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Wenn Poulet mehr Transparenz braucht als Politik

Der Bundesgerichtsentscheid zu Planted Chicken hat mich zum Schmunzeln gebracht: Offenbar dürfen Poulet-Alternativen nicht einfach «Chicken» heissen, weil man nicht davon ausgehen kann, dass alle Menschen wissen, dass da kein Huhn drin ist. Die Informationspflicht ist also hoch – in der Werbung jedenfalls.

Anders in der Politik: Hier hält es der Regierungsrat offenbar für völlig selbstverständlich, dass alle wissen, ab welchem Vermögen man von einem «steuerbaren Vermögen» spricht. Wer weniger als 224 000 Franken (Familien) oder 100 000 Franken (Alleinstehende) hat, profitiert nicht von der Vermögenssteuersenkung, dem Herzstück der Steuergesetzrevision – ob das allen klar ist, wird einfach vorausgesetzt.

Das Gleiche gilt für die Steuergeschenke an die Reichsten: Die Broschüre verzichtet auf Zahlen und Beispiele zu den Top-Vermögenden. Stattdessen heisst es, die Bevölkerung könne sich «ohne Weiteres» vorstellen, dass diese am meisten sparen. Dass hier Millionen verteilt werden – 60 Superreiche erhalten zusammen 6 Millionen Franken, genauso viel wie 60 000 Familien – wird elegant verschwiegen. Aber ja, das Verwaltungsgericht hat entschieden: Es besteht kein rechtlicher Anspruch auf repräsentative Beispiele.

Es scheint: In der Werbung braucht es strengere Informationsregeln und ein geringeres Vertrauen ins Allgemeinwissen als in der Politik. Wer echte Transparenz will, muss hier ansetzen. Am 18. Mai bleibt nur eines zu sagen: Nein zur Steuergesetzrevision!

Marianne Wegmüller, Zofingen