Sie sind hier: Home > Einkaufs-Tourismus > Tessiner Händler besorgt: Italien lockt aktiv Einkaufstouristen an

Tessiner Händler besorgt: Italien lockt aktiv Einkaufstouristen an

Per sofort wird die Mehrwertsteuer im südlichen Nachbarland schon für Einkäufe ab 70 Euro zurückerstattet. Detailhändler im Tessin haben keine Freude.

Italien hat auf den 1. Februar die sogenannte Bagatellgrenze von 154 auf 70 Euro reduziert. Konkret bedeutet das, dass die Rückerstattung der italienischen Mehrwertsteuer bereits für Einkäufe ab 70 Euro möglich ist. Das italienische Parlament hat diese Tax-Free-Massnahme auf Vorschlag der Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im Dezember eingeführt. So soll insbesondere der Einkaufstourismus in den Grenzregionen weiter gestärkt werden.

Von dem Herabsetzen der Schwelle sollen nicht nur die grossen Supermärkte, sondern auch die kleineren Läden profitieren. Dabei war das Shopping ennet der Grenze schon bisher äusserst attraktiv. Ein Blick auf die Parkplätze von Shopping-Zentren im Grenzgürtel Como und Varese macht deutlich, wie viele Tessiner bereits heute dort ihre Einkäufe erledigen. Begünstigt wird dieser Einkaufstourismus durch den starken Franken. Im Moment kostet ein Euro nur rund 94 Rappen.

«Die Spiesse sind nicht gleich lang»

Wenig Freude an der Massnahme Italiens haben die Tessiner Detailhändler. «Schon heute ist die Situation kritisch», sagte Davide Rampoldi, Präsident der Detailhändlervereinigung des Mendrisiotto gegenüber dem «Corriere del Ticino». Dabei verwies er auf eine Studie, welche den Betrag der durch Tessiner in Italien getätigten Einkäufe auf rund 500 Millionen Franken pro Jahr schätzt. Er glaubt aber, dass die neue Tax-Free-Regel «nicht grundsätzlich etwas ändern wird.» Anders gesagt: Einzig wegen des Herabsetzens der Bagatellgrenze auf 70 Euro dürften kaum zusätzliche Kunden nach Italien fahren.

Sehr besorgt zeigt sich dagegen die Swiss Retail Federation, welche den Schweizer Detailhandel ohne Grosshändler vertritt. In einer Medienmitteilung schreibt der Dachverband, dass die gegenseitige Einkaufsnachbarschaft in den eng vernetzten Grenzregionen historisch gewachsen ist. «Aus dieser Gegenseitigkeit ist jedoch ein einseitiger Einkaufstourismus geworden, der durch das Fehlen gleich langer Spiesse zwischen den Marktteilnehmern gekennzeichnet ist», wird kritisiert.

Das Thema des Einkaufstourismus beschäftigt Bundesbern, weil auch grenznahe Kantone zu Deutschland wie Basel oder der Thurgau darunter leiden. Finanzministerin Keller-Sutter will deshalb Einkaufstouristen stärker zur Kasse bitten. Ab 2025 sollen im Ausland gekaufte Waren am Zoll bereits versteuert werden müssen, wenn der Betrag 150 Franken übersteigt. Bisher beträgt die Wertfreigrenze 300 Franken.

Verband fordert «klare Position»

Just die Halbierung der Wertfreigrenze hat etwa die Tessiner Regierung nicht überzeugt. Sie kritisierte diesen Schritt im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens, da er aus ihrer Sicht einzig die Interessen der Detailhändler, nicht aber jene der Konsumenten berücksichtige. Kurzum: Infolge von Inflation, steigenden Preisen und sinkender Kaufkraft dürften die Tessiner, die in Italien Einkäufe tätigten, nicht bestraft werden.

Diese Stellungnahme hat wiederum den Tessiner Detailhändlerverband Federcommercio erzürnt. Der Verband hätte von der Kantonsregierung eine «klare Position zugunsten des einheimischen Einzelhandels und zum Schutz der vielen Unternehmungen und Arbeitsplätze erwartet». Die Swiss Retail Federation ihrerseits hält eine Reduzierung der Wertfreigrenze von 300 auf 150 Franken nicht für ausreichend.

Bestehende Probleme könnten so nicht gelöst werden: «Nur eine Senkung der Wertfreigrenze auf 50 Franken wird den Einkaufstourismus wirksam reduzieren, adäquate Bedingungen für alle Marktteilnehmer schaffen und für einen fairen Wettbewerb in den Grenzregionen sorgen.»