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Wird der Dackel bald verboten, weil er vom Jagdhund zum Schönheitskönig gezüchtet wurde?

In Deutschland gibt es einen Entwurf zu einem neuen Tierschutzgesetzt, der Hundezüchter in Panik versetzt. Die Zucht von Anomalien des Skelettbaus sollen verboten werden, das könnte auch den Dackel und andere Kurzbeinige betreffen.

Der Rücken ist lang, die Beine sind kurz – typisch Dackel. Dieses ungleiche Verhältnis der Körperteile unterscheidet sich deutlich von jenem des Ur-Hunds, des Wolfs. Genau das könnte dem Dackel in Deutschland zum Verhängnis werden. In unserem Nachbarland wird nämlich heiss über einen Entwurf eines neuen Tierschutzgesetzes gestritten, das Züchtungen verbieten will, die eine «Anomalie des Skelettsystems» bewirken.

Allerdings war diese Anomalie beim Dackel schon vor langer Zeit züchterische Absicht. Wie der andere Name Dachshund verrät, wurde diese Rasse dafür gezüchtet, in einen engen Dachs- oder Fuchsbau schlüpfen zu können. Mag er heute auch ein Modehund sein, ist er immer noch ein Jagdhund, von dem es drei verschiedene Grössen gibt: den Standard-, Zwerg- und Kaninchendackel, und das in den drei Haararten Kurz-, Lang- und Rauhaar. Von diesen gilt der Kurzhaardackel als Ur-Dackel, der ab Ende des 19. Jahrhunderts gezielt gezüchtet worden ist.

Dackelfreunde sind aufgeschreckt

Nun sind die Dackelfreunde und der Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) aufgeschreckt, weil sie befürchten, dass das neue Tierschutzgesetz nicht nur für den Dackel, sondern auch für Beagle, Jack Russel Terrier und andere Hunderassen mit kurzen Beinen zu einem Zuchtverbot führen könnte. Jede nennenswerte Grössenabweichung vom Wolf könnte als Anomalie ausgelegt werden, schreibt der deutsche Hundeverband. Der Interpretationsspielraum im Gesetz sei zu gross.

Ende März hat der VDH deshalb eine Petition namens «Wird der Dackel verboten?» lanciert. Darin wird gefordert, dass die Merkmale für die Zucht auf Basis wissenschaftlicher und züchterischer Erkenntnisse konkretisiert werden müssen.

Mit dem neuen Tierschutzgesetz sollen insbesondere Qualzuchten, bei uns Extremzuchten genannt, bekämpft werden. Da geht es zum Beispiel um Hunde, die aufgrund ihrer kurzen Nase Atemprobleme haben, an chronischen Augen- und Hautentzündungen oder Erkrankungen der Hüfte leiden. Als Beispiel nennt Julika Fitzi vom Schweizer Tierschutz (STS) die französische Bulldogge, den Mops und den Pekinesen mit kurzen Nasen. «Mehr als die Hälfte dieser Tiere haben gesundheitliche Schwierigkeiten während ihres Lebens.» Und auch eine kürzere Lebenserwartung.

Für die Bekämpfung von Qualzuchten und chronischen Zuchtkrankheiten setzt sich auch der Verband für das deutsche Hundewesen ein. Die Beinlänge des Dackels sei aber keine Anomalie.

Dackellähme könnte verhindert werden

Bei einem Dackel könne man bei gewissen Zuchten schon von einer Anomalie des Skelettsystems sprechen, entgegnet dagegen Julika Fitzi. «Es gibt verschiedene genetische Dispositionen beim Dackel, die dafür verantwortlich sind, dass der Hund zum Beispiel Dackellähme bekommt.» Diese Lähmung ist sehr schmerzhaft und kaum behandelbar, weshalb betroffene Hunde oftmals eingeschläfert werden müssen.

Diese Veranlagung kann mit einem Gentest festgestellt werden. Deshalb sei der Züchter verantwortlich dafür, dass diese Tests gemacht würden. «Damit sich nicht Dackel paaren, welche dieses Gen in sich tragen», sagt Fitzi. Vermeide man dieses Gen in der Zucht, bekomme der Dackel keine Lähme und zudem wieder zwei, drei Zentimeter längere Beine. Das «Lähmungsgen» sei damit gekoppelt.

Zugunsten der Gesundheit des Dackels müsste man sich für eine Anpassung der Standards entscheiden, sagt Fitzi. Längere Beine können den Dackelzüchtern allerdings Schwierigkeiten machen, weil der Hund dann eventuell nicht mehr den Rassenstandards entspricht. Damit verliert das Zuchttier an Wert und an Erfolg an Ausstellungen. Es gebe Züchter, die ungesunde Merkmale rauszüchten, die deswegen aber nicht mehr an Messen teilnehmen können. «Die Reglemente der Zuchtverbände sind uralt, sie passen sich nur langsam an die neusten medizinischen Erkenntnisse an», sagt Fitzi.

Ein gutes Beispiel für eine gelungene Einflussnahme auf die Zucht sei der Deutsche Schäferhund. Früher hatten viele Hunde dieser Rasse Hüftgelenkprobleme. Mittels Röntgenuntersuchungen habe man erreicht, dass diese Hüftdisplasie erkannt und bei der Zucht verhindert werde.«Die Schäferhunde haben nicht mehr so stark abfallende Rücken wie früher», sagt Fitzi.

Weg von der Schönheits-Priorität

Beim neuen deutschen Tierschutzgesetz geht es nicht darum, Rassen zu verbieten. «Es wird nicht per se der Dackel verboten, sondern Tiere mit krank machenden Zuchtmerkmalen», sagt Fitzi. Interessant ist, dass die Zucht der Dackel inzwischen dazu geführt hat, dass einige Hunde gar nicht mehr dem Ur-Dackel entsprechen. Früher diente die Zucht der Arbeit, also bestmögliche Jagdhunde zu machen. Später erhielt die Schönheit Priorität. «Das hat zur Folge, dass gewisse heutige Dackel gar nicht mehr in den Fuchsbau rein könnten, weil sie einen zu tiefen Brustkasten haben», sagt Fitzi. Zwei Drittel der Dackel können nicht mehr für die Jagd verwendet werden. Bei der Zucht sollte man nach Fitzi wieder zurück zur Form der Arbeitslinie, weg von den Schönheitsmerkmalen.

Das Pendant zum Verband für das Deutsche Hundewesen ist bei uns die Schweizerische Kynologische Gesellschaft (SKG). Und was in Deutschland das Tierschutzgesetz regelt, macht in der Schweiz eine 2018 eingeführte Tierschutz-Verordnung. Auf die Frage, ob auch in der Schweiz ein Dackelverbot drohe, antwortet Andreas Rogger für den SKG. «Generell sind Verbote nicht zielführend; in Holland und Norwegen wurde die Zucht von einzelnen Rassen verboten, aber der Import bleibt erlaubt.» Durch solche Verbote würden die Züchter und Besitzer entweder in die Illegalität getrieben oder sie wichen auf andere Länder aus.

Bei der «Population Dackel» gebe es zwei Arten von Züchtern. Zum ersten jene, für die der Hund nur eine Ware sei und die auf Nachfrage produzierten. Zum zweiten gebe es aber Züchter, die sich freiwillig Regeln unterstellten und alles daran setzten, gesunde, sozialverträgliche und langlebige Hunde zu züchten. «In dieser zweiten Kategorie ist der Anteil Hunde, die Belastungsmerkmale aufweisen, minim», sagt Andreas Rogger.

«Die Evolution hat viele Hundetypen hervorgebracht, die mit dem Wolf nicht sehr viel gemeinsam haben», sagt Rogger. Hunde wurden ursprünglich für einen bestimmten Nutzen gezüchtet und selektiert. Windhunde hatten und haben eine andere Aufgabe als die Peking-Palasthunde. «Wenn die Aussage <möglichst geringe Abweichung vom Urtyp Wolf> genetisch gemeint ist, sind wir einverstanden. Ansonsten sollten die Funktion und die Erfüllung dieser Funktion im Vordergrund stehen und nicht der Vergleich zum Urtyp Wolf», sagt Rogger. Jedes Gesetz sei nur so gut wie sein Vollzug. Auch bei noch so stark kontrollierter Zucht könnten Ausreisser vorkommen.

Gerne hätten wir zum drohenden Dackelverbot in Deutschland auch eine Stellungnahme der Schweizer Dackelliebhaber eingeholt. Doch die Präsidentin des Dackel-Clubs verweigerte eine Aussage. «Dem Dachshunde-Club ist diese Problematik sehr wohl präsent und wir setzen uns damit auseinander. Aber zum jetzigen Zeitpunkt bin ich zu einem Interview nicht bereit», erklärte Eliane Unternährer Leuba.