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Thomas Jenelten und Gisela Zbinden im zt Talk: «Einen demenzkranken Menschen zu begleiten, ist ein Ironman»

Thomas Jenelten ist Präsident der Organisation Alzheimer Aargau, Gisela Zbinden leitet die geschützte Demenzabteilung des Sennhofs in Vordemwald. Im zt Talk sprachen die beiden über die Herausforderungen bei der Betreuung von demenzkranken Menschen – und mit welchen Fragen von Angehörigen sie häufig konfrontiert sind. 

«Im Kanton Aargau sind rund 11’000 Menschen an Demenz erkrankt, das ist etwas weniger als die Einwohnerzahl Zofingens.» Pro demenzkranke Person sind bis zu drei Angehörige stark betroffen. «Man muss also etwa von 35’000 Menschen im Kanton ausgehen, die von dieser Krankheit stark betroffen sind», sagt Thomas Jenelten, der Präsident von Alzheimer Aargau.  Er ist Seelsorger am Regionalen Pflegezentrum Baden und bei der Kantonspolizei, zudem leitet er die Gesprächsgruppe für Angehörige von Menschen mit Demenz  im Sennhof Vordemwald.  

 Er weiss: Wer zuhause eine demenzkranke Person betreut, kommt oft an seine Grenzen. «Solche Leute fragen sich, wie lange sie das noch stemmen können. Einen demenzkranken Menschen zu begleiten, ist ein Ironman – aber ohne Vorbereitung.» Angehörige von Demenzkranken, die bereits in einer Pflegeinstitution sind, fragen sich beispielsweise, wie gut sie der Institution vertrauen können – und wie häufig sie zu Besuch kommen sollen. Schliesslich gibt es in den Gesprächsgruppen jene, die bereits jemanden verloren haben, der an Demenz erkrankt war. Sie bleiben oft noch einige Monate in der Gruppe, weil diese die Erfahrungen der Trauernden teilt und sie trägt.

Gibt es aus seiner Erfahrung einen zentralen Ratschlag für Angehörige von demenzkranken Menschen? «Den gibt es nicht; ich bin ja nicht der Papst», so Jenelten. «Das Wichtigste ist die Gruppe selbst. Es ist berührend, wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich gegenseitig unterstützen. Sie haben einen Ort, wo sie sich einmal im Moment austauschen können. Sie wissen, dass die anderen ihre Fragen und ihre Situation verstehen.» Sich aufgehoben zu fühlen, sei für einige der entscheidende Punkt.

Besonders herausfordernd ist die Betreuung eines sehr nahestehenden Menschen, beispielsweise des Ehepartners.  Die Beziehung verändert sich fundamental. «Wenn der Mann erkrankt, dann ist der Ehemann noch da, aber er ist nicht mehr der Partner. Der Abschied vor dem Abschied ist ein sehr schwieriger Prozess. Darin sind beide einsam: Der Mensch mit der Demenz als auch die Person, die betreut.»

Der Sennhof hat in der Region Zofingen die grösste Abteilung für Demenzkranke. Obwohl die Fälle zunehmen, sei ein Ausbau der Plätze nicht einfach, wie Gisela Zbinden, die Leiterin der geschützten Demenzabteilung, sagt.  Denn die Pflege von Demenzkranken ist anspruchsvoll und intensiv. Wenn man ausbauen wolle, stelle sich die Frage, wo man zusätzliches Personal finde. Es brauche Leute, die mit den besonderen Bedürfnissen von Demenzkranken umgehen könnten. Sie müssten bereit sein, sich intensiv mit ihnen zu beschäftigen, weil demenzkranke Menschen sehr viel Aufmerksamkeit einfordern.

Eine der häufigsten Fragen, mit denen Gisela Zbinden konfrontiert ist, betrifft den Besuchsrhythmus und die Länge der Besuche. Konkret: «Ist es für meinen Ehepartner gut, wenn ich ihn jeden Tag aufsuche?» Eine einfache Antwort darauf gibt es laut Zbinden nicht: «Das ist individuell. Ich sage immer, dass man auch auf das Bauchgefühl achten soll.» Und sehr wichtig: «Wenn man Erholung braucht, dann soll man sich diese Erholung auch gönnen. Also daheimbleiben und zu sich selber schauen.»

Manche haben ein schlechtes Gewissen, wenn ihre kranken Angehörigen in den Sennhof eintreten. Mit dieser Tatsache sei sie immer wieder konfrontiert, sagt Gisela Zbinden. «Die Leute sagen, sie hätten es doch ihren Partnern versprochen, dass sie zu Hause bleiben dürfen. Sie bekommen ein schlechtes Gewissen.» Wie reagiert sie darauf? «Man kann das nicht einfach wegdiskutieren. Das schlechte Gewissen ist da. Man hat das Versprechen eventuell ausgesprochen. Dazu darf man stehen. Man darf auch dazu stehen, dass man für einen demenzkranken Menschen den besten Weg gewählt hat.» Ein Versprechen einzuhalten sei ab einem gewissen Punkt die viel schlechtere Entscheidung, als einen anderen Weg zu wählen.   

Öffentliche Info-Veranstaltung

Am Dienstag, 28. November, findet Festsaal des Sennhofs in Vordemwald eine öffentliche Veranstaltung zum Thema Demenz statt. «Welche Bedürfnisse haben Angehörige von Menschen mit Demenz?», so der Titel des Anlasses. Referenten sind Thomas Jenelten und Samuel Vögeli. Jenelten ist Präsident der Organisation Alzheimer Aargau und Leiter der Angehörigengruppe des Bezirks Zofingen im Sennhof. Der Pflegefachmann Samuel Vögeli ist selbstständiger Berater zu den Themen Demenz und psychische Krisen im Alter. In diesem Jahr erschien sein Buch mit dem Titel «Angehörige von Menschen mit Demenz beraten». Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr, anschliessend wird ein Apéro serviert. (zt)