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1000 Jahre dokumentierter Weinbau im Aargau – was sich in dieser Zeit alles verändert hat

Die Anfänge des Aargauer Weinbaus lassen sich zwar bis in die Römerzeit zurückverfolgen, schreibt Weinakademiker Markus Fuchs vom Branchenverband Aargauer Wein. Urkundlich wurde der Rebbau im Kanton aber erst 1023 erwähnt. In einem Gastbeitrag erinnert er an die Rückschläge und den Wiederaufstieg der hiesigen Weinkultur.

Urkundlich wurde der Rebbau im Aargau erstmals im Jahr 1023 erwähnt – vor exakt 1000 Jahren. In der «Acta Murensia», ein Dokument über die Gründung und die Entwicklung des Klosters Muri, finden sich schon detaillierte Schilderungen über die Rechte und vor allem Pflichten der Bauern, welche die Reben im Auftrag des Klosters bewirtschafteten.

Die Anfänge des Aargauer Weinbaus lassen sich jedoch bis in die Römerzeit zurückverfolgen. Auch wenn es keine schriftlichen Belege dafür gibt, kann man aufgrund von Spuren von Trauben bei Ausgrabungen sowie Funden von Vasen, Schalen und Trinkgefässen in den Römerlagern von Windisch, Augst und Zurzach auf Weinanbau schliessen. Ausserdem scheint es gesichert, dass die Römer ihre Trinkkultur im restlichen Europa verbreitet haben und in der Provinz nicht abstinent wurden. Naheliegend ist auch, dass der Wein im Umfeld des Legionärslagers Vindonissa nicht in den benötigten Mengen mühsam aus Italien angeschleppt worden ist.

Flächenausdehnung bis zum 19. Jahrhundert

Es waren die Klöster und der Adel, die den Weinbau im Aargau in der Neuzeit bis zum 19. Jahrhundert vorangetrieben haben. Die Rebflächen wurden laufend ausgedehnt und erreichten 1881 mit 2681 Hektaren einen Höchststand, der sogar die Anbaufläche im Wallis um rund 350 Hektaren übertraf.

Der grossflächige Weinanbau entsprach dem damaligen Weinkonsum. Dieser überstieg im Mittelalter und in der frühen Neuzeit den heutigen Konsum massiv. Im späten 19. Jahrhundert stand das Sechsfache der aktuellen Rebfläche zur Verfügung, bei einer Bevölkerung, die etwa einen Drittel der heutigen ausmachte. Jedoch kann der damalige Wein nur bedingt mit dem heutigen verglichen werden, wurde er doch üblicherweise mit Wasser gestreckt oder mit anderen Substanzen versehen. Zudem war der Alkoholgehalt wesentlich tiefer als heute.

Rückschläge und Wiederaufstieg

Nach 1881 ging die Anbaufläche im Aargau stark zurück. Sie fiel zu Beginn des 20. Jahrhunderts rasch unter die Grenze von 1000 Hektaren. Einer der Hauptgründe dafür war die Reblaus, ein Schädling, der aus Nordamerika nach Europa eingewandert ist. Von diesem war der Aargau viel stärker betroffen als beispielsweise das weitgehend alpengeschützte Wallis.

Bis 1920 griff die Reblaus auf fast das gesamte Kantonsgebiet über und zerstörte die Reben. Zusätzlich zur Reblaus kamen weitere Schädlinge wie der Traubenwickler sowie Pilzerkrankungen wie der echte und falsche Mehltau hinzu. Massnahmen, um diese Epidemien zu bekämpfen, kamen zu spät. Missernten, die billigere Konkurrenz aus dem Ausland sowie die zunehmende Popularität von Spirituosen trugen weiter zur schlechten Entwicklung bei.

Ab Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgte der Wiederaufbau des aargauischen Weinanbaus, jedoch nicht ohne Rückschläge. Zusätzlich zur Verbesserung der Kulturmethoden durch Rebveredelung und gezielte Sortenwahl wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Kostensenkungen und Ertragssteigerung durch die Erstellung von Weganlagen, Wasserzuleitungen und Entwässerungen erzielt.

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft sowie die fehlenden Arbeitskräfte während des Zweiten Weltkriegs und in den Nachkriegsjahren bedeuteten jedoch einen weiteren Rückschlag. Die Anbaufläche erreichte 1962 mit 226 Hektaren einen Tiefpunkt. Erst ab Mitte der 70er-Jahre ging es wieder langsam aufwärts. Mehrere Faktoren wie die Umstellung vom arbeitsintensiven Stickelbau auf Drahtrahmenerziehung, die verbesserte Ausbildung der Winzer oder neue Methoden der Bodenbearbeitung waren dafür verantwortlich.

«Aargauer Wein» – ein Qualitätslabel

Mit einer Rebfläche von knapp 400 Hektaren ist der Aargau heute hinter den Kantonen Zürich, Schaffhausen und Graubünden der viertgrösste Deutschschweizer Weinbaukanton. Zwei Drittel der Rebfläche sind mit blauen Sorten bestockt, ein Drittel mit weissen Trauben. Der Kanton verfügt über eine grosse Weinvielfalt. Die Hauptsorten sind der Blauburgunder und der Riesling-Sylvaner; daneben werden weit über 60 weitere Sorten angebaut.

Die topografische Vielfalt, die unterschiedlichen Bodenverhältnisse entlang von Flüssen und Seen oder an den Jurahängen sowie die mikroklimatischen Gegebenheiten führen dazu, dass der Weinbau im Aargau vor allem aufgrund seiner Vielfalt den Anspruch erheben kann, in der Deutschschweiz einzigartig zu sein. Für ein gutes Image und eine vortreffliche Qualität der Aargauer Weine wurde in den letzten Jahren viel unternommen. Das wird auch in den nächsten 1000 Jahren so bleiben.

* Der Autor Markus Fuchs ist Weinakademiker und Vorstandsmitglied des Branchenverbandes Aargauer Wein

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