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Hunderte Tote und zahlreiche Entführte: Netanjahu schwört Rache – das Geschehen vom Sonntag im Überblick

Der beispiellose Hamas-Angriff trifft Israel ins Mark: Hunderte Tote sind zu beklagen, mehr als 100 Menschen wurden verschleppt. Die Regierung versetzt das Land in den Kriegszustand. Das ist der aktuelle Stand.

Israel erklärt den Kriegszustand

Als Antwort auf den blutigen Überfall der Hamas mit Hunderten Toten hat Israel den Kriegszustand erklärt. «Der Krieg, der Israel durch eine mörderische Terrorattacke aus dem Gazastreifen aufgezwungen wurde, hat am 7. Oktober 2023 um 06.00 Uhr begonnen», teilte Regierungschef Benjamin Netanjahu am Sonntag mit. Der Kriegszustand erlaube «weitreichende militärische Schritte».

Die islamistische Hamas hatte am Vortag von Gaza aus den Grossangriff begonnen. Nach übereinstimmenden israelischen Medienberichten vom Sonntagabend starben dabei auf israelischer Seite mindestens 700 Menschen.

Der Angriff traf Israel am jüdischen Feiertag Simchat Tora (Freude der Tora) vollkommen überraschend. Die von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestufte Palästinenserorganisation feuerte mehr als 3000 Raketen ab. Bewaffnete drangen über Land, See und Luft nach Israel vor.

Viele Orte wieder unter israelischer Kontrolle

Unklar war, warum Israel so überrascht wurde. Zahlreiche Einwohner der attackierten Ortschaften berichteten, sie hätten stundenlang vergeblich auf Hilfe von Sicherheitskräften gewartet. Am Sonntag gelang es der israelischen Armee nach Medienberichten, viele Orte wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Dabei wurden immer wieder weitere Leichen getöteter Bewohner gefunden.

Nach Angaben des israelischen Militärs vom Sonntagabend waren noch immer palästinensische Angreifer im Land. Ein Teil der Eindringlinge sei getötet worden, ein Teil sei jedoch noch vor Ort, sagte ein Sprecher.

Über 100 Menschen von der Hamas verschleppt

Bei ihrem Grossangriff tötete die Hamas nicht nur Hunderte Israelis, sondern verschleppte nach offiziellen israelischen Angaben auch mehr als 100 Menschen in den Gazastreifen. In Medienberichten war sogar von bis zu 170 Entführten die Rede. Es wird damit gerechnet, dass sich darunter auch Angehörige mehrerer ausländischer Staaten befinden. Das Auswärtige Amt in Berlin geht davon aus, dass die vermissten Deutschen zumeist neben der deutschen auch die israelische Staatsangehörigkeit haben.

Hunderte Tote bei Gegenangriff im Gazastreifen

Nach einem israelischen Luftangriff in Gaza-Stadt steigen Feuer und Rauch auf.
Fatima Shbair / AP

Israel führte als Reaktion auf den Angriff auch am Sonntag weiter Angriffe auf Ziele der Hamas im Gazastreifen durch. Durch die Luftangriffe seien im Gazastreifen insgesamt 370 Menschen getötet und 2200 verletzt worden, teilte das dortige Gesundheitsministerium am Sonntagnachmittag mit. Die Hamas nutzt nach Angaben des israelischen Militärs häufig zivile Gebäude für ihre Stellungen. Israel tötete bei seinen Angriffen im Gazastreifen ein ranghohes Hamas-Mitglied. Der Zivilschutz im Gazastreifen bestätigte, die Leiche von Aiman Junis sei am Sonntag aus den Trümmern eines Gebäudes im Flüchtlingslager Nuseirat geborgen worden.

Hamas: Der Iran unterstützt uns bei dem Angriff

Der Sprecher der Hamas, Ghazi Hamad, sagte dem Sender BBC, die Gruppe habe direkte Unterstützung vom Iran erhalten. Der Iran habe sich verpflichtet, «den palästinensischen Kämpfern bis zur Befreiung Palästinas und Jerusalems beizustehen».

Die eng mit dem Iran verbündete Schiitenorganisation Hisbollah bekundete Solidarität mit der Hamas. Die Hisbollah übernahm am Sonntag auch die Verantwortung für Raketenbeschuss aus dem Südosten Libanons auf von Israel besetzte Gebiete. Israelische Artillerie erwiderte nach Angaben eines Sprechers das Feuer.

Netanjahu: Nehmen Rache

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu.
Dan Balilty / Pool / EPA

«Wir werden alle Orte, an denen die Hamas organisiert ist und sich versteckt, in Trümmerinseln verwandeln», sagte Netanjahu in einer Ansprache. Bewohner des Gazastreifens forderte er auf: «Flieht jetzt von dort, denn wir werden überall und mit all unserer Kraft handeln». Israel werde Rache nehmen. Israel rief die Verteidigungsaktion «Iron Swords» (Eiserne Schwerter) aus und berief Reservisten ein. Ziel sei, die militärischen und politischen Kapazitäten der Hamas und des Islamischen Dschihad so zu zerstören, «dass sie für viele Jahre nicht mehr in der Lage und bereit sind, die Bürger Israels zu bedrohen und anzugreifen», hiess es nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts.

Der Überraschungsangriff der Hamas startete fast genau 50 Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973. Der damalige Angriff feindlicher arabischer Staaten auf Israel am höchsten jüdischen Feiertag gilt als bislang schwerstes nationales Trauma.

Parteiübergreifende Gespräche in Israel

Netanjahu habe den beiden Oppositionsführern Jair Lapid und Benny Gantz den Eintritt in eine Notstandsregierung angeboten, teilte ein Sprecher von Netanjahus Likud-Partei mit. Lapid hatte schon Bereitschaft dazu signalisiert.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, wies auf die Bedrohung jüdischen Lebens auch anderswo hin: «Die Gefährdung für jüdische Einrichtungen auch hier in Deutschland zeigt, dass es den Terroristen nicht allein um Israel geht, sondern dass jüdisches Leben überall von ihnen infrage gestellt wird.» Im ägyptischen Alexandria starben am Sonntag zwei israelischen Touristen bei einem mutmasslichen Anschlag als ein Angreifer das Feuer auf eine Reisegruppe eröffnete.

Spiel der Schweizer Nati findet definitiv nicht statt

Die massiven kämpferischen Auseinandersetzungen nach dem Grossangriff der Hamas auf Israel haben auch Einfluss auf die EM-Qualifikation der Schweizer Fussball-­Nati. Die Austragung für die am kommenden Donnerstag angesetzte Partie zwischen Israel und der Schweiz in Tel Aviv wird am Sonntagabend von der Uefa abgesagt.

Eigentlich hätte die Equipe von Murat Yakin am Dienstagnachmittag planmässig um 15.30 Uhr den Flieger am Flughafen Zürich in Richtung Israel bestiegen. Zuvor äusserte sich der Schweizerische Fussballverband wie folgt: «Mit grossem Bedauern haben wir von der Situation in Israel Kenntnis genommen. Der SFV steht im Austausch mit der Uefa, mit dem Fedpol und der Schweizerischen Botschaft in ­Israel». (pin/dpa/gav)