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Taiwan wählt China-Kritiker Lai zum Präsidenten ++ USA und Japan gratulieren – China ist empört

Der Kandidat der bisher regierenden Fortschrittspartei ist neuer Präsident Taiwans. Damit dürfte sich am Verhältnis zu China wenig verbessern. Eingebüsst hat die Partei allerdings an anderer Stelle, was ihre Arbeit erschweren wird.

Nach dem Wahlsieg William Lais von der in China kritisch beäugten Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) in Taiwan haben westliche Staaten gratuliert – aus Peking kamen indes scharfe Töne. Das taiwanische Volk habe mit der Wahl einmal mehr die Stärke seines robusten demokratischen Systems und seines Wahlprozesses unter Beweis gestellt, teilte das US-Aussenministerium in Washington mit. Man freue sich, die langjährigen inoffiziellen Beziehungen im Einklang mit der Ein-China-Politik zu fördern.

Präsident Joe Biden unterstrich, dass die USA eine Unabhängigkeit Taiwans nicht unterstützten. Die sogenannte Taiwan-Frage, sorgt immer wieder für Verstimmungen zwischen den USA, die ein Verbündeter der Insel sind, und China, das Taiwan zu seinem Territorium zählt.

Lai holte bei der Präsidentenwahl am Samstag 40,05 Prozent der Stimmen. Die Beteiligung war mit 72 Prozent nur geringfügig niedriger als 2020. Lais engster Verfolger Hou Yu-ih von der chinafreundlichen Kuomintang erhielt 33,49 Prozent Zustimmung. Der Kandidat der populistischen Taiwanischen Volkspartei, Ko Wen-je, kam auf 26,46 Prozent. Die Menschen in dem Inselstaat mit mehr als 23 Millionen Einwohnern stimmten damit im Hinblick auf die Politik zu China für eine Fortsetzung.

Lais Partei steht für eine Unabhängigkeit Taiwans, obwohl der 64-Jährige diese nach eigenen Worten nicht offiziell erklären will. Unter seiner Vorgängerin Tsai Ing-wen, die nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte, stiegen deshalb die Spannungen in der Taiwanstrasse, der Meerenge zwischen China und Taiwan.

China mit Wahlergebnis unzufrieden

Peking brach 2016 den Kontakt zu Taipeh ab. Die Kommunistische Partei argumentiert historisch, dass Taiwan zu China gehört, obwohl sie die Insel bislang nie regierte und dort seit Jahrzehnten eine unabhängige, demokratisch gewählte Regierung sitzt. Der DPP wirft sie immer wieder Separatismus vor. China will eine «Wiedervereinigung» und diese notfalls militärisch herbeiführen. Ein Krieg in der für die internationale Schifffahrt wichtigen Taiwanstrasse würde jedoch den Welthandel sehr hart treffen und könnte die USA involvieren.

Lai folgt ihr nach: die bisherige Präsident Tsai Ing-wen.
Bild: Daniel Ceng / EPA

Dementsprechend reagierte die KP wenig begeistert auf die Wahl. «Egal wie sich die Situation auf der Insel Taiwan verändert, kann sich die grundlegende Tatsache, dass es nur ein China auf der Welt gibt und dass Taiwan ein Teil Chinas ist, nicht ändern», teilte die Regierung in der Nacht zum Sonntag (Ortszeit) in Peking mit. Der Sprecher der chinesischen Behörde für Angelegenheiten mit Taiwan, Chen Binhua, sagte, das Wahlergebnis in Taiwan zeige, dass die Fortschrittspartei nicht die Mehrheit der vorherrschenden öffentlichen Meinung auf der Insel repräsentiere. China werde sich «separatistischen Handlungen zu einer Unabhängigkeit Taiwans» widersetzen.

Mehr Spannungen in Taiwanstrasse möglich

Auf Taiwan konterte die dortige Behörde für Angelegenheiten mit China, Peking solle das Wahlergebnis respektieren und «sich vernünftig der neuen Lage in der Taiwanstrasse stellen». China solle mit Taiwan ohne Vorbedingungen kommunizieren, um Stabilität in der Region zu schaffen. Derweil begrüsste die EU den Verlauf der Wahlen. Man beglückwünsche alle Wählerinnen und Wähler, die an dieser demokratischen Übung teilgenommen hätten, teilte ein Sprecher des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell mit. Taiwan und die EU vereine das Bekenntnis zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten.

Die Zeichen könnten nun in Richtung Spannungen in der Taiwanstrasse deuten. «Es gibt die Erwartung, dass Peking damit antworten wird, den Druck auf Taiwan zu erhöhen», sagte Helena Legarda, Expertin für Aussen- und Sicherheitspolitik am China-Forschungsinstitut Merics in Berlin. Möglich seien weitere Drohungen und Militärübungen, aber auch handelspolitische Zwänge. Einen Krieg hielt die Expertin allerdings für «höchst unwahrscheinlich». Schon vor der Wahl schickte Peking seine Luftwaffe und Marine beinahe täglich als Machtdemonstration in Richtung Taiwan. Auch sanktionierte China viele Produkte der Insel.

Lai vor innenpolitischen Hürden

Obendrein könnte es für Taiwans künftige Regierung, die Präsident Lai ernennt, innenpolitisch schwieriger werden. Die DPP gewann zwar als erste Partei seit 1996 zum dritten Mal in Folge die Präsidentenwahl. Im Parlament büsste sie jedoch die absolute Mehrheit ein und benötigt damit in Zukunft für politische Vorhaben die Unterstützung anderer Parteien. Auf die DPP entfielen nur 51 der 113 Sitze, während die KMT mit 52 einen mehr holte. Die TPP erhielt acht Sitze, zwei gingen an unabhängige Kandidaten. Lai kündigte bereits an, Politiker anderer Lager bei seinen Personalentscheidungen berücksichtigen zu wollen.

Manche Experten rechnen damit, dass die Fortschrittspartei mehr die Beziehungen zu den USA suchen, die Taiwan für den Konfliktfall Unterstützung zugesagt haben. Zudem will Lai weiter in die Verteidigung Taiwans investieren, um China abzuschrecken, überhaupt eine Invasion zu beginnen. Auch die anderen Präsidentschaftsbewerber hatten dies gefordert. Schon länger bezieht die Inselrepublik Waffen aus den USA, was Peking stets kritisiert. Im Inland werden Lai hohe Mieten, kaum gestiegene Löhne und die Verbesserung des Gesundheitssystems für Senioren beschäftigen. (dpa)