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Täter stand bei Anwohner plötzlich in der Küche und verlangte ein Messer

Im Quartier an der Wigger hinter der Badi verarbeiten die Anwohner am Tag nach der Attacke die Geschehnisse. Das Haus, in dem sich der Täter vermutlich verschanzt hat, hat Blutspuren an der Fassade.

In einem Garten brummt ein Rasenmäher, die Vögel zwitschern – normaler Alltag in diesem Quartier in Zofingen direkt an der Wigger. Fast nichts deutet noch auf den Grosseinsatz der Polizei am Mittwoch hin. Doch im Gespräch mit den Anwohnern wird rasch klar: Die Geschehnisse beschäftigen, lassen die Menschen ratlos zurück, teils verängstigt und unsicher. Bei einigen kam die Polizei am Donnerstagmorgen vorbei und fragte nach privaten Aufnahmen von Videokameras.

«Er war in einer psychischen Ausnahmesituation»

Besonders betroffen war ein Ehepaar, das gerade mit Freunden Kaffee und Kuchen im Wintergarten zu sich nahm. Die beiden wollen anonym bleiben. Der Mann aber erzählt gegenüber dem Zofinger Tagblatt und dem Regional-TV-Sender Tele M1, was er an besagtem späten Mittwochnachmittag erlebt hat. Er wirkt gefasst, sagt aber selber, dass er erst jetzt langsam realisiere, was da alles passiert ist. Gemäss seinen Aussagen kam der Täter plötzlich um die Ecke des Wintergartens, in der Hand einen eckigen, rechtwinkligen Gegenstand. «Er verlangte ein Messer und sprach schlecht Englisch.» In der Küche schnappte sich der Täter ein Messer und hielt sich dieses an die Kehle, wie der Anwohner erzählt. «Er sagte zu mir: ‹Kill me, kill me!›» Übersetzt: «Töte mich, töte mich.» Ihm sei so bewusst geworden, dass der Mann wohl keine Gefahr für ihn darstelle, sondern nur für sich selber. «Er war in einer psychischen Ausnahmesituation, hatte ich den Eindruck», so der Anwohner. Er sei ruhig geblieben. Dann sei der Täter ins nächste Haus gegangen. In der Zwischenzeit hatte bereits jemand die Polizei alarmiert. Den seltsamen Gegenstand liess der Täter liegen, die Polizei nahm ihn zur Spurensicherung mit.

«Das Sicherheitsgefühl war auf einen Schlag weg»

Melanie Mack wohnt mit ihrem Partner Michael Burn in der Nähe von jenem Haus, in dem sich der Täter am Schluss verschanzte und schliesslich von der Polizei festgenommen werden konnte. Sie war in Aarau am Arbeiten, als der Polizeieinsatz losging und wurde von einer Kollegin informiert. «Ich hatte grosse Angst um die Kinder.» Als sie dann vor Ort war, liess die Polizei sie nicht zu ihrem Zuhause. Über eine Stunde musste sie am späteren Abend mit dem Bub ihres Partners ausserhalb des Quartiers ausharren – bis der Täter, der sich in einem Haus verschanzt hatte, gefasst war. «Das Sicherheitsgefühl war auf einen Schlag weg», sagt Melanie Mack. «Und ich fragte mich auch, wie man das Ganze jetzt den Kindern sagen soll.» Sie haben jedenfalls in der Nacht «komisch geschlafen». 

«Es war schon ein mulmiges Gefühl»

Michael Burn wohnt im Quartier und war joggen. Kaum zurück, durfte er das Haus nicht mehr verlassen.
Bild: Janine Müller

Ihr Partner Michael Burn hingegen kam um 17 Uhr von der Arbeit nach Hause, da war bereits alles polizeilich abgesperrt. «Ich kam nicht draus, was los war. Es war alles zu und von der Polizei erhielt ich keine Antworten.» Er durfte aber zu seinem Haus. Weil er mit seiner Schwester zum Joggen abgemacht hatte, fragte er die Polizei, ob dies möglich sei. Diese bejahte, sagte aber, dass er nicht Wigger abwärts gehen soll. Um 17.30 Uhr machte er sich zusammen mit seiner Schwester und seiner sechsjährigen Tochter auf die Joggingrunde. «Es war schon ein mulmiges Gefühl», sagt er. Zurück vom Joggen, verschärfte sich die Situation. Er durfte nicht mehr aus dem Haus – und seine Partnerin musste ausserhalb des Quartiers verharren. Das Ereignis beschäftigt. Michael Burn sagt: «Kaum vorstellbar, dass sowas passiert. Das Schlimmste, was hier bis jetzt passiert ist, ist, dass ein Ball in die Wigger flog.»

«Schön, dass die Polizei so gut zu den Leuten geschaut hat»

Kurt Germann lebt seit 39 hier in diesem Quartier. Er war am Lesen, als der Polizeieinsatz losging.
Bild: Janine Müller

Kurt Germann, 82, liess sich von den Ereignissen nicht aus der Ruhe bringen. Er wohnt seit 39 Jahren in seinem Haus im betroffenen Quartier. Er sei drin am Lesen gewesen, als plötzlich ein Mann durch seinen Garten lief. «Dann sah ich ein Polizeiauto vor meiner Einfahrt», sagt er. Wenig später habe die Polizei bei ihm geklingelt und gefragt, ob es ihm gut gehe. «Die Polizei sagte mir, dass ich drinbleiben und alles schliessen soll», erzählt er. Er habe die Anordnung befolgt und sich dann wieder dem Lesen gewidmet. «Ich wollte nicht rausgehen und gaffen. Ich hatte den Eindruck, dass die Polizei jemanden sucht.» Plötzlich seien dann sieben, acht schwerbewaffnete Polizisten aufgetaucht. Später am Abend habe sich die Polizei nochmals nach seinem Befinden erkundigt. «Es war schön, dass sie so gut zu den Leuten geschaut haben.» In der Nacht habe er gut geschlafen und er fühle sich trotz allem noch sicher. 

«Ich dachte mir, dass es etwas Schlimmes sein muss»

Am Mittwochabend hatte das Restaurant Pizza Palma viel weniger Kundschaft als üblich.
Bild: Janine Müller

Der Schock sitzt auch bei der Inhaberfamilie des Restaurants Pizza Palma tief. Ihre Namen wollen sie nicht lesen in der Zeitung, aber sie geben Auskunft darüber, wie sie den Nachmittag und Abend erlebt haben – und vor allem, was die Tat in ihnen ausgelöst hat. Der Sohn war der Erste im Restaurant an diesem späten Mittwochnachmittag. Dann sah er die Polizeiautos und Ambulanzen vorbeifahren. «Sonst passiert hier in Zofingen nie so viel kriminalitätsmässig», sagt er. «Ich dachte mir, dass es etwas Schlimmes sein muss.» Später stiessen seine Mutter und sein Vater dazu. Besorgt hätten sie den Einsatz beobachtet. Weil sie immer wieder viele Schüler als Kunden haben, machten sie sich grosse Sorgen, zumal bekannt wurde, dass Lehrpersonen verletzt sind. Dazu kam, dass sie ihre Bestellungen teilweise nicht ausliefern konnten aufgrund der Absperrungen. «Auch am Abend kamen viel weniger Leute vorbei, um ihr Essen abzuholen», sagt die Mutter. Sie ist noch sehr verängstigt, schliesst jetzt die Türe des Lokals immer zu. «Sonst haben wir diese immer offen, um zu lüften. Das machen wir jetzt nicht mehr», sagt sie.