
Übernimmt ein Mitarbeiter die Firma, wird er zur Kasse gebeten – Aargauer Regierung will über die Bücher
«Unfaire Praxis» und «krasse Ungleichbehandlung»: Bei solch moralisch aufgeladenen Formulierungen denkt manch einer an Politiker aus dem linken Spektrum. Doch weit gefehlt: Geschrieben hat sie FDP-Grossrat Adrian Schoop in einer Motion an den Regierungsrat im Mai. Wenn ein Mitarbeiter seine Firma kauft, komme er gegenüber einem externen Käufer im Aargau bei den Steuern massiv schlechter weg. Schoop fungierte als Sprecher des Vorstosses, den die Fraktionen von FDP, SVP, Mitte und GLP gemeinsam einreichten.
Diese Praxis erschwere oder verunmögliche betriebsinterne Nachfolgen, heisst es im Vorstoss weiter. «Die Problematik betrifft insbesondere KMU, die massgeblich für den wirtschaftlichen Erfolg im Aargau verantwortlich sind», schrieb Schoop.
Kritik am fiktiven Kaufpreis der Steuerämter
Konkret verhält es sich bei einer internen Nachfolge so: Das Steueramt berechnet den Wert des Unternehmens mit der sogenannten Praktikermethode – einem fiktiven Wert. Dieser berücksichtige wichtige Faktoren sowie das Risiko einer Geschäftsübernahme nicht, kritisierte Schoop.
Deshalb liege dieser Wert häufig deutlich über dem Kaufpreis und werde vom neuen Eigentümer nie bezahlt. Die Differenz zwischen dem Formelwert und dem Kaufpreis muss der neue Besitzer des Unternehmens dennoch als Einkommen versteuern. Anders bei der Übernahme eines Dritten: Dort wird der Kaufpreis als Verkehrswert anerkannt. Es fällt also kein zusätzliches steuerliches Einkommen an.
Geglückte Unternehmensnachfolgen wichtig für Aargau
Diese Praxis könnte neue Firmenbesitzer in die Privatinsolvenz stürzen, befürchtet Schoop. Sie würden dann ihr Vermögen und ihr Unternehmen verlieren – und die Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz. «Gerade für KMU mit lokalem Bezug sind familien- oder betriebsinterne Nachfolgen aber ein zentraler Erfolgsfaktor und der Normalfall», schreibt er. «Bereits ohne steuerliche Hindernisse ist die Unternehmensnachfolge eine der grössten Herausforderungen für Unternehmen, insbesondere für KMU.» Andere Kantone hätten hier eine bessere Lösung, so Schoop.
Die vier Fraktionen fordern im Vorstoss vom Regierungsrat, beim Steuergesetz über die Bücher zu gehen. Der Preis für das Unternehmen, den Verkäufer und Mitarbeiter vereinbaren, sei steuerlich anzuerkennen. Einzig im Fall einer Schenkung, wenn der Mitarbeiter das Unternehmen innert fünf Jahren wieder veräussert, dürfte der sogenannte Übergewinn aus dem Verkauf versteuert werden.
Regierung verweist auf ein Urteil des Bundesgerichts
Der Regierungsrat hat offene Ohren für das Anliegen. Das zeigt seine Antwort auf den Vorstoss, die nun vorliegt. Er macht klar: Angesichts der Regelungen in anderen Kantonen sei die Überprüfung der Aargauer Praxis angezeigt – mit dem Ziel, Unternehmensnachfolgen zu erleichtern.
Die Motion an sich sei wegen eines Bundesgerichtsurteils allerdings in dieser Form nicht umsetzbar. Die Richter aus Lausanne urteilten in einem Fall, dass der Kaufpreis bei einer 20-Prozent-Beteiligung nicht ungeprüft steuerlich anerkannt werden darf. Der Regierungsrat will die Motion von SVP, FDP, Mitte und GLP deshalb als Postulat entgegennehmen.