Leistungen sind nicht kostendeckend: Spitäler fordern mehr Geld, Kanton sieht nur einstelligen Millionenbetrag vor
271 Franken pro Patientin und Patient: So hoch ist derzeit die Abgeltung für Gemeinwirtschaftliche Leistungen (GWL) der Spitäler im Aargau. Der schweizweite Schnitt liegt bei gut 2000 Franken – und auf diesen Wert sollen die Zahlungen des Kantons steigen, wenn es nach dem Kantonsspital Baden (KSB) geht. Auch das Kantonsspital Aarau (KSA) hat sich der Forderung nach einer höheren Entschädigung angeschlossen.
Würde diese Forderung umgesetzt, hätte dies massive Auswirkungen auf den Kantonshaushalt: Die Zahlungen würden gut sieben Mal höher ausfallen höher als heute. Eine Umfrage der AZ bei fünf Gesundheitspolitikern zeigte, dass bürgerliche Grossräte einer Erhöhung der GWL-Abgeltung kritisch gegenüberstehen.
Doch was sind GWL überhaupt? In einer Verordnung hat der Regierungsrat vor zwei Jahren festgelegt, an welchen Leistungen sich der Kanton beteiligen kann – und wie hoch die Entschädigung dafür ausfällt.
Gemeinwirtschaftliche Leistungen (GWL) der Aargauer Spitäler
– ungedeckte Betriebskosten einer Kinderklinik: höchstens fünf Mio. Franken pro Jahr
– Forschung: höchstens 2,5 Mio. Franken pro Jahr
– Betrieb der Sanitätsnotrufzentrale: 1,8 Millionen Franken
– Massnahmen des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts: 500’000 Franken
– Bereitstellung und Unterhalt von geschützten Operationssälen: 20’000 bis 30’000 Franken
– ärztliche Weiterbildung: 15’000 Franken pro Assistenzarzt und Jahr
– universitäre Lehre: 8000 Fr. pro Unterassistent und Jahr / 500 Fr. pro Blockstudentin und Jahr
– Massnahmen des Kinderschutzes: 1500 Franken pro betreutes Kind
– Betrieb einer Heroinabgabestelle: 339 Franken pro Woche und Fall
November 2019: Grosser Rat lehnt Zehn-Millionen-Spritze für KSA ab
Vor ziemlich genau drei Jahren wurde im Grossen Rat über eine deutlich höhere Abgeltung der nicht kostendeckenden Leistungen des KSA diskutiert. Finanzdirektor Markus Dieth sagte im Vorfeld der Debatte, die zehn Millionen für das KSA seien gerechtfertigt, weil das Spital einen hohen Aufwand für Notfall-Vorhalteleistungen habe. Die Abgeltung dafür sei im Aargau vergleichsweise niedrig, deshalb erachte der Regierungsrat eine höhere GWL-Entschädigung für das KSA als richtig, argumentierte Regierungsrat Dieth.
Doch das Kantonsparlament lehnte im November 2019 eine GWL-Abgeltung von zehn Millionen Franken für das KSA ab. Bewilligt wurde für 2020 nur ein zusätzlicher Betrag von 2,8 Millionen Franken. SP, Grüne, GLP und EVP setzten sich für die Zehn-Millionen-Spritze ein, die CVP (heute Mitte) beantragte 2,8 Millionen für das KSA und 0,3 Millionen für das KSB. Die FDP unterstützte die total 3,1 Millionen für beide Kantonsspitäler, während die SVP keine zusätzlichen Abgeltungen sprechen wollte.
Kanton geht von einstelligem Millionenbetrag für GWL-Abgeltung aus
In der GWL-Verordnung vom November 2020 ist indes keine Abgeltung für Vorhalteleistungen im Notfallbereich vorgesehen. Es soll also nicht mehr Geld geben für Ärztinnen und Ärzte auf Abruf, die rund um die Uhr bereit sein müssen – auch wenn sie im besten Fall nicht gebraucht werden. Barbara Hürlimann, Leiterin der kantonalen Abteilung Gesundheit, sagte damals auf Nachfrage der AZ: «Dem politischen Willen entsprechend soll die weitere Finanzierung der Vorhalteleistungen durch eine Tariferhöhung erfolgen.»
In der neuen Gesundheitspolitischen Gesamtplanung, die im Grossen Rat noch nicht behandelt wurde, heisst es allerdings: «GWL sind Leistungen, welche die Spitäler im Auftrag des Kantons bereitstellen (müssen), unabhängig davon, ob sie tatsächlich in Anspruch genommen werden.» Und weiter: «Der Kanton entschädigt sie dafür situationsabhängig angemessen, sodass die Kosten bei effizienter Leistungserbringung gedeckt sind.»
Die Gesundheitsstrategie, die vor den Hilferufen von KSA und KSB erarbeitet wurde, enthält auch Angaben zur Höhe der GWL-Abgeltung. «Die Mitfinanzierung von versorgungsrelevanten Vorhalteleistungen führt für den Kanton zu einem erhöhten Aufwand im Umfang eines einstelligen Millionenbetrags» – das ist weit entfernt von den Forderungen der Spitäler.