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Knatsch unter Listenpartnern: FDP-Freiermuth findet SVP-Tweet zu betenden muslimischen Soldaten «widerlich»

Es knirscht zwischen der SVP und der FDP, die für die Wahlen im Herbst eine Listenverbindung eingehen. Volkspartei-Präsident Andreas Glarner findet, wenn Schweizer Soldaten gegen Mekka beteten, sei die Armee verloren. Freisinnigen-Präsidentin Sabina Freiermuth sieht dies ganz anders und distanziert sich von Glarners Politstil.

«Es ist keine Liebesheirat, sondern eine Zweckgemeinschaft», sagte FDP-Aargau-Präsidentin Sabina Freiermuth am Mittwoch, als die Listenverbindung ihrer Partei mit der SVP bekannt wurde. Man pflege nicht den gleichen Stil, teile aber die gleichen bürgerlichen Werte, ergänzte Freiermuth auf die Frage, warum sich die Freisinnigen für die Wahlen im Herbst mit der Volkspartei von Hardliner Andreas Glarner zusammentun.

Grundsätzlich gehe es darum, einen bürgerlichen Sitz zu gewinnen und nicht dem linken Block aus Grünen, SP und GLP zu einem weiteren Mandat im Nationalrat zu verhelfen. Wäre die FDP ganz allein in die Wahlen gegangen, hätte sie allenfalls dem linken Lager zu einem Sitz verholfen, deshalb sei man nun die Verbindung mit der SVP eingegangen. Das Bündnis ist allerdings konfliktträchtig, dies zeigt sich schon wenige Tage nach der offiziellen Bekanntgabe der Listenverbindung.

Glarner zu muslimischem Gebet: «Jetzt ist die Armee definitiv verloren»

Auslöser war ein Tweet der SVP Schweiz, der Schweizer Soldaten zeigt, die zu Beginn des islamischen Opferfestes gegen Mekka beten. «Was kommt als Nächstes? Kinder-Ehen, Scharia-Gerichte, Steinigungen?», kommentierte die SVP.

Samuel Schmid, der oberste Armeeseelsorger, hielt gegenüber der AZ fest: «Es ist etwas völlig Normales passiert. Armeeangehörige haben das Bedürfnis angemeldet, ihren Glauben auszuüben. Diesem Anliegen haben wir entsprochen.» Gar nicht normal fand SVP-Aargau-Präsident und Nationalrat Andreas Glarner das muslimische Gebet. Er legte mit einem eigenen Tweet nach und schrieb: «So, jetzt ist die Schweizer Armee definitiv verloren».

Dies brachte Glarner scharfe Kritik von GLP-Nationalrat Beat Flach ein. «Diese Soldaten sind bereit für die Schweiz zu kämpfen und haben – wie du – auf die Verfassung den Eid geleistet, in der die Glaubensfreiheit verankert ist! Du achtest weder die Werte unserer Verfassung noch den Einsatz der Armee der Schweiz!», kommentierte Flach auf Twitter.

GLP-Flach kritisiert Freisinnige, Glarner die Klimaverbindung

GLP-Nationalrat Beat Flach bezeichnet die SVP auf Twitter als Partei der Antidemokraten.
Bild: Alessandro Della Valle/Keystone

Der Grünliberale ging noch einen Schritt weiter und schrieb: «Mit solchen Antidemokraten und Hetzern macht die FDP Aargau eine Listenverbindung für die Wahlen». Worauf umgehend Glarners Konter folgte: «Solange die angeblich liberale GLP mit den Linken und Grünen ins Lotterbett geht, würde ich schweigen …» Ebenfalls letzte Woche war bekannt geworden, dass die GLP im Aargau mit der SP und den Grünen eine Listenverbindung eingeht, damit gibt es dieses Jahr eine Klimaallianz.

Mit dem Schlagabtausch zwischen Glarner und Flach war die Auseinandersetzung um die Listenverbindungen nicht beendet. So kritisierte SP-Grossrätin Lelia Hunziker auf Twitter: «Was wir im Grossen Rat erleben, ist nun transparent: Wer FDP wählt, sagt ja zur SVP. Ja für eine Politik, die Hass und Hetze salonfähig macht. Gegen Migrant*innen, gegen Queere, gegen Armutsbetroffene. Und so Menschen diskriminiert, stigmatisiert und gefährdet.»

Die FDP entgegnete, eine Listenverbindung bedinge keine umfassende inhaltliche Übereinstimmung und konterte: «Oder sind SP und GLP immer ein Herz und eine Seele?» Und die Freisinnigen fragten, an Lelia Hunziker gerichtet: «Wer hetzt und stigmatisiert jetzt hier genau?» Schliesslich äusserten sich auch nicht direkt Beteiligte, wie Mitte-Schweiz-Präsident Gerhard Pfister, der auf Twitter warnte: «Jede Stimme für die FDP Aargau ist mit der Listenverbindung potenziell eine Stimme für Andreas Glarner.»

Cédric Wermuth: «Es scheint, als habe sich die FDP aufgegeben»

Cedric Wermuth, Co-Präsident der SP Schweiz und Nationalrat, sieht die FDP im Aargau in Geiselhaft der SVP.
Bild: Marcel Bieri/Keystone

«Es scheint, als ob sich die FDP im Aargau aufgegeben und in Geiselhaft der SVP begeben hat», sagt Cédric Wermuth, Co-Präsident der SP Schweiz, gegenüber watson. Dabei wäre ein unabhängiger Freisinn für Lösungen in der Europafrage oder beim Klimaschutz wichtiger denn je, ergänzt der Aargauer. Wermuth glaubt zudem, dass die Listenverbindung für die FDP sinnlos sei. «Sie sichert damit nur der SVP ein Restmandat.»

GLP-Nationalrat Beat Flach sagt: «Ich habe schon Reaktionen von enttäuschten Freisinnigen bekommen, die sagen, sie würden nun halt die GLP-Liste wählen und ein, zwei FDPler auf unsere Liste schreiben, statt einen Andreas Glarner mit der FDP-Liste zu unterstützen.» Er sei «verwundert», dass die Freisinnigen mit der SVP eine Listenverbindung eingingen, so der Grünliberale. Flach erinnert daran, dass die SVP die FDP bei den letzten Wahlen 2019 noch als Ungeziefer plakatiert habe.

Sabina Freiermuth: «Wir unterstützen Glarners Politstil nicht»

«Interessanterweise gibt es fast keine Reaktionen, wenn die GLP mit den Grünen und der SP eine Listenverbindung eingeht», sagt die Aargauer FDP-Präsidentin Sabina Freiermuth gegenüber «watson». Sie habe keine Angst, dass die FDP durch die Listenverbindung Wählerinnen und Wähler an die GLP oder Mitte verlieren könnte. Es sei wichtig, dass die Restmandate im bürgerlichen Lager blieben, das würden auch die FDP-Wählerinnen und -Wähler erkennen.

Sabina Freiermuth distanziert sich vom Politstil von Listenpartner und SVP-Präsident Andreas Glarner.
Fabio Baranzini

Im Gegensatz zu Wermuth hegt Freiermuth keinen Zweifel, dass die FDP einen zusätzlichen Sitz gewinnen kann. «Mit der aktuellen Ausgangslage haben wir die grösste Chance auf einen dritten Sitz, wenn wir mit der SVP eine Listenverbindung eingehen». Es sei nett, dass sich der SP-Co-Präsident um die FDP sorge. «Ich sitze gerne mit ihm vor den Listenrechner, wenn er mir das nicht glaubt», scherzt die FDP-Frau. Im ernsteren Tonfall meint sie: «Wir unterstützen den Politstil von Andreas Glarner klar nicht. Davon distanzieren wir uns.»

Gleichzeitig betont sie: «Wer SP wählt, unterstützt einen Alain Berset, der behauptet, es gebe in gewissen Kreisen einen Kriegsrausch, nur weil diese Waffenexporte befürworten. Das ist auch ein Politstil, den wir nicht unterstützen.» Das Verhalten von Mitte und GLP ist aus Sicht von Freiermuth scheinheilig. «Wir waren auch mit ihnen im Gespräch, beide haben sich aber unvermittelt in andere Listenverbindungen verabschiedet», sagt die FDP-Präsidentin

FPD-Aargau-Präsidentin bezeichnet SVP-Tweet als «widerlich»

Gegenüber dem «Sonntagsblick» nahm Sabina Freiermuth nochmals Stellung zur Kritik der SVP an den betenden Soldaten. Den Tweet bezeichnet sie als «widerlich», zudem hält die Freisinnige fest: «Die Religionsfreiheit ist in unserer Bundesverfassung verankert.» Wenn Schweizer Militärdienst leisteten, so sei sie ihnen dankbar dafür.

Und laut Freiermuth stösst der aggressive Stil der SVP selbst in den eigenen Reihen auf Ablehnung. «Auch gemässigte SVP-Wähler goutieren das nicht», sagt die Präsidentin der FDP Aargau. «Bei mir entschuldigen sich SVP-Kolleginnen und -Kollegen aus dem Grossen Rat immer wieder für diesen verfehlten Politstil.»

Auf Nachfrage der AZ sagt die FDP-Präsidentin, dass es sich dabei um prominente SVP-Exponenten wie Fraktionschefin Désirée Stutz, Parteisekretärin Barbara Borer-Mathys oder Gesundheitspolitiker Clemens Hochreuter handle. Sie werde mit der SVP den Kontakt suchen und die Partei zur Mässigung auffordern, sagt Freiermuth.

Das sagt der Politologe zur umstrittenen Listenverbindung

Politgeograf Michael Hermann sieht Risiken, hält die Verbindung von FDP und SVP aber für logisch.
Bild: Peter Schneider/Keystone

Doch wie gross ist das Risiko, dass die FDP mit der Listenverbindung ihre Wählerschaft vergrault? «Wählerinnen und Wähler vom linksliberalen Rand der FDP werden sich vielleicht zwei Mal überlegen, ob sie den rechten Block stärken wollen. Bei den Überlegungen dürfte der provokative Politstil von Andreas Glarner eine Rolle spielen», sagt Politgeograf Michael Hermann gegenüber «watson».

«Von den unzufriedenen FDP-Wählerinnen und -Wählern könnten sowohl die GLP als auch die Mitte profitieren.» Dennoch liege die Listenverbindung zwischen den beiden Parteien ein Stück weit auf der Hand. «Die SVP und die FDP haben sich in den vergangenen Jahren angenähert, der Kulturgraben zwischen den Parteien ist kleiner geworden.» Rechnerisch könne die Listenverbindung am Ende durchaus Sinn machen und dem bürgerlichen Block einen Sitz sichern, sagt Hermann.