage, also einen Bahnhof für die WSB inklusive Depot, als Alternative. «Mitten im Dorfzentrum müsste auch ein Autoparkhaus in den Boden gebaut werden und nicht überirdisch. Mit dem Zugdepot soll es genauso sein», sagt Wächter.
Das Duo hat dazu eine Expertenmeinung eingeholt. Diese besagt, dass sich die Mehrkosten für ein unterirdisches Depot mit Metro-Station auf schätzungsweise 15 Millionen Franken belaufen. Die bebaubare Fläche, die dabei im Ortszentrum gewonnen wird, ist darin noch nicht einkalkuliert. Als Vergleich: Für den Bau einer Depot- und Werkstattanlage auf der Hegmatte budgetierte die AVAInvestitionen von bis zu 95 Millionen Franken. Die AVA habe an der oberirdischen Version festgehalten und sich gegenüber der Option einer unterirdischen Metro-Station verschlossen, so Wächter.

Visualisierung: zvg
Gemäss dem Flugblatt würde ein neues oberirdisches AVA-Depot rund 130 Meter lang, 34 Meter breit und 8 Meter hoch sein. Ein zünftiger Eingriff ins Schöftler Ortsbild, das gemäss der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) von nationaler Bedeutung ist. «Eine Halle dieser Grösse wirkt gegenüber dem Schloss Schöftland grenzwertig», so Wächter.
Ein solcher Bau wird nicht nur das Ortsbild verändern, sondern könnte das Dorfzentrum in zwei Teile trennen, sind Hunziker und Wächter überzeugt. Sie wünschen sich deshalb ein Gesamtkonzept für das Bahnhofsareal und das Dorfzentrum West ennet der Gleise. Sie stehen deshalb auch demNeubau des Bahnhofsgebäudes von Bauherrin Eiffagekritisch gegenüber und haben jeweils Einsprachen eingereicht. Mit der jüngsten Einwendung gegen das Bahnprovisoriumkönnten sie das Neubauprojekt zum Kippen bringen. Denn solange Eiffage diese Bewilligung nicht hat,ist kein Baustart möglich. Währenddessen droht die ursprüngliche Baubewilligung für den Neubau Anfang Juli abzulaufen.
«Soll eine ÖV-Drehscheibe sein, die diesen Namen verdient»
«Wir sind nicht gegen den Bahnhofneubau, aber es soll damit kein Präjudiz geschaffen werden», stellt Hunziker klar. Sie und Wächter wünschen sich eine Sistierung der Baubewilligung, bis eine Gesamtplanung vorliegt. «Es soll eine ÖV-Drehscheibe sein, die diesen Namen verdient, kein Flickwerk», sagt Wächter. Das Duo fordert vom Gemeinderat, dass er eine neutrale Rolle als Vermittler einnehmen soll und verschiedene Varianten für die künftige Gestaltung des Areals geprüft werden.
Ein weiterer Stein des Anstosses ist für die beiden, dass sie sich an Mehrkosten für eine Planung beteiligen sollen, die ihnen nur Nachteile wie eine Landenteignung bringe. «Wenn es um Aspekte geht, die uns betreffen, etwa was die Zukunft der Silos betrifft, beteiligten wir uns natürlich an den Planungskosten», so Wächter. Gemeinsam mit Hunziker geht er davon aus, dass der Gemeinderat nun die Revision der Bau- und Nutzungsordnung auf dem ordentlichen Weg vorantreiben wird. Denn das Areal Dorfzentrum West sowie die Hegmatte wurden von der Revision 2018 ausgenommen und blieben als weisse Flecken zurück.
Die AVA hat nach Anfrage der AZ von einer schriftlichen Stellungnahme zum Abbruch des Planungsverfahrens abgesehen. Der Gemeinderat erklärte auf Anfrage, dass man zur gegebenen Zeit selber informieren werde.