
Will die SP Aargau auch eine Wirtschaftspartei sein?
Wer vertritt die Interessen der Unternehmen am besten? Je nach Thema streiten sich SVP, FDP, Mitte, oder auch einmal die GLP darum. Klar ist hingegen: Die SP gilt nicht als Wirtschaftspartei. Genossinnen und Genossen engagieren sich in Gewerkschaften und gehen am 1. Mai gegen den Kapitalismus auf die Strasse. Bürgerliche sind beim Gewerbeverband oder in der Handelskammer dabei – so lauten die Einteilungen.
Doch das Volkswirtschaftsdepartement im Aargau ist in SP-Hand: Derzeit wird es von Dieter Egli geführt, zuvor war sein Parteikollege Urs Hofmann im Regierungsrat dafür verantwortlich. Vor diesem Hintergrund führten die Sozialdemokraten an ihrem Parteitag eine kontroverse Diskussion über ihre Wirtschaftspolitik.
Egli betonte die Rolle des Kantons als Innovationsstandort und sprach sich dafür aus, ökologische und soziale Verantwortung mit wirtschaftlicher Stärke zu verbinden. Er hielt fest, dass Firmen nach Gewinn strebten, sei nicht grundsätzlich schlecht. «Ich bin für soziale Marktwirtschaft und freies Unternehmertum», betonte Egli. Der Staat solle dafür ein gutes Umfeld schaffen, aber auch Rahmenbedingungen setzen.
Egli: «Wir sollten auf Unternehmen zugehen»
Bei den Firmen im Aargau, die er besuche, sehe er viele, die verantwortungsbewusst agierten. Manche ihrer Verantwortlichen trauten sich aber nicht, dies auszusprechen, «weil das als links gilt». Hier gebe es eine Chance, das bürgerliche Framing, wie es Egli nannte, zu durchbrechen. «Wir sollen auf Unternehmerinnen und Unternehmer zugehen und uns mit ihnen austauschen». Es gebe Gemeinsamkeiten zwischen den Forderungen der SP und den Interessen der KMU, sagte Egli.
Aus den Reihen der Juso im Saal kam Widerspruch: Die Aussagen von Egli liessen sich nicht vereinbaren mit dem SP-Parteiprogramm, in dem die Überwindung des Kapitalismus als Ziel enthalten ist. Zudem sei es mit dieser Haltung wohl unmöglich, grosse Probleme wie den Klimawandel zu bewältigen: Bei einer Firma wie Holcim, die sehr viel CO₂ ausstosse, auf Freiwilligkeit zu setzen, sei falsch.
Egli entgegnete, er glaube nicht an die linke Vision einer Demokratisierung der Wirtschaft. Den übertriebenen Kapitalismus lehne er aber auch ab: Der Staat sei gefordert, für Gerechtigkeit, Sicherheit und Chancengleichheit zu sorgen. Und wenn es Missstände gebe, müsse gerade auch die SP diese benennen und bekämpfen. Zudem sei der Einsatz der Partei für die Rechte von Arbeitnehmenden weiterhin sehr wichtig.
Gestmann: «Feld nicht den Bürgerlichen überlassen»
Ein Parteimitglied sagte, in ihrem Bezirk sei die SVP die Partei der Unternehmen und werde deshalb gewählt. Sie bezweifle, dass die SP in diesem Bereich erfolgreich sein könne – zudem sei «nachhaltig» nichtssagend, «ganzheitlich» oder ein anderer Begriff wären besser.
Anja Gestmann, Co-Präsidentin der SP Aargau, sieht dies anders und forderte, die Partei solle das Feld nicht rechtsbürgerlichen Kräften überlassen. Dies wohl auch vor dem Hintergrund, dass die SP bei den nächsten Grossratswahlen einen Stimmenanteil von 19 Prozent anstrebt. Dafür ist die Erschliessung neuer Kreise in der Wählerschaft wohl nötig.
Dieter Egli ergänzte, die SP sei die Wirtschaftspartei, bei den Bürgerlichen gebe es zum Teil wenig Wissen zu diesem Thema. Cédric Wermuth, Co-Präsident der SP Schweiz und Aargauer Nationalrat, war auch im Saal. Er sagte, den Begriff, der Nachhaltigkeit in allen Bereichen vereine, gebe es schon: «Er lautet Sozialdemokratie».