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Frankreich streitet nach der Miss-Wahl: Kann ein Kurzhaarschnitt Sünde sein?

Erstmals trägt eine Miss France ihr Haar kurz. Damit bewirkt sie prompt eine sehr politische Debatte.

Das «neue Gesicht Frankreichs», wie sich die Präsentatoren der Miss France-Wahl am vergangenen Samstag ausdrückten, ist von kurzen Haaren umrahmt. Es gehört Eve Gilles, einer 20-jährigen Mathematik- und Informatikstudentin, die Statistikerin werden will und drei ältere Schwestern hat.

Kleines Detail: Sie trägt einen brünetten Pixie-Cut. Das ist ein Novum in der 103 Jahre alten Geschichte dieses Schönheitswettbewerbes. Bisher trugen alle Siegerinnen ihr Haar mindestens schulterlang.

Und das gefällt nicht allen, obwohl der Bubikopf der jungen Nordfranzösin eigentlich gut steht. Das Fernsehpublikum stimmte im Finale nicht für Eve Gilles, sondern für eine Vertreterin aus dem Überseedepartement Guyane mit dunklerer Haut. Die aus Frauen besetzte Jury, die die Hälfte der Stimmen ausmacht, wählte aber grossmehrheitlich die Kurzhaarträgerin aus Nordfrankreich.

Eve Gilles stand dazu: «Wir sind es gewohnt, schöne Missen mit langen Haaren zu sehen, aber ich wollte einen androgyneren Look mit kurzem Haar. Niemand soll Ihnen vorschreiben, wie Sie sein sollen. Jede Frau ist verschieden, wir sind alle einzigartig.»

In den diversen Fernsehshows, in denen sie auftrat, ging Gilles noch weiter. «Miss France ist für mich eine starke Frau, eine Kriegerin, die vor nichts Angst hat und die sagt, was sie denkt.» Die kurzen Haare seien auch ein Symbol der «Vielfalt», die feministische Werte wie den Kampf gegen Mobbing einschliesse.

In den sozialen Medien gab es zuerst einigen Beifall: Die Miss France-Wahl werde entstaubt und verliere ihren sexistischen Touch, den viele ausmachen wollen.

Aber es blieb nicht lange dabei. Seit zwei Tagen steht die neue Miss France unter Beschuss – und nicht nur durch die Anhänger der zweit- und drittplatzierten Kandidatinnen aus Guyane und Guadeloupe. In den sozialen Medien konnte man lesen, die neue Miss France verkörpere kein Schönheitsideal mehr, sondern den Kampf um «Inklusivität», also das Zusammenleben von Mehr- mit Minderheiten. Oder es hiess: «Wir stimmen nicht länger über Schönheit ab, sondern über die Woke-Ideologie dieser ultrafeministischen Frau.»

Das lässt die Gegenseite nicht gelten. Die Grünen-Politikerin Sandrine Rousseau, die früher kein gutes Haar an der «sexistischen» Miss-Wahl gelassen hatte, verteidigt die Siegerin und ihre Frisur. An die Adresse der Kritiker fragte sie: «Messen wir im Frankreich des Jahres 2023 den Respekt gegenüber Frauen etwa an der Länge ihrer Haare?» Um bissig anzufügen: «Was wir mit unseren Haaren machen, geht Männer nichts an.»