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Aargauer Polizisten sollen verletzte Wildtiere nicht töten müssen – warum der Regierungsrat daran festhält
Bleibt ein Reh, ein Fuchs oder ein Dachs nach einer Kollision mit einem Auto an der Strasse liegen, rückt im Aargau der Jagdaufseher aus. Er hat die Aufgabe, solche Tiere von ihrem Leid zu erlösen. Dieses Vorgehen habe sich im Milizsystem bewährt,konstatierte Daniel Mosimann (SP) in einer Interpellation, die er zusammen mit Matthias Betsche (GLP), Thomas Baumann (Grüne) sowie Colette Basler (SP) beim Regierungsrat einreichte.
Nichtsdestotrotz sah das Quartett aus dem Grossen Rat Verbesserungspotenzial. Aus folgendem Grund: Polizistinnen und Polizisten seien oft zuerst an der Unfallstelle. Oft würden deshalb auch sie als Erste verletzte Wildtiere finden, beispielsweise bei einer Fahrerflucht. Doch selbst «in einfachen Fällen» dürften sie die Tiere nicht selbst vom Leid erlösen. «Diese Regelung verursacht vermeidbares Tierleid», schrieb Mosimann im Vorstoss und verwies auf den Kanton Bern, wo Polizistinnen Nottötungen vornehmen.
Regierungsrat: Polizei meist nicht involviert
Kann sich der Regierungsrat vorstellen, dies auch im Aargau zu ermöglichen? Das war die zentrale Frage in Mosimanns Vorstoss. Nun liegt die Antwort vor. Nein, antwortet der Regierungsrat und gibt mehrere Gründe an. Die Polizei sei bei Wildunfällen meistens nicht vor Ort, widerspricht der Regierungsrat den Interpellanten. Er verweist auf eine nicht repräsentative Umfrage bei Jagdaufsehern. Seit 2016 sei es möglich, die Jagdaufsicht per Smartphone-App – ihr Name lautet «AG Jagdaufsicht» – zu kontaktieren. «Die Polizei ist damit nicht in alle Fälle einer Kollision von Wildtieren mit Fahrzeugen involviert.»
Zudem bedinge «eine fachlich und rechtlich korrekte Tötung eines Wildtiers» die entsprechende Ausbildung, Übung und Munition. Die Ausbildung für die Nottötung von Wildtieren stelle einen personellen Zusatzaufwand dar. Zudem sei das Wechseln von Munition mit Manipulationen an der Waffe verbunden. Und das wiederum stelle ein zusätzliches Risiko dar. In Ausnahmefällen, bei Gefahr, etwa durch einen entlaufenen Stier, führe die Polizei Nottötungen von Tieren durch. Der Regierungsrat befürchtet, dass die Polizei bei einer Praxisänderung bei der Nottötung von Wildtieren immer mehr Aufgaben übernehmen müsse. Dafür seien aber die personellen Ressourcen nicht vorhanden.
Jagdaufseher innert zwanzig Minuten am Unfallort
Es wäre ein beträchtlicher personeller Aufwand nötig, damit Polizisten verletzte Wildtiere töten könnten, schreibt der Regierungsrat. Und ergänzt: «Gerade in den kritischen Stunden – also in der Nacht sowie am frühen Morgen und am Abend – ist die Polizei bereits stark gefordert, um genügend freie Patrouillen für die Erfüllung der polizeilichen Kernaufträge zur Verfügung zu stellen.» Die heutige Lösung habe sich «seit vielen Jahren bewährt», hält der Regierungsrat fest. Dazu gehört, dass Jagdaufseher per Gesetz innert nützlicher First am Unfallort eintreffen können. Nach gängiger Praxis seien das maximal zwanzig Minuten.
Im Jahr 2023 sind im Kanton Aargau 391 Wildtiere notfallmässig erlöst worden. Die Nottötungen betrafen allerdings nicht nur Verkehrsunfälle. Und die Zahl der Wildtiere, die durch solche sterben, ist höher. Viele sterben, bevor die Jagdaufseherin am Unfallort eintrifft. Die kantonale Jagdstatistik weist die Zahlen aus – am häufigsten betroffen waren Rehe (750), Füchse (782) und Dachse (325).