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Schluss mit Express-Visa: Wie die EU russische Touristen vergraulen will

Ein komplettes Einreiseverbot wird es nicht geben. Aber es soll für russische Touristen umständlicher werden, an ein Visum zu gelangen. Die Schweiz wird die Massnahme übernehmen müssen.

In der EU geht die Sommerpause zu Ende und schon beraten die Aussenminister der 27 Mitgliedsstaaten am Dienstag bei ihrem Treffen in Prag ein Thema mit Sprengkraft: Soll russischen Touristen und Touristinnen die Einreise in die EU verweigert werden?

Das fordert nicht nur der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski. Sondern auch die Regierungschefs der baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie Polen, Finnland und Tschechien. Sie haben die Visumsvergabe bereits reduziert oder gleich ganz ausgesetzt. «Europa zu besuchen ist ein Privileg und kein Menschenrecht», sagte kürzlich die estnische Premierministerin Kaja Kallas.

Scholz: «Es ist Putins Krieg. Es sind nicht die Russen»

Skeptisch sieht eine solche Massnahme gegen die russische Bevölkerung nicht nur der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell. Auch Länder wie Griechenland oder Zypern, die wesentlich von Touristen aus Russland abhängen, wehren sich dagegen. Aber auch in Österreich oder Deutschland hält man wenig von einem generellen Einreiseverbot. «Es ist Putins Krieg. Es sind nicht die Russen», sagte Bundeskanzler Olaf Scholz vergangene Woche und warnt davor, die Beziehungen mit der russischen Gesellschaft abzubrechen. Seine Aussenministerin Annalena Baerbock lehnt einen generellen Visa-Bann ebenfalls ab und warnt vor «Sippenhaft» für die 140 Millionen Russinnen und Russen.

Mit Blick auf eine einheitliche Haltung in der EU signalisiert Baerbock aber Kompromissbereitschaft, damit «wir gemeinsam in Europa eine Lösung finden, die die berechtigten Sorgen und Anliegen von allen zueinander bringt», wie die Grüne Politikerin am Freitag an der Seite ihres dänischen Amtskollegen gesagt hat.

Ferien in Zermatt schwergemacht: Schweiz müsste Visa-Erleichterungen ebenfalls zurücknehmen

Nun zeichnet sich ab, wie dieser Kompromiss aussehen dürfte. Demnach könnten die EU-Staaten das 2007 mit Russland abgeschlossene Abkommen über Visa-Erleichterungen aussetzen. Für russische Staatsbürger würde die Beantragung eines im Schengen-Raum gültigen Touristen-Visums dann nicht nur mit höheren Kosten verbunden. Sie müssten auch mit wesentlich mehr Papierkram und längeren Wartefristen rechnen. Die «Financial Times» zitiert verschiedene hohe EU-Diplomaten, wonach die Massnahme am zweitägigen Treffen in Prag politisch auf den Weg gebracht werden soll.

Das hätte auch Konsequenzen für das Schengen-Land Schweiz: Die Schweiz verfügt seit 2011 über ein eigenes Abkommen für Visa-Erleichterungen mit Russland. Dieses ist jedoch weitgehend deckungsgleich mit jenem der EU. Beendet die EU ihre Visa-Erleichterungen für russische Touristen müsste die Schweiz nachziehen und ihr eigenes Abkommen aussetzen, heisst es dazu klar aus Kreisen der EU-Kommission. Bereits am 28. Februar hatte der Bundesrat für russische Regierungsbeamte und Geschäftsleute die Visa-Erleichterungen gestrichen, nachdem die EU dasselbe drei Tage zuvor beschlossen hatte. Die Anwendung gemeinsamer Visabestimmungen gehört im Schengen-Raum dazu.

Schweiz erteilte seit Jahresbeginn über 7000 Visa an Russinnen und Russen

Russische Touristen machen den grössten Anteil von Kurzaufenthalts-Visa in der EU aus. 536’000 waren es im vergangenen Jahr, wobei ein Visum 90 Tage gültig ist und auch für mehrere Einreisen genutzt werden kann. Laut der EU-Grenzagentur Frontex hat es seit Beginn des Krieges in die EU fast eine Million Einreisen von Personen mit russischem Pass in die EU gegeben. Weil Direktflüge mit zwischen Russland und der EU verboten sind, kamen viele russische Staatsbürger über die Landgrenzen zum Baltikum und Finnland in die EU. Laut Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM) vergab die Schweiz seit Jahresbeginn bis Ende Juni 7242 Visa an russische Staatsbürger und -bürgerinnen.