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Premiere im Rosengarten: Wie Musik einen zu sich selbst bringen kann

Mit «Wie im Himmel» führt das Zofinger Freilichttheater ein rührselig-zauberhaftes Stück über die Verwandlungskraft des Gesangs auf.

Es ist kühl an diesem Premierenabend. Ab und zu nieselt es leicht. Wärmeres Wetter hätte die erste Aufführung von Wie im Himmel durchaus verdient. Denn im von Regisseur Nick Russi auf Schweizerdeutsch adaptierten Musiktheater geht es um ein herzerwärmendes Thema: die seelische Heilkraft der Musik.

Rund 200 Premierengäste erleben am Mittwochabend ein schwungvolles Laientheater mit 30 Mitwirkenden, das nicht ohne einen Anflug von Naivität ein auf Emotionen ausgelegtes Rührstück zeigt – über einen Dirigenten, der nach einem Herzinfarkt zur Besinnung kommt, und über ein Dorf, das durch den gemeinsamen Gesang zu sich selbst findet.

Schon die Bühne im Zofinger Rosengarten ist ein kleines Gedicht. Die modulare Konstruktion mit beweglichen und umklappbaren Elementen zeugt von grossem Ideenreichtum. In Kombination mit geschickt gesetztem Licht entstehen atmosphärisch dichte Bilder, die das Geschehen stützen.

Ein verlorener Sohn kehrt heim

Tatort Hinterachern, ein abgelegener Ort irgendwo im Nirgendwo. Hier lässt sich der weltberühmte Dirigent Daniel Dareus – gespielt von Roland Höltschi – nach einem Herzinfarkt mit dem Taxi vor dem alten Schulhaus absetzen. Er suche lediglich Ruhe, betont er. Höltschi gibt ihn leicht hölzern und geistig zögerlich, aber ernsthaft und gründlich. Dass er kein gewöhnlicher Gast ist, spricht sich rasch herum – und so wird er gebeten, den örtlichen Kirchen- und Dorfchor zu unterstützen.

Auch der Dorfpfarrer – glänzend gespielt von Lorenz Killer – wirbt um Dareus’ Unterstützung. Killer zeichnet die Figur zunächst jovial, dann zunehmend von Neid zerfressen, als sich seine Schäfchen abwenden. Denn Dareus’ unkonventionelle Methoden rühren in den Sängerinnen und Sängern vieles auf. Die Musik sei schon immer da, man müsse sie nur herunterholen, predigt er – und trifft damit besonders bei Lena (Karin Longobardi Schacher) auf Resonanz, die er einzeln unterrichtet und lieben lernt.

Ehekonflikte brechen auf

Auch Gabriella – feinfühlig interpretiert von Sibylle Jira alias Sibylle Rieder – blüht unter Dareus’ Leitung zur Solistin auf, sofern ihr eifersüchtiger Mann Koni (Waly Lüdi), meist besoffen torkelnd und misstrauisch, sie nicht drangsaliert. Ein zweites Ehe-Drama spielt sich zwischen Pfarrer Stefan und seiner Frau Ingrid ab. Cornelia Fluri zeigt diese Frau, die im Chor ihre Lebensfreude wiederentdeckt, resolut und zugleich verletzlich.

Alle dürfen mitmachen – auch der geistig zurückgebliebene Turi, den Andrin Häuselmann mit beeindruckender Präsenz darstellt. Der übermotivierte Sportgeschäftsbetreiber Arnold (Rolf Krebs) meldet den Chor schliesslich für einen internationalen Wettbewerb an – was einige Beziehungen ins Wanken bringt. Doch am Ende erklingt so etwas wie Himmelsmusik.

Ergreifende Harmonien

Die Dramaturgie spitzt sich klug zu, das Ensemble überzeugt mit viel Spielfreude. Besonders glänzen die beiden Solistinnen Longobardi Schacher und Jira – bei ihren Arien geht einem das Herz auf. Aus anfänglichen Dissonanzen entstehen ergreifende Harmonien. Die Premiere gelingt. Nach etwas mehr als zwei Stunden gibt es kräftigen Applaus.

Und der meistgehörte Satz nach Spielschluss? «Du, jetzt muss ich mir bei dem oder der noch ein Autogramm ergattern.» Denn dieses Stück zeigt: Musik kann tatsächlich heilen – und manchmal führt sie einen dorthin zurück, wo man sich selbst am nächsten ist.