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Zeugnisse vergangener Zeit – diese Geschichten schlummern in der Uerkner Kirche

In der reformierten Kirche in Uerkheim erzählen zwei Grabtafeln von Schicksalsschlägen und Geschichten aus vergangener Zeit.

Im November 1687 trat Johann Antoni Koch sein Amt als Pfarrer in Uerkheim an. Er blieb 20 Jahre im Amt. Seine Frau Elisabeth Malacrida stammte aus einer vornehmen Tessiner Familie, die nach Bern geflüchtet war. Zwei Jahre nach Johann Antoni Kochs Eintritt ins Pfarramt, kam 1689 die gemeinsame Tochter zur Welt. Sie wurde, wie die Mutter, auf den Namen Elisabeth getauft. Im Taufrodel findet sich der entsprechende Eintrag: «1689, am 16. April, Elisabeth Eltern: Johann Antoni Koch, Pfarrer in Uerkheim, Fr. Elisabeth Malacrida»

Historische Gräber in der Region

Unsere Region hat historisch einiges zu bieten. Ob alte Gräber, Grabtafeln oder ein Friedhof aus dem 13. Jahrhundert. Wer waren die Menschen, an die die Grabsteine erinnern? Die Geschichten dieser Menschen erzählt die Serie «Historische Gräber in der Region». Bereits erschienen: Die drei Ringiers in der Zofinger Stadtkirche – und was das mit dem Heiternplatz zu tun hatEin Herz für die Schwachen: Jakob Dietschi – der Aarburger Volkspfarrer 

Ein Vermerk über dem Namen des Kindes zeugt von der Tragödie, die der Familie nur ein Jahr später widerfuhr: «obiit 1690»; ist gestorben 1690. Im Sterberegister heisst es: «Am 8. Aug. (1690) ist Elisabeth Koch, mein, des Pfarrers, Töchterlein, … selig in Gott entschlafen.»

Ein weiterer Schicksalsschlag für den Pfarrer

Fünf Jahre nach dem Tod der Tochter ereilte Johann Antoni Koch der nächste Schicksalsschlag. Mit nur knapp 30 Jahren verstarb seine Frau Elisabeth.

«Am 2. April ist meine liebste Ehegemahlin Fr. Elisabeth Malacrida … nach 7-tägiger Krankheit … getrost in Christo Jesu ihrem lieben Heiland entschlafen. Und bei ihrem Töchterlein in der Kirche im Chor begraben worden», lautet der Eintrag im Sterberegister.

Bis heute erinnert die Grabtafel auf der linken Seite im Chor der Uerkner Kircher an Mutter und Tochter. Darauf ist zu lesen: Elisabeta Malacrida an Rippenfellentzündung gestorben am 2. April 1695 im Alter von 29 Jahren und 9 Monaten, nachdem sie aufrichtig an ihrem Erlöser im Glauben, am Ehemann in Treue und an den Kindern in Liebe gehangen hatte. Ihr ging im Tode voran die selige Elisabeta, die Tochter, am 8. August 1690 im Alter von 16 Monaten. Für die beiden darunter Bestatteten hat dieses Epitaph aus Liebe gesetzt der traurige Gatte Vater. In stiller Hoffnung, Johann Antoni Koch, Pfarrer.

Die Grabtafel erinnert an Elisabeth Malacrida und ihre Tochter, die ebenfalls Elisabeth hiess.
Bild: Rafael Hüssy

Ein Reisebummel nach Uerkheim

Eine weitere Grabtafel in der Uerkner Kirche erinnert an die Berner Patrizierin Johanna Esther von Erlach. In einem im Jahr 1912 in den Blättern für bernische Geschichte, Kunst und Altertumskunde erschienenen Bericht von William Augustus Brevoort Coolidge – der britische Staatsbürger war Theologe und Historiker – sind einige Informationen zu Johanna Esther von Erlach zu finden.

«Anlässlich eines Reisebummels machten wir von Zofingen einen kleinen Abstecher nach dem Dorfe Uerkheim, um der auf einem kleinen Felsen stehenden alten, lieblich gelegenen Pfarrkirche unsern längst geplanten Besuch abzustatten», beginnt William Augustus Brevoort Coolidge den Bericht. Das Alter der dem heiligen Sylvester geweihten Kirche sei nicht genau bestimmbar. Urkundlich werde sie bekanntlich zum ersten Mal 1159 erwähnt (Papst Hadrian bestätigt dem Kloster Muri den Besitz der Uerkheimischen Kirche).

Weiter beschreibt William Augustus Brevoort Coolidge, wie die Reisegruppe den Grabstein entdeckte: «Nach Inansichtnahme der prächtigen Glasgemälde […] bemerkten wir am Boden einen massiven eichenen Laden, der unsere ganze Aufmerksamkeit fesselte, weil wir darunter die unterirdische Treppe einer Kripta vermuteten. Als wir ihn abhoben, kam der in einer kleinen Vertiefung ruhende, äusserst gut erhaltene flache, viereckige Grabstein einer Berner Patrizierin zum Vorschein.»

Am Rand des Steines entdeckte die Reisegruppe folgende Worte: «Hier ligt Begraben die Edelgeborene Ester von Erlach starb an Ihrem Namenstag den 4 Herbstmonat 1738 Ihres Alters 81 Jahre 3 Monate.» Unter dem Stammwappen steht geschrieben: «Von Erlach war mein Stam, Zum Tauff ich Ester heisste, Drey Männer ich mir nam, Die Gottes Hand mir weisste, Von Tscharner, Grafenriedt Und Stürlerischem Hauss, Jetzt werd ich geschmückt fürs viert Mit Jesu Hochzeitsstrauss, Für Schmertzen die mich Fort, Mit Ohnmuth abgekränckt, Er mir im Freuden Port Die Palmen Cron geschenckt.»

Die Grabtafel erinnert an die Berner Patrizierin Johanna Esther von Erlach.
Bild: Rafael Hüssy

So kam Johanna Esther von Erlach in den Aargau

Herr Prof. Dr. H. Türler, Staatsarchivar in Bern, konnte damals Aufschluss geben über das Leben von Johanna Esther von Erlach. Sie war die Tochter von Susanna Dorothea von Erlach und des Gutsbesitzers Hans Rudolf von Erlach. Der Vater verkaufte seine Herrschaften Riggisberg (1687) und Rümlingen (1680). In erster Ehe heiratete Johanna Esther von Erlach Johann Rudolf von Tascharner. Von ihm stammt ihr erster Sohn Siegmund. Noch im Jahr der Hochzeit verlor sie ihren Mann. Mit ihrem zweiten Ehemann Rudolf von Graffenried hatte sie vier Kinder. Doch auch diese Ehe war nicht für die Ewigkeit bestimmt. Schliesslich heiratete sie ihren letzten Ehemann, Gabriel Stürler. Die beiden bekamen sechs Kinder.

Gabriel Stürler zog in fremde Kriegsdienste und starb in den 1730er-Jahren in Lauterbrunnen. Danach führt die Spur der Berner Patrizierin erstmals in den Aargau. Da Johanna Esther von Erlach fortan allein war, hat sie wahrscheinlich bei ihrem Sohn Beat Friedrich, Landschreiber in Aarburg, Unterschlupf gefunden. Denkbar ist, dass dieser seine Mutter beim Pfarrer in Uerkheim in Pflege gab.

Im Innern der Kirche herrscht eine warme Atmosphäre.
Bild: Rafael Hüssy