Sie sind hier: Home > Mode > Grosswildjagd in Paris: Luxusmarke provoziert mit Tierköpfen an Fashion-Show

Grosswildjagd in Paris: Luxusmarke provoziert mit Tierköpfen an Fashion-Show

Das Buhlen der Modehäuser um Aufmerksamkeit hat an der Pariser Haute-Couture-Woche eine neue, traurige Dimension erreicht. Die Luxusmarke Schiaparelli sorgt mit Tierschädeln an Abendroben weitherum für Entsetzen. 

Was wäre die Modeindustrie ohne Skandälchen und Provokationen? Das sind die Stoffe, die einer Marke ein Profil geben – und Aufmerksamkeit, wie der jüngste Fall um das Luxushaus Schiaparelli mit Tierschädeln als Teil der Garderobe beweist. Skandale sind Big Business. Das wusste keiner besser als Yves Saint Laurent, der Vater des Mode-Eklats.

Ein Model zieht (fast blank): Kollektion von Yves Saint Laurent, 1968.
Reg Lancaster / Hulton Archive

Der 2008 verstorbene Modeschöpfer erreichte nicht mit blosser Schneiderkunst einen ikonischen Status. Vielmehr revolutionierte er die Modewelt mit publikumswirksamen Schockern. Sei es die Chiffon-Phase mit den blanken Brüsten Ende der 1960er, sei es die Kampagne seines ersten Herrendufts anno 1971. Saint Laurent liess sich nackt ablichten, «weil ich für einen Skandal sorgen will».

Die Rechnung ging auf: Dank der Erregung öffentlichen Ärgernisses und der Tatsache, dass sich einige Zeitungen und Magazine partout weigerten, die Werbung zum Duft «Pour Homme» abzudrucken, stieg das öffentliche Interesse an dem verruchten Parfum umso mehr. Der Verkauf ging ab wie eine Rakete.

Machten Saint Laurents Eklats noch eine wahrlich schöne Falle, sind die Mode-Skandale von heute an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten. Denn heute vermag der schiere Anblick nackter Haut längst keinen Skandal mehr zu erzeugen. Wir haben zu viele – und vor allem zu oft – Nippel und Hintern gesehen gesehen. Da muss also noch mehr gehen, irgendwie. Und es geht: Zwangsjacken-Look bei Gucci, Taschen, die aussehen wie Müllsäcke bei Balenciaga, Kinder mit Teddybären im Sadomaso-Look, auch Balenciaga, und gerade, als man dachte: schlimmer geht’s nimmer, eine Hommage an die Grosswildjagd.

Am Montag präsentierte Daniel Roseberry, Chefdesigner von Schiaparelli, seine Haute-Couture-Kollektion in Paris; Abendroben und Mäntel mit Tierköpfen am Dekolleté oder auf der Schulter. Täuschend echt wirkten diese Löwen-, Wolf- und Schneeleopardenschädel, die von den Topmodels Naomi Campbell und Irina Shayk auf dem Laufsteg und von Influencer-Unternehmerin Kylie Jenner im Gästesektor spazieren getragen wurden.

Verstörend: Naomi Campbell mit Wolfskopf am Mantel. 
Estrop / Getty Images Europe

Zwar sind keine Tiere zu Schaden gekommen. Wie das Label und auch Roseberry via Instagram beteuerten, seien alle Köpfe aus Fake-Fell, Schaumstoff und von Hand hergestellt. Trotzdem liess der Shitstorm in den sozialen Medien nicht lange auf sich warten. Wenige Stunden nach der Präsentation wurde Roseberry vorgeworfen, er glorifiziere damit die Grosswild- und Trophäenjagd, und dies ausgerechnet mit Tieren, die vom Aussterben bedroht seien.

Das Urteil en gros: geschmacklos, abstossend, verstörend, grotesk. Auch Kylie Jenner, mit 379 Millionen Followern auf Instagram ein Schwergewicht, bekam ihr Fett weg. Sie solle aufhören, für die Gewalt an Tieren zu werben und sich gescheiter für leidende Tiere einsetzen. Einzig und ausgerechnet die Tierschutzorganisation Peta nahm die Kollektion in Schutz. Diese sei innovativ, weil sie ohne echtes Fell und Leder auskommen würde, so das Statement.

Die Schneiderkunst im Schatten des Heischens nach Aufmerksamkeit

Der Zeitpunkt der Präsentation der Schiaparelli-Kollektion könnte schlechter nicht sein: Seit wenigen Tagen ist auf der Streamingplattform Waterbear der Film Slay verfügbar, der das durch die Mode verursachte Tierleid bildstark und schonungslos dokumentiert. Er stammt von Filmemacherin Rebecca Cappelli, die in Paris aufgewachsen ist. Spätestens jetzt sollte allen, die das Spielen mit der Assoziation zur Jagd noch originell finden, das Grinsen vergehen.

Schiaparelli-Chefdesigner Roseberry schiesst unterdessen zurück. Er feiere damit die «Herrlichkeit der Natur». Und wohl auch sich selbst. Denn wie einst Saint Laurent weiss auch er: Aufmerksamkeit ist das höchste Gut, und diese erhält er nun en masse.

Schade drum. Die hohe Schneiderkunst, die an der Pariser Haute-Couture-Woche eigentlich zelebriert werden sollte, gerät bei all dem Schiaparelli-Wirbel und anderen Skandalen zunehmend ins Hintertreffen. Man fragt sich bange, was wohl als Nächstes kommt. Wie dieser Tierschädel-Eklat noch getoppt werden kann.

Den Kreativdirektoren der Luxusmodehäuser wird bestimmt was einfallen.