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«Unhaltbarer Zustand für Betroffene»: GLP-Grossrätin kritisiert lange Verfahren bei der Kesb

Reichen die Ressourcen bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde im Aargau? Das fragt sich GLP-Grossrätin Béa Bieber – und verlangt Antworten von der Regierung.

2021: 7299 Fälle
2022: 7615 Fälle
2023: 8004 Fälle

Die Anzahl Fälle von Erwachsenen mit einer behördlich angeordneten Massnahme nimmt im Aargau Jahr für Jahr zu. Und zwar leicht mehr, als die Bevölkerung wächst. 2023 waren es 13,5 Erwachsene pro 1000 Erwachsene, 2021 war der Wert mit 12,72 noch leicht tiefer.

Die Zahlen stammen aus dem Bericht von 2023 zum Kindes- und Erwachsenenschutz (Kesb) im Kanton Aargau. Auf ihn dürfte sich Béa Bieber beziehen, wenn sie von einem «zunehmenden Druck» schreibt, der auf der Kesb laste. Die GLP-Grossrätin sorgt sich in einer kürzlich eingereichten Interpellation um die Kapazität der Behörde. Die steigende Fallzahl und die wachsende Komplexität führten zu einer erhöhten Arbeitsbelastung der Kesb-Mitarbeitenden, so Bieber.

Besondere Sorge bereitet Bieber die lange Bearbeitungsdauer von Gefährdungsmeldungen. Derzeit dauere die Erstellung eines Berichts nach einer eingegangenen Meldung in ihrem Bezirk rund drei Monate, schreibt die Rheinfelderin in ihrem Vorstoss. «Ein unhaltbarer Zustand für die Betroffenen», findet Bieber. «Während dieser Zeit passiert oft wenig bis gar nichts, es sei denn, das Umfeld wird selbst aktiv – eine Möglichkeit, die oft nicht gegeben ist.»

Bieber bezieht sich mit ihren Schilderungen auf konkrete Fälle. «Ich bin oft an der Basis unterwegs und erfahre von solchen Zuständen», sagt sie auf Nachfrage. Genauer will sie sich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht zu den Fällen äussern. Nur so viel: «Für die Menschen, die die Gefährdungsmeldung machen, ist diese lange Frist schwierig zu überbrücken.»

Schulden können zu einer Beistandschaft durch die Kesb führen: Eine Frau sitzt vor Rechnungen und Betreibungen.
Symbolbild: Depositphotos.com, Andrew Lozovyi

Fast die Hälfte aller Verfahren an den Gerichten sind Kesb-Fälle

Im Aargau übernehmen die Familiengerichte die Funktion der Kesb. Und auf sie entfällt seit Jahren die Hauptlast aller Verfahren an Aargauer Gerichten. Dies zeigt sich etwa im kürzlich veröffentlichten Jahresbericht. 47’907 Fälle gingen im vergangenen Jahr insgesamt in den elf Bezirksgerichten, beim Obergericht und weiteren Gerichten ein. Mit 20’942 entfiel fast die Hälfte auf die Familiengerichte. Der Wert ist seit Jahren stabil.

Und so können die Abklärungen dauern. Rund zwei Drittel aller Verfahren erledigen die Familiengerichte innert dreier Monate, wie eine Grafik im Jahresbericht zeigt. Diese können die Sozialdienste wohl oft niederschwellig erledigen: die Spitex, die einem verwahrlosten älteren Mann hilft; eine Familienbegleitung, die überforderte Eltern unterstützt.

Die Zahl im Umkehrschluss: Ein Drittel der Verfahren geht länger als drei Monate. 20 Prozent dauern bis zu einem halben Jahr, weitere 11 Prozent bis zu einem Jahr, und 4 Prozent gar bis zu zwei Jahre. In absoluten Zahlen sind das doch 720 Fälle.

Bieber verlangt Antworten von der Regierung

Und so fragt sich Bieber vor allem eines: Reichen die bestehenden Ressourcen?

Konkret fragt sie dies den Regierungsrat. Mit einer Interpellation verlangt sie von der Aargauer Regierung eine Auslegeordnung. Die Grossrätin will etwa wissen, wie sich die Stellenpensen der Kesb in Bezug auf die Bevölkerungszahl entwickelt haben, wie der Kanton die Kesb-Mitarbeitenden zu ihrer Arbeitslast befrage, mit welchen Massnahmen er sicherstelle, dass Gefährdungsmeldungen schneller bearbeitet würden, und wie er die künftige Entwicklung beurteile.

Kurz: Ihre Fragen sind auch eine Vorbereitung auf eine mögliche Aufstockung der Kesb. So, wie dies in anderen Kantonen bereits geschehen sei. «Doch zuerst braucht es gut fundiertes Datenmaterial», sagt Bieber. Sollte dieses einen Bedarf an mehr Ressourcen aufzeigen, könnte sie sich eine entsprechende Motion vorstellen.