Sie sind hier: Home > International > Vision «null Asylbewerber»: Die dänische Sozialdemokratie setzt in Dänemark auf eine Nicht-Willkommenspolitik 

Vision «null Asylbewerber»: Die dänische Sozialdemokratie setzt in Dänemark auf eine Nicht-Willkommenspolitik 

Dänemark registrierte im letzten Jahr bloss knapp 2500 Asylgesuch. Premierministerin Mette Frederiksen setzt auf Abschreckung - zum Schutz des Sozialstaates. 

Beim Blick auf die Asylgesuche in den EU-Ländern sticht Dänemark heraus. Das Land mit seine 5,9 Milllionen Einwohnerinnen und Einwohnern weist für 2023 nur 2482 Asylgesuche auf. Dies entspricht Rang 20 von 27 Ländern. Hinter Dänemark liegen Kleinstaaten wie Luxemburg, Estland oder Litauen; Finnland mit einer ähnlich grossen Bevölkerung verzeichnet fast doppelt so viele Gesuche.

Noch vor einem Jahrzehnt gehörte das liberale Dänemark zu den zehn Ländern Europas mit den meisten Asylbewerbern pro Einwohner. Jetzt präsentiert sich ein ganz anderes Bild. Was ist passiert?

Die Lage am Rande Europas mindert den Migrationsdruck. Die Geografie reicht aber nicht als Erklärung für die tiefen Asylzahlen. Es geht um Politik. Seit langem macht sich Dänemark unattraktiv für Flüchtlinge. Nach der Jahrtausendwende garantierte die rechtspopulistische Volkspartei den bürgerlichen Parteien Mehrheiten und setzte dafür eine rigorose Einwanderungspolitik durch.

Im Unterschied zu vielen anderen Ländern fand dieser Kurs auch unter den Sozialdemokraten eine Fortsetzung. Mette Frederiksen wurde 2019 Regierungschefin und hat das Prinzip Abschreckung noch verstärkt. Die 46-Jährige überholte im Asylbereich die Rechtspopulisten rechts und drängte diese in die Bedeutungslosigkeit. Die Politik, die Flüchtlingen (mit Ausnahme der Ukrainer) signalisiert, dass sie nicht willkommen sind, wird von einer grossen Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert; Kritik von linken Parteien, aber auch etwa aus dem EU-Parlament, verhallt beinahe ungehört.

Warnung vor Problemen mit Integration

Das schlagende Argument von Frederiksen: Um den geschätzten, umfassenden Wohlfahrtsstaat und den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu bewahren, «dürfen nicht zu viele in unser Land kommen». Trotz eines verhältnismässig niedrigen Ausländeranteils von 10 Prozent warnt ihre Regierung vor Integrationsproblemen, vor allem bei Muslimen. Kritisiert wird insbesondere auch der hohe Anteil nicht arbeitender Migrantinnen kritisiert. Auch die Ministerpräsidentin äussert sich bisweilen salopp. «Einwandererjungs» machten Bahnhöfe unsicher, sagte Frederiksen einmal. Das sorgte nur kurz für Kritik; ihre Partei hat seit Jahren Erfolg.

Frederiksen führte den von den Rechtsbürgerlichen eingeführten «Paradigmenwechsel» fort: Asylpolitik soll möglichst wenig mit Integration zu tun haben, sondern vor allem mit provisorischem Aufenthalt und schneller Rückschaffung. Dänemark begann als erstes Land, Syrer in ihr vom Bürgerkrieg versehrtes Land zurück zu schicken. Da es mit dem syrischen Regime kein Rücknahme-Abkommen gibt, bleibt nur die freiwillige Ausreise. Wer sich weigert, muss in ein «Ausreise-Zentrum» umziehen. Dort gibt es weder Ausbildung noch Arbeitsmöglichkeiten – also nur ein Leben ausserhalb der dänischen Gesellschaft.

Um unattraktiv zu sein, pflegt Dänemark eine Mischung aus Symbolpolitik und harten Regeln. So wurde einmal eine öde, früher für Tierseuchen-Forschung benutzte Insel als Standort für ein Asylzentrum erwogen. Die Sozialdemokraten unterstützten das «Schmuckgesetz», mit dem Flüchtlingen Wertsachen abgenommen wurden, um allfällige Sozialkosten zu decken. Und sie stimmten für ein Burkaverbot, das nur wenige Dutzend Frauen betrifft, sowie für verschärfte Regeln für Familiennachzug – für die Dänemark danach wegen Verstosses gegen die Menschenrechte verurteilt wurde. Umstritten ist auch das sogenannte Ghetto-Gesetz, laut dem in sozialen Problemquartieren nicht mehr als 30 Prozent «nichtwestliche» Ausländer erlaubt sind. Erreicht wird das mit Kündigungen, Abriss von Wohnblöcken und einer restriktiven Vergabe von Sozialwohnungen.

Umstrittene Lösung

Die Vision Frederiksens ist «null Asylbewerber». Denn durch das «gescheiterte Asylsystem» Europas würden viel zu viele Flüchtlinge ihr Leben riskieren, um in den Westen zu gelangen – eine Einschätzung, mit denen die Sozialdemokratin nicht alleine ist. Ihre Lösung allerdings ist sehr umstritten: Dänemark war eines der ersten Länder, das die Idee verfolgte, Asylzentren statt im Inland in Afrika zu betreiben; Pläne mit Ruanda gab es bereits. Doch rechtliche und finanzielle Zweifel sowie das Scheitern dieses Vorhabens in Grossbritannien führten dazu, dass das Projekt auf Eis gelegt wurde. In der Schweiz fordert die SVP die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten: der Bundesrat lehnt dies aber mit Verweis auf rechtliche und praktische Schwierigkeiten ab. Derweil will Dänemark nun mit anderen EU-Ländern an der Umsetzung der Idee arbeiten. Doch schnell dürfte das nicht funktioniere, wie Einwanderungsminister Kaare Dybvad einräumt.

Auch in anderen Bereichen beugt sich die dänische Einwanderungspolitik der Realität. So gibt es neu eine Regelung, dank der Ausländer leichter eine Aufenthaltsbewilligung erhalten, wenn sie eine Ausbildung im Gesundheits- oder Sozialbereich haben. Denn die Regierung hat erkannt: Die Ausschaffung gut integrierter Personen macht keinen Sinn, wenn gleichzeitig verzweifelt Arbeitskräfte gesucht werden.