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Aargauer Firmen blicken überraschend zuversichtlich in die Zukunft – doch wie lange noch?

Die Aargauische Industrie- und Handelskammer stellte am Mittwoch die Ergebnisse ihrer jährlichen Umfrage unter den Unternehmen im Kanton vor. Löhne stiegen, Stellen konnten besetzt werden, selbst die Maschinen- und Metallindustrie gab sich optimistisch. Doch: Trump war zum Umfragezeitpunkt noch kein Thema.

Überraschend optimistisch – so könnte man die Ergebnisse der Umfrage unter den Aargauer Unternehmungen zur Wirtschaftslage grob zusammenfassen. Im Januar hat die Firma Fahrländer Partner Raumentwicklung im Auftrag der Aargauischen Industrie- und Handelskammer (AIHK) die Firmen im Kanton befragt. Sie blickten auf das letzte Geschäftsjahr zurück, machten Aussagen zu ihrem aktuellen Wohlbefinden und gaben Einschätzungen über eine mögliche Zukunft.

Von den rund 2100 Mitgliederfirmen haben 448 geantwortet, mehr als im letzten Jahr. Mit der Rücklaufquote ist die AIHK zufrieden, die Umfrage sei repräsentativ.

Wie war das Geschäftsjahr 2024 für die Aargauer Firmen?

Nur drei Branchen berichten von einem überwiegend negativen 2024: Kommunikation, Textilien- und Lederwaren sowie Papierherstellung. Alle anderen schauen auf ein positives Jahr zurück, wenn auch unterschiedlich in der Ausprägung. Der Dienstleistungssektor schnitt besser ab als die Industrie.

Diese Branchen berichten Positives

Am zufriedensten waren Immobilienfirmen: Die Bevölkerung wächst und damit die Nachfrage nach Wohnraum. Positiv äussert sich auch die Elektroindustrie an zweiter Stelle. Das Gesundheits- und Sozialwesen, das in den Umfragen der Vorjahre zu den Verlierern gehörte, sieht 2025 «grundsätzlich optimistisch» entgegen.

Diesen Branchen geht es weniger gut

Innerhalb der MEM-Branche (Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie) gibt es grosse Unterschiede: Während Elektro obenaus schwingt, geht es der Maschinenindustrie mittelmässig und der Metallindustrie schlecht. Kleinere Unternehmen in diesen Bereichen schätzen die Lage schwieriger ein als grosse.

Besuch bei der der Alu Menziken Extrusion in Reinach.
Bild: Valentin Hehli

Wie steht es um die Exporte?

Chemie und Pharma bilden aktuell das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft, das ist im Aargau nicht anders. Rund die Hälfte der nationalen und der aargauischen Exporte entfallen auf diesen Bereich. Laut der letzten Erhebung 2023steuerte die Elektroindustrie rund 29 Prozent der Ausfuhren bei, die Metallindustrie 7 Prozent.

Fast alle Branchen im Aargau erwarten einen Anstieg bei den Exporten.
Grafik: zvg

Für 2025 erwarten nur zwei Branchen eine Verschlechterung: die Nahrungs- und Getränkeindustrie und der Bereich Kommunikation. Die Metallindustrie geht von einer Verbesserung der trüben Lage aus, Chemie und Pharma erwarten einen erneuten Zuwachs. Dies mindestens für das kommende Jahr: Was der Branche später widerfahren könnte, ist nicht einfach abzuschätzen. Die Pharmaindustrie sei stark von der Politik in den USA abhängig, heisst es im Bericht der AIHK. Sie könnte von den möglichen Zollerhöhungen Trumps «besonders stark betroffen sein».

Unter anderem Novartis führt in Stein, gleich an der Grenze zu Deutschland, eine grosse Produktionsstätte.
Bild: zvg

Was hat der Trump-Zollwirbel für einen Effekt?

Trump mache «schon ein wenig Sorgen», sagt AIHK-Direktor Beat Bechtold, «unter anderem, wenn man sieht, was er mit seinen Nachbarn macht». Man sei angespannt. Planbarkeit sei extrem wichtig für Unternehmen, «Unsicherheit ist Gift».

Mattia Farei-Campagna von Fahrländer Partner erklärte, kurzfristig ändere sich für die Aargauer Firmen nicht viel. Importe würden für die USA teurer, mittelfristig könnte das Land diese Importe ersetzen. Doch viele Unternehmen im Aargau seien Nischenproduzenten, stellen rare Dinge her, die man nicht ohne weiteres nachahmen könne. Und er rief in Erinnerung: Wichtiger für den Aargau sind die Nachbarländer, allen voran Deutschland.

Zuwanderung und das Verhältnis zur EU

In der Auswertung der Umfrageergebnisse weist die AIHK auf zwei kommende Volksabstimmungen hin: Die neuen Verträge mit der EU im Rahmender Bilateralen III, wohl 2028, und die «Nachhaltigkeitsinitiative» der SVP, die die Zuwanderung begrenzen will, voraussichtlich im nächsten Jahr.

«Der Aargau ist ein Grenzkanton mit hohem Industrieanteil», hebt die AIHK hervor. Sie liess ihre Mitglieder deshalb zur Bedeutung der ausländischen Arbeitnehmerschaft befragen. Das Ergebnis: Fast alle Branchen sind auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen, besonders die im Gesundheits- und Sozialwesen. «Ohne Fachkräfte aus dem Ausland sind die Spitäler nicht funktionsfähig», so Beat Bechtold.

Handelskammer-Direktor Beat Bechtold.
Bild: Alex Spichale

Auch der Detailhandel gab an, auf Arbeitnehmende aus dem Ausland angewiesen zu sein, ebenso Chemie und Pharma. Eine Sonderfrage der AIHK betraf zudem die Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen: 29 Prozent der Unternehmen beschäftigen sie bereits, die meisten im Bereich Detailhandel, Elektroindustrie, Bau und Energie. Viele Branchen seien aber skeptisch: Sprachprobleme, ein hoher Schulungsaufwand sowie «einschränkende Vorschriften» werden als Gründe genannt.

Im Bericht werden auch Zahlen zu den im Aargau gemeldeten Grenzgängern offenbart: Ende 2023 waren es 14’193 Personen. 81 Prozent stammten aus Deutschland, 16 Prozent aus Frankreich.

Wie steht es um die Arbeitsstellen im Aargau?

Die negative Wirtschaftsdynamik wirkt sich auf den Arbeitsmarkt in der Schweiz aus: Die Arbeitslosenquote ist gegenüber dem Vorjahr von 2 auf 2,4 Prozent gestiegen und es gab mehr Kurzarbeitsanträge. Die Firmen im Aargau aber berichten über eine Aufstockung des Personals: Plus 1,1 Prozent im Industrie- und plus 0,3 Prozent im Dienstleistungssektor. Erwartet worden war ein Minus von 1,3 respektive ein Plus von 0,2 Prozent.

Die Unterschiede waren je nach Branche aber gross: Chemie und Pharma beschäftigten 7,1 Prozent mehr Angestellte, während die Hersteller von Kunststoffwaren gut 10,5 Prozent abbauten. Letztere erwarten für 2025 einen weiteren Rückgang. Die Branche wirtschaftlicher Dienstleistungen hingegen einen Zuwachs.

Wie sieht es mit den Löhnen aus?

Die Löhne im Kanton stiegen laut Umfrage 2024 um 1,5 Prozent und übertrafen somit die Teuerung, die bei 1,1 Prozent lag. Für dieses Jahr wird ein Anstieg um 1,2 Prozent erwartet, bei einer viel tieferen Teuerung von 0,4 Prozent. Die Löhne in der Industrie sollen stärker wachsen als die im Bereich Dienstleistungen.

Langsame Baubewilligungen als Problem

Firmen, die im Aargau ausbauen wollen, finden immer weniger Platz. Zudem beklagen sie sich über langwierige Bewilligungsverfahren. 25 Prozent der befragten Unternehmen nennen dies als grösstes Hemmnis. Sie fordern eine Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren.

Während Brack Alltron (im Hintergrund) im Aargau keine Möglichkeit für ein grosses Warenlager fand und dieses in Willisau LU errichtete, baut der Rupperswiler Werkzeughersteller Urma in Mägenwil aktuell einen zweiten Standort (vorne im Bild).
Visualisierung: zvg

Standortqualität und Steuern im Aargau

Die Unternehmen schätzen den Standort Aargau leicht besser ein als im Vorjahr. Der Mangel an geeignetem Personal sei 2024 weniger arg gewesen, auch weil man zurückhaltender war bei der Schaffung neuer Stellen. Die Einschätzung der steuerlichen Attraktivität hat sich aber verschlechtert. Die AIHK setzt sich deshalb für die Steuergesetzrevision mit tieferen Firmensteuern im Aargau ein.

War die Umfrage eine optimistische Momentaufnahme?

Dass sich Industriefirmen eher optimistisch geäussert haben, überraschte die AIHK. Es könnte an der allgemeinen Entspannung im Energiebereich samt tieferen Strompreisen liegen. Aber auch am Zeitpunkt der Befragung im Januar: Die MEM-Industrie hatte sich gegen Ende 2024 leicht erholt und Trump trat sein Amt erst am 20. Januar an.

In den letzten fünf Jahren, in denen Beat Bechtold Handelskammer-Direktor ist, habe er aber auch beobachten können, wie «wahnsinnig resilient» die Aargauer Unternehmen seien. «Sie haben dauernd eine Herausforderung und antizipieren sehr vieles.»