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Wegen Stichentscheid der Grossratspräsidentin – wird der «Gemeindeammann» abgeschafft?

Künftig soll im Aargau nicht mehr von Gemeindeammännern sondern von Gemeindepräsidentinnen bzw. -präsidenten gesprochen werden. Bis dahin ist es aber noch ein langer und unsicherer Weg, wie die Abstimmung im Grossen Rat zeigte.

Die Aargauer Gemeindeoberhäupter sind grundsätzlich Herr oder Frau Gemeindeammann. Gemeinden die das wollen, können die Funktion auch in Gemeindepräsident bzw. -präsidentin umbenennen. Standard ist aber der Gemeindeammann. Schon bei der letzten Gemeindereform im Jahr 2010 hätte dies geändert werden sollen. Doch auf der Ziellinie wechselte der Rat mit knappem Mehr zurück zum Gemeindeammann. Dies, obwohl damals schon (nebst der Gleichstellungsfrage) beklagt wurde, in Zürich würden Aargauer Gemeindeoberhäupter so mit dem Betreibungsbeamten verwechselt.

Gestern unternahmen Grossrätinnen von SP, Grünen, Die Mitte, EVP, GLP und FDP einen Neuanlauf. Mittels Motion forderten sie die Einführung des Begriffs Gemeindepräsidium in der Kantonsverfassung. Heute ist darin die Rede vom Gemeindeammann. Für die Motionärinnen ist dieser Wechsel im Zuge der Geschlechtergleichstellung eine Selbstverständlichkeit. Man wähle eine Funktion und kein Geschlecht, hiess es da. Die unmöglichen Bezeichnungen Frau Vize-Ammann und Frau Ammann gehörten auch im Aargau ins Geschichtsbuch.

SVP: Ist als nächstes dann der Landammann dran?

Das sieht die SVP ganz anders. Ihr Sprecher Bruno Rudolf beschwor den Rat, Präsident oder Präsidentin der Schützengesellschaft, des Fussballclubs etc. könne jeder und jede sein. Ein Herr oder eine Frau Gemeindeammann sei aber etwas besonders Ehrenhaftes. Er fragte, ob als nächstes dann auch der Landammann und der Landstatthalter abgeschafft wird? Jeder Gemeinde sei es ja freigestellt, den passenden Begriff zu verwenden.

Vehemente Unterstützung gab es etwa von FDP-Grossrätin Jeanine Glarner. Sie ist Frau Gemeindeammann von Möriken-Wildegg. Das sei sie gern, sie habe überhaupt kein Problem mit dieser geschichtsträchtigen Funktionsbezeichnung. Sie fragte rhetorisch: «Was sind die wahren Probleme der Frauen im 21. Jahrhundert? Was genau ist eigentlich das Problem?»

Fischer Bargetzi: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit

Ganz anders tönte es etwa bei Edith Saner (Die Mitte), früher 16 Jahre lang Frau Gemeindeammann. Die meisten hätten sie «Frau Gemeindeammann» genannt, dann kam aber der «Gmeindamme»», die «Frau Gmeindspräsidentin», die Gemeinde-Amtsfrau» und weitere Bezeichnungen dazu. Saner: «Damit der Aargau nicht noch mit zusätzlichen Funktionsbezeichnungen geschmückt wird, bin ich für eine Abschaffung dieses alten Zopfs.»

Andreas Fischer Bargetzi (Grüne) zitierte ein Sprichwort: «Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.» Der Ammann werde heute nicht mehr vom Landvogt ernannt, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt: «Ich bin Archäologe, ich hänge sehr an altem Zeugs. Doch auch ich bin es leid, in anderen Kantonen erklären zu müssen, was denn ein Herr oder eine Frau Gemeindeammann ist.»

Man könnte nicht sagen, dass Volkswirtschaftsdirektor Dieter Egli als Schirmherr der Gemeinden Wasser in die Aare trug, als er sich für die neue Bezeichnung einsetzte. Er sagte auch, der Begriff Gemeindeammann sei etwas ganz Spezielles, das gelte auch für die Gemeindepräsidentin. Es spreche aber nichts dagegen, den historischen Begriff zu ersetzen: «Das heisst nicht, dass die historische Gegebenheit nicht respektiert wird.»

Gesamtreform dürfte sich bis 2026 hinziehen

Die Regierung plant ohnehin eine Totalrevision des Gemeindegesetzes. Das dauert aber noch ein bisschen. Egli zeigte sich bereit, das Anliegen darin aufzunehmen. Zielhorizont der Regierung für das Inkrafttreten der Revision ist das Jahr 2026. Es fehlte aber nur wenig, und Egli hätte den Gemeindeammann drin lassen können. Im Rat ergab sich nämlich ein seltenes Stimmenpatt von 64 : 64, worauf Ratspräsidentin Elisabeth Burgener (SP) sichtlich erfreut in einem «historischen Moment» den Stichentscheid zugunsten der Motion gab.

Damit steht fest: Der Rat wird im Zuge der Gesetzgebung noch öfter über das Thema streiten. Sollte es eine Verfassungsänderung geben, hat dereinst ohnehin das Volk das letzte Wort.