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«Es war beeindruckend»: Luzerner Nationalrat war an der Pride-Parade in Budapest dabei

Der Luzerner Nationalrat Michael Töngi, Co-Koordinator des Netzwerks Green LGBTIQ+, reiste mit dem Zug nach Budapest, um am Samstag an der Pride-Parade teilzunehmen. Das sind seine Eindrücke und Gedanken.

Die Elisabethenbrücke verbindet in Budapest die beiden Stadtteile und wölbt sich leicht und schwungvoll über die Donau. Wer sich am Samstag an der Pride in der Mitte dieser Brücke etwas reckt und nach vorn und nach hinten schaut, sieht ein riesiges Meer von Köpfen und Fahnen, das nicht endet: An dieser Pride nehmen viel, viel mehr Menschen teil als je zuvor.

Pardon, es ist eigentlich ein Stadtfest. Der Budapester Bürgermeister Gergely Karácsony hat nach dem Verbot der Pride den Anlass als ein solches bezeichnet, da es dafür keine Bewilligung brauche und es auch nicht verboten werden könne. Als kreativer und mutiger Mensch hat der grüne Politiker der Regierung die Stirn geboten und sich diesem Verbot, das komplett den Grundrechten widerspricht, entgegengestellt.

Es ist farbig und friedlich

Und die Ruhe selbst, spricht er eine Stunde vor der Pride an einer Veranstaltung der europäischen Grünen und setzt sich dann an die Spitze des Umzugs. Als Zeichen des Stadtfestes gibt es am Umzug Tausende von Wimpeln mit dem Budapester Wappen in den Regenbogenfarben. Sie passen so gut zum Umzug. Er ist genauso farbig und friedlich. Nach der Vorgeschichte alles andere als selbstverständlich.

200’000 Menschen laufen mit, Menschen aus der queeren Community, Ältere, Jüngere, Familien. Einige haben einen Sticker an, der sie als «Ally» auszeichnet – heterosexuelle Menschen, die zur Unterstützung mit dabei sind.

Kinder vor der Vielfalt des Lebens «schützen»

Dieser Aufmarsch der Zivilgesellschaft ist nötig, denn das ungarische Parlament hat im März mit einem Gesetz jegliche Veranstaltungen verboten, die Darstellungen von Lebensformen ausserhalb der heterosexuellen Norm zeigen. Das Verbot läuft unter dem Vorwand des Kinderschutzes. Als ob Kinder vor der Vielfalt des Lebens geschützt werden müssten.

Ausgelassene und friedliche Stimmung auf den Strassen Budapests.
Bild: Rudolf Karancsi / AP (28. 6. 2025)

Bereits 2021 verbot das Parlament, an Schulen Aufklärungskampagnen durchzuführen oder Homosexualität in Werbung oder Kinderbüchern darzustellen. Schülerinnen und Schüler sollten nicht mehr sehen, dass die Welt bunter ist, als es sich Viktor Orbán und seine Fidesz-Partei vorstellen wollen. Zusätzlich wurde Pride-Teilnehmenden mit hohen Bussen gedroht. Und die Polizei hat in Ungarn die Möglichkeit, alle zu fotografieren und mit künstlicher Intelligenz zu identifizieren. Eine unglaubliche Art der Massenüberwachung, die auch klar europäischen Vorgaben widerspricht.

Froh um internationale Solidarität

Michael Töngi an der Pride in Budapest.
Bild: zvg

Dieses Gesetz bedeutet eine massive Einschränkung der queeren Community, aber auch einen Angriff auf Grundrechte wie das Demonstrationsrecht und das Recht auf freie Meinungsäusserung. Als ich einen Aufruf der europäischen Grünen zur Teilnahme erhielt, war es keine Frage, diesen Anlass zu unterstützen. Vor mehr als vierzig Jahren habe ich die erste Demo von Schwulen und Lesben in Luzern erlebt und weiss: Es ist so wichtig, dass wir in der Öffentlichkeit sichtbar sind. Eine junge Frau im Demonstrationsumzug sagt, sie sei froh um die internationale Solidarität und darum, dass die queeren Menschen in Ungarn nicht allein gelassen würden. Und sie verweist ebenfalls auf die erschreckende Einschränkung der Grundrechte.

Die Europa-Fahne war häufig zu sehen.
Bild: zvg / Michael Töngi

An der Pride wehen neben Regenbogenfahnen auch auffallend viele europäische Flaggen. Es ist eine klare Aussage, wie wichtig ihnen die Einbindung in die europäische Gemeinschaft ist. Auf der Hinreise sahen wir der Bahnlinie entlang Plakate, mit denen die Regierung das Land vollpflastert und in bedrohlichen Farben vor Persönlichkeiten der EU warnt. Das übliche Doppelspiel von Präsident Orbán, der in Brüssel Geld abholt und gleichzeitig Ressentiments gegen die EU schürt.

Minimale Gegendemo und Klatsche für Orbán

Die grosse Teilnehmerzahl ist sicher auch ein Grund dafür, dass die angekündigten rechtsextremen Gegendemonstrationen auf einige Dutzend Personen schrumpfen und die Polizei gar nicht erst beginnt, Bussen zu verteilen. Die Stimmung ist gelöst, die Befürchtungen von Konfrontationen sind rasch verschwunden.

Die Anti-Pride-Proteste schrumpften auf wenige Personen.
Bild: Rudolf Karancsi / AP (28. 6. 2026)

Für Orbán ist die Pride eine Klatsche. So viele Menschen wenden sich gegen sein Verbot und lassen sich nicht einschüchtern. Das Signal geht aber weit über Ungarn hinaus, denn Einschränkungen für die queere Community sind ein beliebtes Sujet für rechtspopulistische Parteien. Orbán geht voran: Mit einer forschen und diffamierenden Politik gegen homosexuelle Menschen und Transpersonen versucht er, ein konservatives Publikum anzusprechen. Für diese Menschen hat dies gravierende Folgen: Die Übergriffe nehmen zu, ihr rechtlicher Status wird verschlechtert.

Wer glaubt, dass Ungarn schon immer in der Gleichstellung hinterhergehinkt hätte, täuscht sich. Das Land führte 2003, lange vor der Schweiz, einen Antidiskriminierungsschutz der sexuellen Orientierung ein, und bereits 1996 gab es eine rechtliche Absicherung für gleichgeschlechtliche Paare.

Pure Freude an der Pride in Budapest.
Bild: Rudolf Karancsi / AP (28. 6. 2025)

PS: Fast abenteuerlicher als die Pride ist die Rückreise. Der Zug Budapest–Wien hat massive Verspätung, uns reicht es gerade noch für den Anschluss, vielen anderen nicht. Vielleicht würde sich Viktor Orbán besser um die Bahninfrastruktur als um die Hetze gegen Minderheiten kümmern.