Sie sind hier: Home > Aargau > Eigenmietwert soll minimal bleiben: Kommission stellt sich gegen Regierungsrat

Eigenmietwert soll minimal bleiben: Kommission stellt sich gegen Regierungsrat

Der Regierungsrat will einen Puffer, damit das Bundesrecht sicher eingehalten wird. Die Kommission gewichtet die Mehrbelastung für Eigenheimbesitzer in Zeiten der Teuerung aber stärker.

Wer ein Haus besitzt und darin wohnt, muss den entsprechenden Eigenmietwert als Einkommen versteuern. Im Aargau beträgt dieser heute im Durchschnitt 60 Prozent der Marktmiete, sprich dessen, was für eine vergleichbare Wohnung oder ein ähnliches Haus an Miete fällig würde. Der Aargau erfüllt damit die Vorgabe des Bundes nicht. Denn: Gemäss bundesrechtlicher Vorgabe muss in jedem Einzelfall und zu jedem Zeitpunkt die Mindestschwelle von 60 Prozent eingehalten werden. Und das ist nicht gegeben.

Nun muss der Kanton über die Bücher und sowohl den Eigenmietwert anpassen, als auch das Schätzungswesen neu aufgleisen. So will es ein Urteil des Verwaltungsgerichts. Gemäss diesem ist die aktuelle Eigenmietwertbesteuerung bei vielen Liegenschaften im Kanton rechtswidrig: Sie werden zu tief besteuert, die als Basis dienenden Vermögenssteuerwerte stammen aus dem Jahr 1998 und entsprechen nicht mehr dem Verkehrswert der Häuser.

Regierungsrat will 62, Grosser Rat 60 Prozent

Wo also soll der Eigenmietwert festgelegt werden? Und wie streng soll überprüft werden, ob wirklich der tatsächliche Wert einer Liegenschaft besteuert wird? Darüber diskutiert die Aargauer Politik nun seit über einem Jahr. Der Grosse Rat hat im Dezember 2022, in erster Lesung, nach heftigen Diskussionen beschlossen, den Eigenmietwert beim Minimum von 60 Prozent zu belassen.

Der Regierungsrat hingegen möchte ihn bei 62 Prozent festlegen und damit einen Puffer zu den Minimalvorgaben einbauen. Zum Vergleich: In den Kantonen Luzern und Zürich beträgt der Eigenmietwert 70 Prozent. Der Puffer soll das Risiko minimieren, bei Wertsteigerungen wieder unter die bundesrechtliche Grenze zu fallen. In diesem Fall drohe nämlich ein Normenkontrollverfahren, warnt die Regierung in ihrer Botschaft vom November 2023 für die zweite Lesung im Grossen Rat.

Jetzt ist ein weiteres Kapitel in der Entstehungsgeschichte des neuen Aargauer Schätzungswesens hinzugekommen: Die Kommission für Volkswirtschaft und Abgaben (VWA) stellt sich gegen den Regierungsrat und befürwortet einen Eigenmietwert von 60 Prozent, wie sie in einer Mitteilung schreibt. Eine knappe Mehrheit der Kommission werte das Interesse an einem tiefen Eigenmietwert höher als die vom Regierungsrat dargestellten möglichen Risiken.

Kommission ist umgeschwenkt

Rita Brem, Grossrätin Mitte.
Bild: zvg

«Es gab eine hitzige Diskussion mit zahlreichen Argumenten auf beiden Seiten», sagt Kommissionspräsidentin Rita Brem (Mitte) auf Anfrage. Ein Argument der Gegner des höheren, vom Regierungsrat befürworteten Ansatzes sei, dass das Leben mit Teuerung und steigenden Energiekosten sowieso immer kostspieliger werde. Da wolle man die Aargauerinnen und Aargauer nicht auch noch mit einem hohen Eigenmietwert belasten.

«Das Thema ist noch lange nicht gegessen», kommt Rita Brem zum Schluss. Tatsächlich hatte sich die Kommission noch im November 2022 für einen Eigenmietwert von 62 Prozent ausgesprochen, ist jetzt aber umgeschwenkt. «Die Debatte dreht sich darum, ob wir mehr Sicherheit im Schätzungswesen wollen oder möglichst wenig bezahlen», so Brem.

Wer kein Eigenheim besitzt, sondern zur Miete wohnt, muss unter Umständen seit einigen Monaten deutlich tiefer in die Tasche greifen. Den Schlichtungsbehörden, die sich den Mietzinsanfechtungen annehmen, werden deswegen schweizweit die Türen eingerannt, wie der «Blick» am Montag berichtet. Auch im Aargau haben die Stellen derzeit viel zu tun: 2023 sind rund doppelt so viele Schlichtungsgesuche eingegangen wie in den zwei Vorjahren. Die Nachfrage nach Rechtsauskünften sei beträchtlich gestiegen, teilt die Medienstelle der Gerichte Kanton Aargau auf Anfrage mit. (eva)

Auch der Bewertungsrhythmus wurde in der Kommission debattiert, auch dieser war wiederum umstritten. Der Grosse Rat hatte dem Regierungsrat in der ersten Lesung den Auftrag erteilt, Alternativen zum vorgeschlagenen Fünfjahresrhythmus zu prüfen. Das hat er getan, ist aber zum Schluss gekommen, daran festzuhalten: So sei das zeitnahe Reagieren auf eine veränderte Marktsituation gewährleistet. Dem folgt zwar die Mehrheit der VWA-Kommission, eine Minderheit stellt aber den Antrag, dass Grundstücke nur alle zehn Jahre neu bewertet werden sollen.

Im Grossen Rat stellte die FDP den Antrag auf den Zehnjahresrhythmus. Auch die Festlegung des Eigenmietwerts auf 60 Prozent des Markwerts befürworteten die Freisinnigen, unterstützt wurden sie darin von der SVP und der GLP. Die Mitte war geschlossen für 62 Prozent, ebenso SP, Grüne und EVP.