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Wer ist hier kriminell? Grüne kritisieren rassistischen Wahlkampf der SVP

Im Wahlkampf zielt die SVP unter anderem auf kriminelle Ausländer. Nun schalten sich die Grünen ein. Sie finden: Bevor die SVP andere verunglimpft, sollte sie sich «mit den kriminellen Politikerinnen und Politikern in den eigenen Reihen beschäftigen».

In einem Wahlkampf entspricht nicht immer alles den guten Sitten. Das gehört zur Natur der Sache. Doch mit ihrer diesjährigen Wahlkampagne ging die SVP zu weit. Zu diesem Schluss kam kürzlich die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus. In einem Brief an SVP-Präsident Marco Chiesa schreibt das Gremium, dass die SVP-Kampagne mit dem Titel «Neue Normalität» die Realität verzerre, «indem der Eindruck erweckt wird, nur ausländische Personen seien für Gewalt und Kriminalität in der Schweiz verantwortlich».

Auf den sozialen Medien und auf ihrer Internetseite veröffentlicht die Volkspartei Bilder mit Schriftzügen, die kriminelle Taten von Ausländern aufzeigen sollen. Laut EKR würden diese Abbildungen darauf abzielen, «Angst und Ablehnung gegen ausländische Personen zu erzeugen». Die Sujets seien «rassistisch», «fremdenfeindlich» und «hetzerisch». Die Kommission forderte die SVP in der Folge auf, die Verbreitung der Kampagne zu stoppen und die Bilder von der Internetseite zu entfernen.

Zwei Sujets der SVP-Wahlkampagne.
Bild: Screenshot Website SVP

Grüne kritisieren kriminelle SVP-Mitglieder

Die SVP schlug die Forderung in den Wind. Stattdessen spricht sie von Zensur und kündigt an, sich «gegen diesen antidemokratischen Eingriff in die Meinungsäusserungsfreiheit» wehren zu wollen. So weit, so erwartbar.

Doch nun schaltet sich ein neuer Player in die Debatte ein: Am Dienstag wandten sich Vertreter der Grünen an die Öffentlichkeit. In einem offenen Brief, den unter anderem die Basler Nationalrätin Sibel Arslan unterzeichnet hat, bieten sie der SVP die Stirn – und drehen den Spiess um. Sie schreiben: «Die SVP ist die Partei, die, verglichen mit den anderen Parteien, die meisten kriminellen und verurteilten gewählten Politiker beherbergt. Viele von ihren aktiven Mitgliedern wurden unter anderem wegen Betrug, Unterschlagung, Drohung, Missbrauch, häuslicher Gewalt und Diskriminierung angeklagt.»

Als Beispiel führen die Urheber des Briefes den Fall eines Aargauer SVP-Grossrats auf, der kürzlich zurücktrat, weil gegen ihn eine Strafuntersuchung geführt wird. Es besteht der Verdacht auf sexuelle Handlungen mit Kindern. Ebenfalls für Schlagzeilen sorgte vor zwei Jahren Naveen Hofstetter. Der Aargauer SVP-Politiker wurde im vergangenen November vom Aargauer Obergericht wegen Rassendiskriminierung verurteilt.

SVP verteidigt Kampagne in Antwortschreiben

Die Verfasserinnen und Verfasser des Briefes – drei Mitglieder der Grünen mit Migrationshintergrund – finden: «Die SVP wäre glaubwürdiger, wenn sie sich mit den kriminellen Politikerinnen und Politikern in den eigenen Reihen beschäftigen und sich öffentlich von deren Straftaten distanzieren würde.» Man habe schliesslich genügend «Differenzen in Sachfragen», um gegeneinander zu politisieren.

SVP-Wahlkampfleiter Marcel Dettling kontert die Kritik der Grünen: «Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Dieser Brief zeigt einmal mehr, dass die Grünen lieber ablenken, anstatt sich mit den realen Problemen zu beschäftigen.» Es brauche endlich einen härteren Umgang mit Kriminellen. Schliesslich zeige die Kampagne die Realität. Sie greife «konkrete, dokumentierte Fälle» auf.

Es ist nicht das erste Mal, dass eine auf Ausländer zielende Kampagne der SVP für Aufregung sorgt. Vor über zehn Jahren publizierte die Partei ein Inserat mit dem Titel «Kosovaren schlitzen Schweizer auf». Der Fall wurde bis ans Bundesgericht weitergezogen. Dieses kam wie die Vorinstanz zum Schluss, dass die SVP mit dem Inserat gegen die Anti-Rassismusstrafnorm verstossen habe, weil es Stimmung gegen eine ganze Ethnie gemacht habe. Der frühere SVP-Generalsekretär Martin Baltisser und seine Stellvertreterin Silvia Bär wurden zu bedingten Geldstrafen verurteilt. (chi)