Sie sind hier: Home > Bundesrat > Kein Ständemehr bei der EU-Abstimmung: Bundesrat trifft umstrittenen Grundsatzentscheid

Kein Ständemehr bei der EU-Abstimmung: Bundesrat trifft umstrittenen Grundsatzentscheid

Der Bundesrat will kein Risiko eingehen: Das einfache Mehr soll für die EU-Verträge reichen. Der Entscheid ist umstritten.

Noch ist das Vertragspaket mit der EU nicht in trockenen Tüchern. Doch schon jetzt beschäftigt eine Frage besonders: Ist in einer Abstimmung über die neuen EU-Abkommen nur das Volksmehr nötig – oder auch das Ständemehr?

Der Bundesrat hat sich am Mittwoch entschieden: Das Volksmehr soll reichen. Er will das Paket dem fakultativen Referendum unterstellen und nicht dem obligatorischen. Es reicht also, wenn eine Mehrheit der Stimmbevölkerung Ja sagt. Zusätzlich sollen die Verträge nicht auch noch eine Mehrheit der Kantone benötigen, findet die Regierung.

Initiative macht Druck

Der Entscheid ist umstritten. Das Bundesamt für Justiz ist in einem Gutachten zum Schluss gekommen, dass ein obligatorisches Referendum nicht nötig ist. Doch ist es eben nicht nur eine juristische, sondern auch eine politische Frage. Es gibt Stimmen, die finden, dass bei einem solch gewichtigen Vertragspaket ein doppeltes Mehr Voraussetzung sein sollte, ja müsste.

Tatsächlich gibt es die ungeschriebene Regelung, dass bei besonders wichtigen Staatsverträgen freiwillig das obligatorische Referendum zum Zug kommen kann. Gleichzeitig, das sind sich die Befürworter des EU-Deals bewusst, wäre das Ständemehr eine zusätzliche Hürde, die ein Ja zum Vertragspaket gefährden könnte.

Die von einflussreichen Wirtschaftsführern gegründete Allianz Kompass Europa hat eine Volksinitiative lanciert, die das doppelte Mehr fordert. Man habe bereits 80’000 Unterschriften zusammen, teilten die Initianten gestern mit. Doch der Bundesrat lässt sich davon offensichtlich nicht beeindrucken.

Bundesrat will Paket in vier Teile splitten

Der Bundesrat begründet seinen Entscheid damit, dass das fakultative Referendum «verfassungsrechtlich die am besten abgestützte und politisch tragfähigste Lösung ist». Zu diesem Schluss sei man nach Analyse der Verhandlungsergebnisse, der Prüfung früherer Entscheide in vergleichbaren Fällen, unter Einbezug der Rechtslehre und Gespräche mit Kantonen und den aussenpolitischen Kommissionen von National- und Ständerat gelangt.

Der Plan des Bundesrats ist es, das Vertragspaket in vier Teile zu splitten, gegen die einzeln das Referendum ergriffen werden kann: einen Bundesbeschluss für die Stabilisierung der bilateralen Beziehungen und drei für die Weiterentwicklung in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Strom und Gesundheit. Dies hatte der Bundesrat schon Ende 2024 beschlossen.

Das letzte Wort hat das Parlament

Die Regierung ist der Meinung, dass man dem fakultativen Referendum «den grösstmöglichen Handlungsspielraum für Parlament und Kantone» sichere. Ob das auch National- und Ständerat so sehen? Das Parlament wird final über die Frage nach einfachen oder doppeltem Mehr entscheiden.

Als Nächstes steht nun die sogenannte Paraphierung der verschiedenen Abkommen, die die Schweiz mit der EU ausgehandelt hat, an. Das soll im Mai erfolgen. Noch vor den Sommerferien will der Bundesrat das Paket dann bei Kantonen, Parteien und Interessengruppen in die Vernehmlassung schicken. Erst dann werden die Vertragstexte öffentlich.