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Heiratsstrafe, Clubs und Ausschaffungen: Die Zahlen-Pannen des Bundes 

Der Fehler am Wahlsonntag ist die wohl grösste Panne in der Geschichte der obersten Statistikbehörde – aber nicht das erste Zahlenchaos beim Bund, wie ein Blick zurück zeigt.

Ausschaffungen: Das doppelte Debakel

Gleich zwei Mal verwickelte sich der Bund in ein Zahlen-Wirrwarr bei einem politisch heiss diskutierten Thema: der Ausschaffung krimineller Ausländer. 2010 nahm das Stimmvolk die SVP-Ausschaffungsinitiative an. Das Parlament setzte diese mit einem Gesetz um, das der ehemalige FDP-Präsident Philipp Müller als «pfefferscharf» bewarb. Die SVP aber erachtet die Umsetzung als zu lasch. Seit Jahren stellt sich daher die Frage: Wie viele kassieren tatsächlich einen Landesverweis, wie viele fallen unter die Härtefallklausel?

2018 publizierte das Bundesamt für Statistik (BFS) Zahlen dazu – musste sie aber wieder zurückziehen. Denn fälschlicherweise wurden auch Delikte miteinbezogen, in denen eine obligatorische Landesverweisung gar nicht vorgesehen ist. Zwei Jahre später veröffentlichte der Bund erneut Zahlen – und musste wieder Fehler einräumen. Das Bundesamt für Justiz, das Bundesamt für Statistik und die Kantone schoben sich die Schuld zu.

Nationale Zahlen gibt es bis heute nicht. Der Bundesrat schrieb im September 2023 auf eine Frage von SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi: Es gebe «auf Bundesebene derzeit noch keine statistischen Auswertungen zu den vollzogenen Landesverweisungen».

Deutlich mehr Betroffene: Der Bund hatte die verheirateten Doppelverdiener-Ehepaare mit Kindern vergessen.
Bild: Gaetan Bally/Keystone

Wegen falscher Zahlen: Abstimmung über Heiratsstrafe annulliert

Zum ersten Mal seit der Gründung des Bundesstaates im Jahr 1848 annullierte das Bundesgericht 2019 eine Abstimmung – und zwar jene über die Heiratsstrafe-Initiative. Grund waren falsche Zahlen: Im Abstimmungsbüchlein hatte der Bund geschrieben, 80’000 Doppelverdiener-Paare sowie rund 250’000 Rentner-Ehepaare seien von der sogenannten Heiratsstrafe betroffen.

Zwei Jahre nach der Abstimmung, im Juni 2018, korrigierte der Bund die Zahlen: Nicht 80’000 Zweiverdiener-Ehepaare waren demnach von der Heiratsstrafe betroffen, sondern 454’000. Der Eidgenössischen Steuerverwaltung war eine Panne unterlaufen: Sie hatte die Doppelverdiener-Ehepaare, die Kinder haben, nicht mitgezählt.

Die Initiative war 2016 knapp abgelehnt worden. Weil das Bundesgericht die Abstimmung annullierte, wäre die Initiative eigentlich erneut an die Urne gekommen. Die CVP als Urheberin der Initiative entschied sich jedoch, zwei neue Initiativen zur Abschaffung der Heiratsstrafe zu lancieren – ohne die umstrittene konservative Ehedefinition zwischen Mann und Frau, die im ursprünglichen Initiativtext enthalten gewesen war.

Doch kein offizieller Ansteckungsherd: Die meisten rückverfolgbaren Ansteckungen mit dem Coronavirus erfolgten im familiären Umfeld – und nicht in Clubs.
Bild: Anna Omelchenko

Coronapandemie: Die falschen Ansteckungsorte

Während der Coronapandemie verkam der Fax im Bundesamt für Gesundheit (BAG) zum Symbol für die verschlafene Digitalisierung – der Spott war der Behörde gewiss. Ein veritabler Fauxpas unterlief dem BAG derweil bei den Ansteckungsorten: 42 Prozent aller rückverfolgbaren Ansteckungen mit dem Coronavirus erfolgten in Discos, Bars und Clubs, teilte das BAG Ende Juli 2020 auf eine Medienanfrage hin mit. Doch die Auswertung war falsch, wie das BAG kurz darauf mitteilen musste: Die meisten Ansteckungen würden im familiären Umfeld registriert, gefolgt vom Arbeitsplatz. In Discos und Clubs waren es nur 1,9 Prozent, so das BAG. (mjb)