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Aargauer Robin Gemperle ist im Extrem-Velorennen durch Europa diese Woche auf Siegeskurs

Vor einem Jahr hat der 27-jährige Architekturstudent aus der Region Aarau erstmals am Transcontinental-Velorennen teilgenommen. In nur zehn Tagen fuhr er von Belgien bis Bulgarien, war lange unter den Top 3, ehe er wegen Zwischenfällen «nur» Siebenter wurde – von 214. Dieses Jahr peilt er den Sieg an. Es sieht sehr vielversprechend aus.

Dienstagmorgen nach 9 Uhr schickt Robin Gemperle eine Sprachnachricht – aufgenommen während der Fahrt, natürlich. Ausser Atem scheint er nicht. Er wirkt locker, man hört Kuhglocken im Hintergrund, hie und da mal ein Auto. Der 27-jährige Architekturstudent aus der Region Aarau ist zu dieser Zeit gerade mit seinem Fahrrad in den Alpen unterwegs.

Begonnen hat seine lange Reise aber im belgischen Geraardsbergen am Montag um Mitternacht. In 25 Stunden ist er 704 Kilometer weit gefahren, bis an den Vierwaldstättersee, wo er bei Buochs NW übernachtete. Pausiert hat er nur drei Mal je fünf Minuten. Das zeigen die Daten von seinem GPS-Gerät: Alle 310 gestarteten Extrem-Velorennfreaks oder Ultrabiker – es fehlen einem effektiv die richtigen Worte für diese noch relativ neue Erscheinung – tragen ein solches Ortungsgerät bei sich.

Dies ist eine der Regeln des Transcontinental Race, das nun zum neunten Mal quer durch Europa stattfindet. Die Teilnehmenden sind alleine unterwegs, dürfen keine Hilfe annehmen, planen ihre Route zwischen den wenigen Checkpoints und vereinzelt vorgegebenen Passstrecken selbst. Online kann man direkt mitverfolgen, wo sie gerade sind oder wie lange sie angehalten haben.

Die Reise wird noch lange dauern, Ziel ist das griechische Thessaloniki. Robin Gemperle will dort nach Plan am 1. August ankommen, wie er sagt. Das sind knapp neun Tage für rund 3500 Kilometer. Ganz locker, könnte man ironisch meinen, liegen dazwischen ja doch lediglich die Alpen und der Balkan.

Schon beim ersten Versuch letztes Jahr schaffte er fast die Sensation

Es ist das zweite Mal, dass Robin Gemperle an diesem verrückten Rennen teilnimmt. Letztes Jahr führte es von Belgien bis nach Bulgarien ans Schwarze Meer. Knapp zehn Tage brauchte er dafür. Noch in den ersten Tagen war der in der Szene bis anhin Unbekannte stets unter den ersten Drei klassiert, mindestens ein Podestplatz galt als praktisch sicher.

Noch unerfahren aber hatte er sich nicht bis aufs letzte Detail vorbereitet: Zwischen seinen Beinen tat sich unterwegs eine riesige Fleischwunde auf, Compeed-Pflaster oder ein zweites Paar Hosen hatte er nicht dabei und auch keinen weiteren Ersatzschlauch. Mit dem Veloflicken verlor er wertvolle Zeit. Zu guter Letzt wurde er unterwegs auch noch von einem Hund gebissen, kam am Schluss immerhin noch als Siebenter ins Ziel – von insgesamt 214 klassierten.

Viereinhalb Stunden Schlaf, «das ist recht viel»

Robin Gemperle hat seine Lehren daraus gezogen: Compeed-Pflaster hat er diesmal zum Beispiel genug dabei, wie er letzte Woche vor dem Rennen ankündigte. Dazu einen neuen, auf ihn angepassten Sattel. «Eine weitere Erkenntnis vom letzten Mal ist, dass ich nicht übertreiben sollte», sagt er nun während der Fahrt. «Mein Plan ist, wirklich genug zu schlafen.» Für ihn bedeutet das: viereinhalb Stunden, mindestens in den ersten beiden Nächten. «Das ist recht viel für so ein Rennen. Aber ich bin überzeugt, dass das richtig ist.»

Dies hat er bisher tatsächlich umgesetzt: In der ersten Nacht schlief er laut GPS sogar gut sechs Stunden, seine beiden nächsten Kontrahenten nur etwas mehr als zwei respektive knapp vier. Robin Gemperle konnte in dieser ersten Etappe ein wenig auf Heimvorteil zählen durch Strecken, die er teils gut kennt. Der ersten von vier Checkpoints, den Passo dello Spluga, erreichte er am Dienstagabend im Führungstrio mit dem erfahrenen österreichischen Vorjahressieger Christoph Strasser, der eine etwas schräge Route einschlug und Zeit verlor, und dem Franzosen Florian Moreau etwas weiter hinten.

Der Mitgestalter der geplanten Holzstege an der Aare

Für Robin Gemperle ist es erst das dritte, grosses Rennen, an dem er teilnimmt. Im Februar gewann er das Atlas Mountain Race in Marokko, wo er innert 20 Stunden über 20’000 Höhenmeter bewältigte, wie der «Tages-Anzeiger» in einem Porträt schrieb. Erst gerade vor einem Monat brach er beim «Hope 1000»-Rennen von Romanshorn nach Montreux den Streckenrekord.

Ein Sieg liegt diesmal auch beim Transcontinental Race drin. Doch er sagt: Christoph Strasser zu knacken, werde schwierig. Bisher läuft es sehr gut. Sein Rezept: «Ich bin gut darin, kurze Pausen kurz zu halten und lange Pausen solid zu nutzen.» Dann achte er einfach darauf, «technisch effizient vorwärts zu kommen».

Gross geworden ist Robin Gemperle beim RC Gränichen, mit 16 fuhr er im Mountainbike-Team vom mehrfachen Weltmeister und Olympiasieger Nico Schurter. Ansonsten ist er, nebst dem Studium an der ETH, auch als DJ unterwegs. In Aarau organisiert er Gastroanlässe im Rahmen des «Klub Fritto Misto» mit. Dazu arbeitet er mit Architekt Sebastian Baumann an der geplanten Aufwertung des Aareufers mit Holzstegen.