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Wie Bestsellerautor Alex Capus Fakten und Fiktion vertauscht

Anders als Alex Capus, der Autor des Romans «Susanna» behauptet, war die Baslerin Susanna Carolina Faesch tatsächlich Mitarbeiterin des legendären Lakota-Chiefs Sitting Bull. Ein Gastbeitrag.

Fiktion und historische Realität sind zwei Paar Stiefel. Man darf in einem Roman alles schreiben, selbst eine Geschichte erzählen, in welcher die Schlacht von Waterloo nicht stattgefunden hat. Etwas anderes ist es, danach zu behaupten, die Schlacht habe in Wirklichkeit ebenfalls nicht stattgefunden.

Alex Capus hat über Susanna Carolina Faesch, die sich später Caroline Weldon nannte, seinen Roman «Susanna» geschrieben. Vieles in seinem Roman entspricht nicht den historischen Fakten, aber dies kann man mit dem Hinweis auf die künstlerische Freiheit nicht tadeln. Dennoch zeigt sich, dass der Autor zu den Familienverhältnissen so gut wie nicht recherchiert hat.

In der ARD-Sendung «Druckfrisch» vom 31. Oktober 2022. behauptet Alex Capus apodiktisch, die historische Caroline Weldon und der legendäre Sioux-Chief Sitting Bull hätten sich in der Realität gar nicht verständigen können und es sei auch unmöglich, dass Sitting Bull die weisse Frau ins Vertrauen gezogen hätte. Caroline Weldon sei also nicht Beraterin und Sekretärin des legendären Chiefs gewesen. Wenn Capus These richtig wäre, warum erhielt dann Weldon den Lakota-Namen «Tokaheya máni win» («Die Frau, die vorausgeht»)?

Capus darf natürlich die Geschichte enden lassen, wie er will. Aber warum stellt sich Capus dann in einem Gespräch über die reale Caroline Weldon ausdrücklich gegen längst gesicherte Fakten, ohne einen einzigen Beweis vorzulegen? Will er seine Fiktion rechtfertigen? Das hat er ja nicht nötig. Capus’ historische Sichtweise darf im Interesse der Bedeutung von Susanna Carolina Faesch für die Geschichte nicht unwidersprochen bleiben.

Keine Zweifel an der Historizität

In allen wichtigen Biografien von Sitting Bull kommt Caroline Weldon, die ursprünglich Susanna Carolina Faesch hiess, prominent vor. Auch die vom Biografen Stanley Vestal gesammelten Primärquellen lassen an der Historizität der weissen Beraterin und Sekretärin im Lager Sitting Bulls keinen Zweifel. Caroline Weldon war nachweislich ein Mitglied der National Indian Defense Association (NIDA). Bereits 1888 versorgte sie Sitting Bull mit Landkarten und Listen für Landpreise, wie aus einem Brief an den Sioux-Chief Red Cloud hervorgeht.

Auch in Presseartikeln aus Norddakota kommt Caroline Weldon wiederholt vor, obwohl einige Blätter ihr eine Liebesbeziehung zu Sitting Bull andichten wollten. Die Quellen zeigen, dass die weisse Beraterin und Sekretärin von Sitting Bull keine Legende ist, sondern historisch belegt. Die Argumente gegen Capus‘ Behauptung, Susanna Carolina Faesch sei nie eine bedeutende Rolle am Grand River zugekommen, sind erdrückend.

Caroline Weldon (rechts) mit ihrer Freundin Aline Estoppey in Mount Vernon (1915).
ZVG

Es bleibt die Frage: Warum stellt Capus die historische Susanna falsch dar und entpolitisiert sie damit? Capus hätte gut daran getan, sich nicht zur geschichtlichen Person zu äussern. Er mischt im Gespräch auf der ARD Fakten und Fiktion. So bleibt ein schaler Nachgeschmack, da auch andere Aussagen von Capus hinterfragbar werden.