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Wenn der Sommer geht

Der Sommer packt langsam seine Sachen. Morgens legt sich erster Nebel über die Umgebung, die Tage werden kürzer, die Abende kühler, und immer wieder fallen Regentropfen vom Himmel, als wolle der Herbst sagen: «Hallo, ich bin da.» Ich sitze auf dem Balkon, trinke meinen letzten Eiskaffee der Saison und merke, dass ich noch nicht bereit bin.

Es ist lustig, wie schnell sich das ändert. Wochenlang habe ich mich über die Hitze beschwert, über das Schwitzen im Büro, über das wabernde Asphalt-Flimmern auf den Strassen und den Ventilator, der wie ein zweiter Mitbewohner im Zimmer stand. Ich habe mich über das schnelle Schmelzen vom Eis geärgert, über Barfussgehen, das plötzlich zur Mutprobe wurde, über Joggen, das eher ein Schwimmen in Luft war – und über die Gassirunden, die nur frühmorgens oder spätabends möglich waren.

Und jetzt? Jetzt sehne ich mich nach genau diesen Momenten zurück. Nach den langen Abenden, an denen man noch draussen sitzen kann, nach Sonnenuntergängen, die alles gold-orange färben, nach dem Duft von Sonnencreme, nassem Gras und Grillen im Garten. Nach dem Gefühl, dass alles möglich ist, nur weil es warm ist.

Ich beobachte die Regentropfen auf der Balkonbrüstung, höre das leise Prasseln auf den Dächern. Der Herbst klopft an die Tür, und ich könnte mich beklagen. Stattdessen erinnere ich mich an die Hitze, die Sonnenstrahlen, die lauen Nächte. Ein bisschen wehmütig, ein bisschen verliebt in die Erinnerung.

Vielleicht ist das die Sache mit den Jahreszeiten: Man verflucht sie im Moment, vermisst sie später, und so geht das Spiel immer weiter. Der Sommer hat noch Spuren auf meiner Haut hinterlassen, Wärme, die man erst richtig spürt, wenn sie fast weg ist.

Und ich? Ich sitze da, zwischen letzten Sonnenstrahlen und dem Regen, und bin einfach noch nicht bereit. Dennoch: Ich lasse den Sommer ziehen, auch wenn ich ihn noch eine Weile vermissen werde.

Bsetzistei ist die wöchentlich erscheinende Kolumne aus der Feder der Redaktorinnen und Redaktoren des Zofinger Tagblatts.

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