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Seit 1936 ist der Hirsmontag den Zofinger Schnitzelbänklern heilig

Gelungene Wortspiele und treffende Pointen: Am 19. Februar gehen die Schnitzelbänkler in der Altstadt wieder auf den «Waggel».

«Ich bin eigentlich spät zur Fasnacht gekommen», sagt Urs Siegrist, mit 28 Jahren sei er erstmals als Schnitzelbänkler unterwegs gewesen. Das ist mittlerweile genau fünfzig Jahre her. Und noch eine runde Zahl. Vor exakt zehn Jahren hat sich Siegrist von der Schnitzelbänkler- Bühne verabschiedet. «Es war ein bewusstes Aufhören», sagt er dazu. Denn Spass habe das «Bänkle» auch nach vierzig Jahren immer noch gemacht. Aber aufhören müsse man dann, wenn die Leute sagen: «Schade, dass du aufgehört hast.»

Zwei eigenständige Figuren

Als Bänkelsänger verkörperte Urs Siegrist zwei verschiedene Figuren. Von 1974 bis 1984 ging er als «De Wiggerehüpfer» auf den «Waggel» durch die Zofinger Beizen. «Damals wohnte ich in Strengelbach – musste also die Wigger überqueren, um nach Zofingen zu gelangen», erklärt er. Als der Umzug nach Zofingen anstand, beerdigte Siegrist den «Wiggerehüpfer» gleich selbst. «Mit dem heutigen Tag geht er von uns», kündigte die Todesanzeige auf dem Kartonhelgen am Holzrechen den endgültigen Abschied von seiner Figur an. Ab 1985 bis zu seinem Abschied als Schnitzelbänkler 2014 trat Siegrist als «De Usrüefer» auf. «Eine Figur, die in der Thutstadt natürlich historisch verbürgt ist», führt er aus. Mit dem feinen Unterschied, dass der (mittelalterliche) Ausrufer als Verkünder von Bekanntmachungen und Neuigkeiten auftrat, «De Usrüefer» aber das Geschehen in Stadt und Region aufs Korn nahm.

Urs Siegrist als Wiggerehüpfer in Aktion.
zvg

Für Siegrist spielte die Musik bei beiden Figuren eine weniger wichtige Rolle. «Als ‹Wiggerehüpfer› habe ich gesungen, ‹De Usrüefer› hat seine Verse sprechenderweise, aber dennoch mit melodischen Zwischentönen vorgetragen», sagt er. Seine beruflichen Tätigkeiten als Inhaber eines Werbebüros und als Conférencier hätten sich inspirierend aufs Schnitzelbänklen ausgewirkt. Und umgekehrt. Eine gute Bank müsse kurz sein, das Publikum falsch leiten und dann das Ganze mit einer Pointe auflösen. So wie es «De Usrüefer» etwa 1999 tat, als er die Kandidatensuche der CVP für einen Bundesrat thematisierte – und dann die neue Rechtschreibung und schliesslich den «Tägu» auf die Schippe nahm.

Das tönte damals so: Me isch be de CVP ou rächt iisichtig: / d Rächtschriibig sig be de Kandidate nümm so wichtig. / Fürs Zofiger Tagblatt isch die Rächtschriib-Reform gar ned schlächt. / Si schriibe no wie früecher, aber jetzt ischs ändlech rächt! / Ob KBZ, Schindler, Lüscher, Ehinger oder Siegerischt, / De Sammubegriff heisst eifach «Tägumischt»!

Die ersten bekannten Überlieferungen von Zofinger Schnitzelbänken gehen auf das späte 19. Jahrhundert zurück und haben ihren Ursprung in der Bezirksschule Zofingen. «Ich habe Fotos aus den 1890er-Jahren gesehen, auf denen Schüler der Bezirksschule bänkelnd in der Altstadt unterwegs waren», sagt der ehemalige Kurator des Zofinger Museums. Am Abend des jeweils schulfreien Hirsmontags zogen die Abschlussklassen der Bezirksschule Zofingen durch Altstadtlokale und besangen Vorkommnisse aus dem Leben der Stadt. «Und natürlich werden sie auch die Lehrer aufs Korn genommen haben», sagt Siegrist schmunzelnd. Diese Bänkelvorträge seien von vielen Zofingerinnen und Zofingern geschätzt worden und entwickelten sich zu einer festen Tradition, die lange Zeit fortgeführt wurde.

Unterhaltsam: die «Chlämmerlisäck».
Bilder: Archiv ZT/Regina Lüthi

Zunft bringt Ordnung in Schnitzelbank-Verkehr

Mit der Gründung der Fasnachtszunft Zofingen 1936 wurde dann erstmals ein Schnitzelbank-Verkehr am Hirsmontagabend in der Altstadt organisiert. Ein verbindlicher Fahrplan ordnete den Ablauf der Veranstaltung und die Beizenbesucher wurden zum Tragen der erstmals ausgegebenen Fasnachtsplakette aufgefordert. Die Zunft war auch besorgt, dass die Bänklerverse auf Zetteln festgehalten und diese unter die Leute verteilt wurden. «Einige Cliquen erlangten durch ihr teilweise jahrzehntelanges Auftreten zumindest lokale Berühmtheit», weiss Urs Siegrist. «D’Buchwälle-Riege» bestehend aus Mitgliedern des Turnvereins Zofingen, «De Pouke-Micki», «Di böse Gosche» oder «D’Schnudernase» wären da etwa zu nennen. «De Pouke-Micki» war rund vierzig Jahre auf der von den Schnitzelbänklern «Waggel» genannten Tour durch die Altstadtlokale. «Seine Figur existierte als Pouke-Wädu, Pouke-Housi, Pouke-Miggi und Pouke-Mägu bis hinein in die 2000er-Jahre weiter», sagt Siegrist.  

Der Schnitzelbank-Abend wurde bald zum Traditionsanlass und erfreute sich einer enormen Beliebtheit. «Seine Glanzzeit dürfte er in Zofingen wohl Mitte 70er-/Anfang 80er-Jahre erlebt haben», meint Urs Siegrist. Doch auch schon in den 1960er-Jahren wurden bis zu 16 Lokale besucht und die Cliquen mussten sich in einem engen Fahrplan von 20 Minuten pro Beiz bewegen. Anfang der 1970er-Jahre wurde sogar ein Autotransport ins Restaurant Schlössli nach Strengelbach organisiert. Zum abwechslungsreichen Programm gehörte bald auch die Trommelgruppe der Stadtmusik und mit der Gründung der Langnase-Zunft 1965 war auch erstmals eine Guggenmusik mit von der Partie.

Mit der Gründung der Zofinger Schnitzelbänkler Vereinigung (ZSV) im Oktober 1991 wurde die Organisation von der Fasnachtszunft auf eine breitere Basis gestellt. Unvergessen ist deren erster Obmann Heinz Badertscher («De Dräckspatz») – legendär das von ihm eingeführte kreative «Värslibrünzler-Fürobe-Bier» im Restaurant Frohsinn.

Die «Bünzli» treten seit vielen Jahren am Hirsmontag auf.

Weniger Cliquen, weniger Beizen

Dem Schnitzelbänklen hat Siegrist seit seinem Rückzug als Aktiver komplett den Rücken gekehrt. Auch am Hirsmontag ist er bewusst nicht mehr in den Beizen zu finden. Eine Einschätzung zur heutigen Situation für die Schnitzelbänkler traut er sich dennoch zu. «Es ist sicherlich schwieriger geworden», schätzt er, «denn es gibt zahlreiche Traditionsbeizen in der Altstadt nicht mehr – und auch die Cliquen sind weniger geworden.» Er rechne es der Schnitzelbänkler Vereinigung aber hoch an, dass sie weitermachen wolle.

Am Montag, 19. Februar ist es dann wieder so weit. Ab 19.30 Uhr gehen die musikalischen «Bünzli», die spitzfindigen «Pest­ärzt», die pfefferigen «Hinterwäldler», die unterhaltsamen «Chlämmerlisäck», die witzigen «Schnoderbuebe» sowie aus Reiden die tratschenden «Plaudertaschen» und die kräftigen «Wyberhögge» wieder auf den «Waggel». Mit dabei auch der «Itriber», welcher Jahr für Jahr für den Stuhlgeld-Einzug verantwortlich ist. Musikalisch wird der «Waggel» von den Tambouren Wiggere Ruesser sowie von den beiden Guggen Langnase Schränzer und Sträggelebrätscher aus Strengelbach bereichert. In den folgenden Restaurants werden die Bänkler, Tambouren und Guggen auftreten: Hotel Zofingen, Catia’s Jägerstübli, Key 69, Dolce Vita, Markthalle, le cheval blanc, Rathaus, Schützenstube und Havanna.

An Themen fehlt es auch heuer nicht

Und die Themen? Das dürfte dieses Jahr nicht so einfach sein, vermutet Siegrist. «Über die tragischen Geschehnisse in der Welt kann man kaum mehr Witze reissen», findet er. Aber in der Region würden sich doch andere Themen finden lassen, sagt er und schmunzelt. Zum Beispiel? Die Steinwüste Bahnhofplatz, die Druckerei-Schliessung bei Swissprinters, Frau Stadtpräsidentin, die nicht mehr Frau Stadtammann sein wollte oder auch das Museum würden sich als Themen geradezu aufdrängen, meint er.