
Mehr als jedes zweite Kind hat beim Kindergarteneintritt Mühe mit der deutschen Sprache
Um die Deutschkenntnisse der Wettinger Kleinkinder ist es nicht gut bestellt. 207 von ihnen treten im Schuljahr 2025/2026 in den Kindergarten ein. 126 davon, also 60 Prozent, sprechen kein oder nur ungenügend Deutsch und benötigen deshalb Unterstützung in Form von Angeboten für Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Dies schreibt der Gemeinderat in seiner Antwort auf die Interpellation der Einwohnerräte Marco Bonadei (SP) und Judith Gähler (FDP). Die beiden wollten von der Wettinger Exekutive wissen, wie es um die frühe Deutschförderung in der Gemeinde steht.
Für die Wettinger Politiker ist klar: «Es ist erwiesen, dass gute Deutschkenntnisse für den Lernerfolg und die Sozialisierung entscheidend sind.» Zudem würde die grosse Anzahl von Kindergartenkindern ohne Deutschkenntnisse die Lehrpersonen belasten und Ressourcen beanspruchen, die anderswo fehlen würden.
Bonadei und Gähler verweisen auf das Pilotprojekt «Deutschförderung vor dem Kindergarten», das in ausgewählten Aargauer Gemeinden stattfindet. Viele der dort wohnhaften Kinder mit sprachlichen Defiziten besuchen an zwei Halbtagen pro Woche eine Spielgruppe.
Basierend auf den Erfahrungen des Pilotprojekts stellt der Kanton allen Gemeinden ab dem 1. Januar 2026 einen Elternfragebogen zur Verfügung, um eineinhalb Jahre vor dem Kindergarteneintritt eine Sprachstanderhebung durchzuführen. Überdies will er die Kosten für die Auswertung tragen.
Dass dieser Fragebogen auch bald in Wettingen ausgefüllt wird, ist jedoch fraglich, wie aus der Antwort des Gemeinderats hervorgeht. Man erkenne den dringenden Bedarf der frühen Sprachförderung vor dem Kindergarten. Doch: «Die Sprachstanderhebung wird frühestens ab Ende 2026 erfolgen können und hängt von den Kosten, dem politischen Willen, den definitiven kantonalen Vorgaben und der nötigen Ressourcierung ab», heisst es. Zwar würden die Auswertungskosten vom Kanton übernommen. Doch alle weiteren Kosten müssten von den Gemeinden getragen werden.
Es fehlt an Geld und Personal
Und genau da besteht das Problem. «Es kann bereits heute ausgesagt werden, dass die Umsetzung des Projekts Auswirkungen auf den Stellenplan und die Finanzen haben wird. Mit den heute vorhandenen personellen und finanziellen Ressourcen sowie Angeboten ist eine Umsetzung unmöglich», sagt Gemeindeschreiberin Sandra Thut auf Anfrage. Aktuell sind in Wettingen fünf Spielgruppen und acht Kindertagesstätten ansässig.
Damit das Projekt in Wettingen gelinge, seien umfassende Vorbereitungsarbeiten nötig. Der Gemeinderat wolle zuerst die Ressourcenfragen und alle Rahmenbedingungen klären und antizipieren. Dazu stehe die Leiterin der Fachstelle Gesellschaft und Sport im Austausch mit Gemeinden, welche die Sprachstanderhebung bereits eingeführt haben oder sich in der Einführung befinden, so Thut.
«Sobald genügend personelle Ressourcen geschaffen werden können, kann der Bedarf genau analysiert werden und mit den Akteuren wie Kitas und Spielgruppen das Gespräch gesucht werden.»
Mehr Bedarf trotz geringerem Ausländeranteil
Auffällig ist, dass der Bedarf in Wettingen mit rund 60 Prozent der Kinder derzeit höher ist als der kantonale Durchschnitt von etwas mehr als 50 Prozent. Thut sagt: «Der Anteil Personen mit ausländischer Nationalität liegt in den Pilotgemeinden bei 33 Prozent und im gesamten Kanton bei 26 Prozent. Der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung beträgt in Wettingen per Mitte Mai 30,73 Prozent.» Somit liegt der Bedarf bei geringerem Ausländeranteil in der Gemeinde um einiges höher als der Durchschnitt der Pilotgemeinden in der Evaluation.
Von diesen Zahlen lässt sich die Gemeinde jedoch nicht verunsichern. Man sieht es als Momentaufnahme. Gemeindeschreiberin Thut sagt: «Beim Schuljahr 2025/2026 wird lediglich ein Jahrgang betrachtet. Es kann gut sein, dass spätere Jahrgänge wieder ein anderes Bild zeichnen.»