
Fiasko über dem Himmel von Berlin: Starkoch Tim Raue legt glatten Fehlstart hin
Sieben Monate lang wurde umgebaut. Die Vorschusslorbeeren waren gewaltig. Die Werbeslogans ebenso: «Himmlischer Genuss.» «Geschmack auf neuen Höhen.» «Kulinarik mit Weitblick.» Zwei-Sterne-Koch Tim Raue kündigte eine ausserordentliche Qualität in seinem neuen Restaurant Sphere an, hoch oben auf der Drehplattform des Berliner Fernsehturms. Am Dienstagabend feierte man Eröffnung.
Diese endete allerdings in einem Fiasko, wie Berliner Medien – mit einem unüberlesbaren Schuss Schadenfreude – berichten. Der «Tagesspiegel» zitierte einen Gast an der Eröffnungsparty: «Reserviert war ein fester Slot ab 20.30 Uhr, für 1 Stunde und 45 Minuten. Stattdessen erlebten wir: kaputte Toiletten, schlechte Luft, überfüllte Wartebereiche – und ein völlig überfordertes Gästemanagement.» Nach einiger Zeit sei dann die Durchsage gekommen: «Es ist die Hölle los, wir schaffen das nicht. Sie warten sehr lange auf Ihr Essen – bis zu drei Stunden. Sie können gerne gehen.»
Laut «Tagesspiegel» befolgten viele der Eröffnungsgäste diesen Rat. Tim Raues Sprecher entschuldigte sich im Anschluss: «Leider ist unser neues Kassensystem zusammengebrochen, sodass keine Datenkommunikation zwischen Küche und Service möglich war – ein absoluter Super-GAU.» Alle zu kurz gekommenen Gäste würden mit einem Menü-Gutschein an einem Termin ihrer Wahl entschädigt.
Ungeachtet der Ankündigung, das Datensystem funktioniere inzwischen wieder, blieb der Fernsehturm am Mittwoch und Donnerstag ausserordentlich geschlossen. Dennoch dürfte am Erfolg des jüngsten Projekts von Starkoch Tim Raue kaum ein Zweifel bestehen.

Bild: Christophe Gateau / DPA
206 Meter über dem «Alex» verspricht der aus zahlreichen TV-Auftritten bekannte 51-jährige Westberliner eine biografisch geprägte Küche: «Ich möchte Berlin und Brandenburg nicht nur geschmacklich auf den Teller bringen, sondern auch meine Geschichte erzählen – von meiner Grossmutter Gerda und den Aromen meiner Kindheit.»
Entsprechend reicht die Auswahl vom «Berliner Schnitzel» mit einer dünnen Schicht Kräuterbutter auf der Panade – «mein ganzer Stolz» – bis hin zu «Oma Gerdas Eisbein vom Spanferkel» und der russischen Soljanka-Suppe mit einem Schuss Olivenöl. Wie das genau zu Raues Werdegang passt, erfragt man am besten beim Koch selbst. In Interviews erwähnt er gerne, wie er in Berlin-Kreuzberg in wilder Umgebung aufwuchs und bis zu seiner Kochlehre Mitglied einer berüchtigten Jugendbande war.
Eine Vorausbuchung im «Sphere» ist unerlässlich und selbst bei funktionierender Datenelektronik mit Tücken und Kosten verbunden. Schon die Reservation eines Zeitfensters samt Zutritt und Fahrstuhlfahrt zum Restaurant kostet 28.50 Euro – ohne Speisen und Getränke. Das Frühstück, inklusive Eintritt, gibt es für 59 Euro, das Viergangmenü «Meine Heimat» für schlappe 154 Euro, also rund 145 Franken.