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Tempo 30: Das Parlament will den Städten Geschwindigkeitsbegrenzungen verbieten

Bei Diskussionen um Tempo 30 geht der Puls bei vielen Menschen rasch in einen unguten Bereich. Das zeigte auch die Debatte im Ständerat. Ob der neuste Streich gegen die Tempobegrenzungen tatsächlich Wirkung hat, ist umstritten.

Das Thema Tempo 30 eignet sich hervorragend für Kalauer. Während viele Städte «Vollgas für Temporeduktion» geben, gibt es nun die «Vollbremse» aus dem Bundeshaus. Klar ist: Eine Mehrheit im nationalen Parlament will ein Zeichen setzen gegen das Ausbreiten von Tempo-30-Zonen. Nach dem Nationalrat hat am Mittwoch auch der Ständerat eine Motion von Peter Schilliger (FDP/LU) angenommen. Diese fordert im Prinzip nichts anderes, als dass auf Hauptstrassen generell Tempo 50 gelten soll.

Das bedeutet im Umkehrschluss auch: Tempo 30 auf den Hauptverkehrsachsen soll nur noch im Ausnahmefall möglich sein. Damit untergräbt das Parlament die Bestrebungen vieler Städte. So hat etwa die Stadt Freiburg kürzlich grossmehrheitlich Tempo 30 eingeführt – teilweise auch auf Hauptstrassen.

Für Schilliger, der auch beim autofreundlichen Mobilitätsverein TCS im Verwaltungsrat sitzt, geht das zu weit. Der Verkehrsfluss sei nicht mehr gewährleistet wegen der «chaotische Weise», wie sich Tempo 30 ausbreite. Das alles führe zu «einer Schwächung der Funktionalität des Strassennetzes», zudem sei es so schwieriger für Lenkerinnen und Lenker, «die geltenden Regelungen gut zu erkennen».

«Entvölkerte Innenstädte» wegen Tempo 30

All diese Argumente verfingen auch bei den Ständeräten und Ständerätinnen. Es gehe bei diesem Vorstoss um ein «pragmatisches und sinnvolles Nebeneinander des motorisierten Individualverkehrs und des ÖV», schlussfolgerte Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU). Und sie sei nötig, weil «zunehmend eine sachliche und konstruktive Diskussion auf kantonaler und kommunaler Ebene nicht mehr möglich ist».

Gerade für KMU, führte Fabio Regazzi (Mitte/TI) ins Feld, seien zusätzliche Hindernisse im Verkehr «sehr problematisch». Sie würden «Lieferzeiten verlängern» und führten zu «Lärm und Stau», so Regazzi. Auch würden sie den Detailhandel «zunehmend aus den Stadtzentren vertreiben». Wer keine «entvölkerten Innenstädte» wolle, müsse nun Tempo 30 Einhalt gebieten. Die Debatte war selbst im normalerweise meist sachlich-nüchternen Ständerat emotional aufgeladen.

Auch das Gegner-Lager sparte nicht mit klaren Worten: Der Vorstoss sei ein «frontaler, offensichtlicher und klarer Angriff auf den Föderalismus und die Souveränität der Gemeinden», sagte Baptiste Hurni (SP/NE). Die Motion von Schilliger wolle nichts anderes, als «die Zeit zurückzudrehen». Mathias Zopfi (Grüne/GL) wittert hinter dem Vorstoss Ideologie unter dem Deckmantel des Verkehrsflusses und der Sicherheit. «Man will es offensichtlich den Städten erschweren, Tempo 30 einzuführen», so Zopfi.

Auch der Bundesrat war dagegen

Ebenfalls dagegen kämpfte Bundesrat Albert Rösti, der zu seiner Zeit als Nationalrat noch als Autolobbyist bekannt war. Eine eigentliche Wertung über Pro- oder Contra Tempo 30 vermied Rösti aber. Er argumentierte damit, dass der Vorstoss aus Sicht der Regierung gar nichts ändere. Schon heute könne auf verkehrsorientierten Hauptstrassen eine Temporeduktion nur nach einem Gutachten eingeführt werden. Dieses müsse aufzeigen, dass beispielsweise die Sicherheit erhöht werde. Entsprechende Ausnahmen sieht auch die Motion Schilliger vor.

Nur weil das Parlament dies neu auf Gesetzes- statt auf Verordnungsebene regeln wolle, ändere sich nichts an der rechtlichen Situation. Was Rösti nicht sagte, aber wohl meinte: Viel Lärm um nichts.

Das hielt die kleine Kammer nicht von der Überweisung der Motion ab. Mit 25 zu 15 Stimmen. Nun muss der Bundesrat eine entsprechende Gesetzesänderung aufgleisen. Ob das Vollgas für die Vollbremse am Ende so funktioniert, wie es die Tempofreunde wollen, wird sich erst in den kommenden Monaten oder Jahren weisen. Die Gesetzes- und Politikmühlen mahlen auch bei Tempo 30 nicht schneller.