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Er entwickelte den Aargauer Aquarellkasten und brachte «Das Farbenbuch» heraus: Nun ist der Windischer Farbforscher gestorben

Sein Leben lang setzte sich Stefan Muntwyler mit den materiellen Bereichen der Malerei auseinander. Er war Künstler, Buchautor und Forscher. Ein Nachruf. 

Stefan Muntwyler wurde 1954 in Wettingen geboren und wuchs in einem Elternhaus auf, das seine musischen Talente förderte. Er machte die Ausbildung zum Primarlehrer und arbeitete nach der Patentierung drei Jahre lang in Gebenstorf. 1978 entschloss er sich, den Vorkurs der Kunstgewerbeschule in Zürich zu besuchen. Ihm schwebte eine künstlerische Laufbahn vor. Bis zu seiner Pensionierung war Muntwyler immer wieder als Lehrer im Teilpensum tätig.

Auf einer ersten Malreise in den Süden Italiens entdeckte er 1979 die Farbgrube von Otranto, einen stillgelegten Abbau für Bauxit-Erz. Diese Entdeckung sollte sein Leben wesentlich mitbestimmen. Was er sah, überwältigte ihn. Die freigelegten Schichten offenbarten eine reichhaltige Palette an Farben. An die 30 Farbtöne sammelte Stefan Muntwyler: Rot- und Orangetöne, helles Rosa, gelbes Ocker, eine Schicht Schwarz, Grau in vielen Schattierungen und Weiss.

Eines der letzten Projekte von Muntwyler war «Das Farbenbuch», das er und seine Mitherausgeber im Sommer 2022 der AZ vorstellten. 
Bild: Sandra Ardizzone

Noch war Muntwyler damals nicht bewusst, dass er das klassische Material für die Herstellung von Pigmenten gesammelt hatte: farbige Erden und Minerale, die Urfarben der Malerei. Es war der Anfang seiner lebenslangen Auseinandersetzung mit den materiellen Bereichen der Malerei, der Beginn seiner Forschung.

Sein Atelier wurde zur Farbküche

1985 erschien das Buch «Mang Ho sagte», mit Texten von Georg Gisi und Illustrationen von Stefan Muntwyler, das eine Auszeichnung als eines der schönsten Schweizer Bücher erhielt. Farben wurden zum Leitthema von Muntwylers Kunst und die Erforschung der Farbmittel zu seiner grössten Leidenschaft. Er sammelte alles Wissenswerte über verschiedene Aspekte der Farb- und Bindemittel: kulturhistorisch bis chemisch. In Kursen für Erwachsene gab er sein Wissen an ein breites Publikum weiter.

Zu Beginn der 90er-Jahre begann Stefan Muntwyler, die mineralischen Pigmente zu Bildern zu verarbeiten: monochrome quadratische Farbflächen. Jede Farbe wurde rein aufgetragen und immer einem Stein, einer Erde oder einem bestimmten Pigment zugeordnet. Sein Atelier wurde zur Farbküche. Damals sagte er: «Ich male keine Bilder mehr im klassischen Sinn. Ich male Farben.»

Künstler Stefan Muntwyler (links) hat zusammen mit André Lambert einen Aargauer Farbkasten mit natürlichen Aquarellfarben aus Gesteinspigmenten kreiert. 
Bild: Chris Iseli

Im Frühjahr 2007 gestaltete Muntwyler in der katholischen Kirche in Windisch – in der Gemeinde wohnte er ab 2009 – die Trennwand zwischen Hauptkirche und Marienkapelle. In geduldigen 30 Tagewerken trug er ebenso viele dünne Schichten Ultramarin aus Afghanistan und Chile lasierend übereinander auf. Er führte das Mauerstück hinter der Marienstatue als klassisches Fresko aus, also auf frischem, noch feuchtem Putz. Dies war seine Reverenz an die alten Meister, die er verehrte, darunter insbesondere den italienischen Maler Fra Angelico.

In Zusammenarbeit mit weiteren Fachleuten hat Stefan Muntwyler sein Wissen im Buch «Farbpigmente Farbstoffe Farbgeschichten» festgehalten. Sein stetes und unermüdliches Forschen wurde 2012 vom Deutschen Farbenzentrum mit dem renommierten Karl-Miescher-Preis ausgezeichnet.

Muntwyler entwickelte abendfüllende Programme zur Kulturgeschichte der Farbe, in denen er «Farbgeschichten: Farben zum Anfassen» präsentierte. Seine Aktivitäten verlagerten sich vor allem durch vermehrte Nachfrage von Kunsthäusern, Kunstinstitutionen und Kulturveranstaltenden im deutschen Sprachraum.

Riesigen Erfolg konnte er noch miterleben

2017 wurde bei Stefan Muntwyler Parkinson diagnostiziert. Durch einen schweren Verlauf mit weiteren Komplikationen schränkte ihn die Krankheit immer mehr in seinen physischen Kräften ein. Trotzdem vollendete er mit unglaublicher Energie sein Leben als Farbforscher.

Im Jahr seiner Krankheitsdiagnose brachte der Maler den Aargauer Aquarellkasten auf den Markt. Im September 2022 erschien «Das Farbenbuch» mit Stefan Muntwyler, Juraj Lipscher und Hanspeter Schneider als Herausgebern. Bereits an Weihnachten war die Auflage von 5000 Stück vergriffen, eine zweite folgte im August 2023.

Im Sommer 2022 mussten Farbforscher Stefan Muntwyler, Chemiker Juraj Lipscher und Grafiker Hanspeter Schneider (v. l.) alle 387 Pigmente für ihr Buch prüfen.
Bild: Sandra Ardizzone

Stefan Muntwyler konnte den riesigen Erfolg noch miterleben. Im September vor einem Jahr sagte er bei «SRF Kultur»: «All meine malerischen Träume sind in Erfüllung gegangen. Das ist grossartig, dass wir das Buch zum Abschluss gebracht haben und ich es noch erleben kann.» Am 2. Oktober 2023 ist er zu Hause gestorben. (az)