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Cervelat-Aktion, Tierfuttersammlung und Spendenaufruf der «Aare Tüfel»: So will die Region der Bevölkerung von Blatten helfen

Ein paar Stunden Fahrzeit und einige Gipfel trennen das Suhrental vom Walliser Dorf Blatten und doch ist die Solidarität gross. Die Metzgerei Berchtold aus Muhen hat eine spezielle Cervelat-Aktion gestartet, ein Staufner Landwirt 300 Tonnen Tierfutter zusammengetragen und die Schöftler Krampusgruppe Aare Tüfel sammelt fleissig Spenden und hat einen besonderen Bezug zum Lötschental.

Als Jolanda Fretz auf den Bildern sieht, wie der Fels am Kleinen Nesthorn abbricht und der Gletschersturz das Dorf Blatten unter einer Schlammlawine begräbt, zögert sie nicht. «Seit zwei Wochen verfolgen wir das nonstop», erzählt sie. Als die Fotos des gefluteten Dorfes durch die Medien gehen, startet sie auf der Facebookseite Schöftler Brocki einen Spendenaufruf.

Innerhalb von 24 Stunden kamen fast 2000 Franken zusammen. Fretz ist Präsidentin des Vereins «Suhrental hilft regional». Unterstützung leisten, darauf ist der Verein mit seiner Brocki spezialisiert: «Jetzt ist die Hilfe überregional gefragt.» Die Anteilnahme in der Region und ihrem persönlichen Umfeld sei sehr gross. Die Bilder vom verschütteten Walliser Dorf Blatten zu sehen – «Das tut einem einfach nur leid. Es ist schwierig, das in Worte zu fassen.»

Die Verbindung zwischen Schöftland und dem Lötschental

Jolanda Fretz kennt das Lötschental seit ihrer Kindheit. Oft haben sie im Wallis Ferien gemacht, erzählt sie.Zudem fährt die Schöftler Krampusgruppe Aare Tüfel, die Jolanda Fretz ebenfalls präsidiert, seit sieben Jahren an den Traditionsanlass Tschäggättä, wo sie als Gastläufer teilnehmen. «Das hat für uns auch eine Verbundenheit geschaffen, die man jetzt stark spürt.»

Viele der Aare-Tüfel und aus dem Freundeskreis seien startbereit, zu helfen und auch Material zu bringen. Vorerst will sie abwarten: «Noch ist es zu früh, um zu wissen, was die Leute von Blatten effektiv brauchen.» Zuerst will Fretz Kontakt mit Leuten vor Ort herstellen und die Unterstützung koordinieren.

Für sie ist aber klar: «Wir wollen den Leuten etwas Gutes tun, es soll eine Spende fürs Gemüt sein.» Manchmal seien es die kleinen Dinge, die emotional berühren könnten. Zum Beispiel ein neues Blumenbeet – respektive einen Gutschein für ein Gartengeschäft. Mindestens bis Ende Juni will sie den Spendenaufruf auf Facebook stehen lassen «und die aktuellen Einnahmen der Brocki legen wir auf die Seite für Blatten.» Im Brocki hat Fretz auch ein Hilfskässeli aufgestellt. Derzeit plane sie, am 28. Juni einen ausserordentlichen Flohmarkt für Blatten zu veranstalten.

Denn auch wenn die Betroffenheit im Moment am grössten sei: «Das Dorf wird jahrelang Hilfe brauchen.» Und für sie ist das eine Möglichkeit der Anteilnahme: «Wir wollen den Leuten vor Ort zeigen, dass man überall an sie denkt.»

Metzgerei Berchtold produziert 1000 Cervelats

Rolf Rykart und Hanspeter Heeb (rechts) in der Metzgerei Berchtold bei der Wurstproduktion.
Bild: zvg

Auch die Metzgerei Berchtold Fleisch AG, ein Familienunternehmen aus Muhen, hat in kürzester Zeit eine besondere Solidaritätsaktion auf die Beine gestellt. Die Metzgerei erhöht den Cervelat-Preis kurzfristig um 25 Rappen, von 3.95 Franken auf 4.20 Franken. «Pro verkauftes Paar Cervelat spenden wir 50 Rappen an die Bevölkerung von Blatten», erklärt Geschäftsführer Daniel Berchtold. So könne das Unternehmen zusammen mit der Kundschaft Unterstützung leisten, denn: «Das traurige Ereignis von Blatten ist in aller Munde.»

Die Metzgerei Berchtold hat die Spendenaktion innerhalb weniger Stunden auf die Beine gestellt. «Mein Vater hat heute Morgen vorgeschlagen, dass wir uns engagieren sollen. Die Idee kam uns um 6 Uhr morgens und um 9 Uhr haben wir via Facebook ein Video als Hinweis auf die Aktion veröffentlicht», berichtet Berchtold. Nun stecke er mitten in der Cervelatproduktion, erzählt er der AZ am Telefon und vakuumiert währenddessen die Würste. Die Familie hat keinen persönlichen Bezug zum Walliser Dorf, aber das Bedürfnis, Unterstützung zu leisten.

Weshalb fiel die Wahl auf den Cervelat? Das Metzgerei-Team habe am Morgen eine Aufstellung der Produktionsmöglichkeiten gemacht, so Berchtold. Und zwei weitere Gründe haben in den Entscheid hineingespielt: «Es ist Grillwetter und der Cervelat ist unsere Nationalwurst. Gibt es etwas Besseres für eine Solidaritätsaktion?» Innert kürzester Zeit hat die Metzgerei ein spezielles Etikett für die Spendenaktion entworfen und ist tüchtig in der Produktion. Am Freitag werden 1000 Cervelats hergestellt. «Das ist rund die doppelte Menge des üblichen Produktionsvolumens eines Freitages», so Berchtold.

Mit eigens entworfenem Etikett: Für jedes verkaufte Paar Cervelats gehen 50 Rappen an die Bevölkerung von Blatten.
Bild: zvg

«Nun wollen wir schauen, wie der Verkauf läuft und ob wir am Montag weiter Cervelats herstellen können», sagt der Geschäftsführer des Müheler Familienunternehmens. Die Aktion soll vorerst für mindestens eine Woche laufen und gilt nur im Geschäft in Muhen. Läden, die von Berchtold beliefert werden, sind nicht Teil davon.

Über 800 Ballen Tierfutter aus der ganzen Schweiz

Roland Furter hat die Landwirtschaft mobilisiert, um Tierfutter für die Bauern in Blatten zu spenden.
Bild: Zvg

Die Direkthilfe aus der Region Lenzburg geht nicht an die Menschen, sondern an die Tiere. Roland Furter, Landwirt aus Staufen, hat die Aktion losgetreten – und ist jetzt mit einer enormen logistischen Aufgabe konfrontiert. Nachdem ein Verwandter, der in Nähe von Gampel einen Hof bewirtschaftet, ihm die Lage geschildert hatte, rief er auf Facebook dazu auf, Gras-, Mais und Heuballen als Tierfutter zu spenden. Was daraufhin passiert ist, kann er kaum fassen: «Ich bin überwältigt von der Solidarität, der Zusammenhalt in der Landwirtschaft ist massiv.»

Über 800 Ballen sind ihm in den 20 Stunden seit dem Aufruf zugesichert worden – das sind rund 300 Tonnen Futter. Aus dem Emmental, Baselland und gar aus Deutschland meldeten sich Berufskollegen. Diese Menge nach Blatten zu transportieren, dazu fehlten Furter die Zeit und die Ressourcen.

Deshalb habe er beim Militär angefragt, den Transport zu übernehmen, so der Landwirt. Diese Koordination laufe jetzt. Der Aufruf sei aber nicht mehr zu stoppen, in diversen Chats wurde er geteilt. Und Furter sagt: «Am Montag versammeln sich Walliser Landwirte, die können dann am besten sagen, was sie genau brauchen.»