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Israels schwarzer Tag im Gaza-Krieg: Wieso eine Hausexplosion das Land im Mark erschüttert

Israels Armee beklagt die bislang verlustreichste Operation seit Beginn des Krieges gegen die Hamas im Gaza-Streifen – was andere wichtige Entwicklungen in den Hintergrund drängt.

Israel steht unter Schock: Innerhalb weniger Stunden wurden am Montag 24 Soldaten bei drei verschiedenen Kampfhandlungen im Gaza-Streifen getötet. Es war dies der höchste Blutzoll für die israelische Armee seit dem Beginn des Gegenangriffs auf Hamas-Ziele in Folge des Terrorüberfalls vom 7. Oktober.

Premierminister Benjamin Netanyahu wandte sich am Dienstagmorgen mit einer Trauerbotschaft an die Bevölkerung: «Gestern haben wir einen der schwierigsten Tage seit dem Beginn des Krieges erlebt.» Die Armee habe eine Untersuchung eingeleitet, wie es zum «Desaster» habe kommen können. «Wir müssen daraus die notwendigen Lehren ziehen und alles dafür tun, die Leben unserer Soldaten zu schützen», betonte Netanyahu in seiner Videoansprache. Israel werde dennoch «bis zum absoluten Sieg» weiterkämpfen.

Verteidigungsminister Yoav Gallant kondolierte den betroffenen Familien und fügte an: «Dass Kämpfer fallen, ist die Voraussetzung dafür, unsere Ziele in diesem Krieg zu erreichen.» Kritische Stimmen konfrontierten die israelische Regierung jedoch mit der Frage, ob militärische Inkompetenz zum Tod des Grossteils der Soldaten geführt hätte. Der linksradikale Parlamentsabgeordnete Ofer Cassif forderte angesichts des vermeintlichen Regierungsversagens sofortige Neuwahlen.

Einstürzendes Gebäude begräbt Soldaten unter sich

Der schwerwiegendste Zwischenfall, bei dem 19 israelische Soldaten unter den Trümmern von zwei einstürzenden Gebäuden begraben und getötet wurden, ereignete sich im Küstenort Al-Mawasi, in der südlichen Peripherie von Chan Yunis. Offenbar hatten israelische Pioniere den Hauskomplex zur Sprengung vorbereitet und deshalb zuvor eingesammelte Landminen darin gestapelt. Als ein Gebäude von einer Hamas-Panzerabwehrrakete getroffen wurde, kam es zur katastrophalen Detonation und zum Einsturz.

Aus der von israelischen Zeitungen veröffentlichten Namensliste geht hervor, dass es sich bei den getöteten Soldaten um Reservisten im Alter zwischen 22 und 40 Jahren gehandelt hat, darunter mehrere Offiziere und überwiegend Familienväter. Es sei Teil der laufenden Untersuchung, ob die erfahrenen Soldaten gegen Vorschriften verstossen hätten, als sie die Landminen in die Häuser hineintrugen, schrieb am Dienstag die «Jerusalem Post».

Propalästinensische Blogger bejubelten die Explosion in den sozialen Netzwerken und sahen den Zwischenfall als Beweis dafür an, die israelische Armee würde gezielt Zivilgebäude im Gaza-Streifen zerstören. Israels Armeesprecher, Konteradmiral Daniel Hagari nannte als Ziel der missglückten Operation «die Entfernung von terroristischer Infrastruktur».

Mit den am Montag ums Leben gekommenen Soldaten stieg die offizielle Opferzahl der israelischen Armee im Gaza-Krieg auf 556 Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten. Ganz in der Nähe der eingestürzten Gebäude wurden zwei weitere Soldaten getötet, als ihr Panzer ebenfalls von einer von einem Hamas-Terroristen abgefeuerten Rakete getroffen wurde.

Bei der dritten fatalen Kampfhandlung starben drei Fallschirmjäger-Offiziere vom Elite-Bataillon 202, die in Chan Yunis in einem Hinterhalt erschossen wurden. Unabhängig davon vermeldete Israels Armee am Dienstagmittag, Chan Yunis sei jetzt vollständig eingekreist. Im Nahkampf seien «Dutzende Hamas-Terroristen eliminiert» worden. Das Hilfswerk Palästinensischer Roter Halbmond sprach seinerseits von Dutzenden Toten und Verletzten unter der palästinensischen Zivilbevölkerung.

Berichte über Friedenspläne treten in den Hintergrund

Die für Israel schlimmen Verlustmeldungen aus dem Gaza-Streifen übertönten im Land alle vorangegangenen Meldungen über die Möglichkeit eines neuerlichen Waffenstillstands. Am Montagabend hatte das Nachrichtenportal «Axios» berichtet, Israel habe Vermittlern aus Ägypten und Katar ein Angebot für eine zweimonatige Feuerpause unterbreitet. Dabei berief sich «Axios» auf anonyme israelische Beamte.

Gemäss dieses Artikels würde sich Israels Militär im Austausch gegen die rund 130 verbliebenen Geiseln aus den Bevölkerungszentren im Gaza-Streifen zurückziehen. Das «Wall Street Journal» schrieb fast zur gleichen Zeit, fünf arabische Länder stünden kurz vor der Ausarbeitung eines Friedensplans, wonach Saudi-Arabien im Gegenzug für die Schaffung eines palästinensischen Staates die Anerkennung Israels anbiete.

In einem Interview mit dem «Deutschlandfunk» nannte der israelische Historiker Moshe Zimmermann die angebliche Bereitschaft Jerusalems für einen neuerlichen Waffenstillstand ein «blosses Ablenkungsmanöver, um die Friedensangebote der Gegenseite hinauszuzögern». Im Kern drehe sich alles um die Anerkennung einer Zweistaatenlösung, welche die Regierung Netanyahus weiterhin strikt ablehne.