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Verstehen Sie Bahnhof?

Woher wohl die Redewendung «ich verstehe nur Bahnhof» kommt? Diese Frage stellte sich mir letzten Sonntag, als ich im Bistro am Bahnhof unter der Sonnenstore sass und über den neugestalteten Bahnhofplatz auf das Mini-KKL-Dach über dem Treppenaufgang blickte. Oder blicken musste, sollte ich sagen, denn zu sehen gibt’s ja wenig auf diesem Platz.

Nach dem ersten Espresso beschloss ich, das leicht geschwungene Betondach schön zu finden. Dass es wohl etwas gar hoch und gar offen über dem Treppenaufgang thront und es deshalb bei Westwind und Regen ins Treppenhaus reinschifft, das ist doch schnurz! Im alten Treppenaufgang (der nebenbei gesagt ebenfalls gegen Westen hin offen war) regnete es ja auch rein, also was will man jetzt heikel tun, die Pfützen bis ins zweite UG müssen ein Teil des Neugestaltungs-Konzepts sein, so viel steht fest. Beim grossen, ausladenden Dach wurde nämlich bewusst auf eine Abschirmung des Treppenhauses gegen Regen verzichtet. Sagte Jonas Stöckli, Projektleiter der Stadt, in dieser Zeitung. Offener und übersichtlicher gestaltet sei der Platz dank des hohen Dachs.

Das stimmt wirklich! Man hat konsequenterweise auf alles verzichtet, was die Übersichtlichkeit stören könnte. Die Handvoll hölzernen Rundbänkli (sehr schön!) hat man ans Geländer über der pompösen Einfahrt in die Velostation gepfercht. Die eigentlich wunderschöne, restaurierte Wetterstation ebenfalls. Und das einzige Bäumchen auch. Und den Brunnen. An Sommernachmittagen wird es auf dem Bahnhofplatz dank dem Verzicht auf alles, was Schatten spenden würde, satanisch heiss, was – Sie werden es bereits erahnen – natürlich gewollt ist und entscheidend zur Übersichtlichkeit des Platzes beiträgt: Menschen sieht man nämlich  – Neugestaltung sei Dank – kaum auf diesem Bahnhofplatz, und wenn, dann suchen sie sofort das Weite, bevor sie einen Hitzeschlag erleiden.

Die eingangs erwähnte Redewendung fällt mir wieder ein. Ich google und lese: Ende des ersten Weltkriegs sollen die Deutschen Soldaten dermassen erschöpft gewesen sein, dass sie nur noch eines wollten: nach Hause! Bahnhof war quasi eine Metapher für Heimkehr. Deshalb, vermutet man in der Duden-Redaktion, verstanden sie, wenn man mit ihnen sprach, gar nichts mehr, ausser eben Bahnhof! Bei mir verhält es sich genau umgekehrt: Ich verstehe eigentlich alles, nur nicht Bahnhof.