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Mit frisiertem E-Scooter haarscharf an Freiheitsstrafe vorbeigeschrammt

Auch monetär kommt ein vorbestrafter 39-Jähriger am Bezirksgericht Baden verhältnismässig glimpflich davon. Dieser beharrte auf seiner Unschuld – und beschuldigte die Polizei, das E-Trottinett manipuliert zu haben.

Im September 2021 hatte Said (Name geändert) einen E-Scooter mit 500 Watt Motorleistung und einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h erworben, der ohne Führerausweis und Nummernschild gefahren werden darf. Vier Tage später war er mit knapp 40 km/h von der Polizei kontrolliert worden. Er habe, wurde Said vorgeworfen, den Motor auf höhere Leistung manipuliert.

Da somit Fahrausweis, Nummernschild, Haftpflichtversicherung und Führerschein vonnöten gewesen wären, hatte Said sich vor dem Gesetz mehrerer Vergehen schuldig gemacht. Überdies war er der Widerhandlung gegen das Waffengesetz beschuldigt, weil er ein Nunchaku, eine auch als Würgeholz bezeichnete japanische Kampfkunstwaffe, mit sich geführt hatte.

Vor Gericht schwebt über dem 39-jährigen Maghrebiner – dunkle Haut, schwarzer Bart, Piercings und ein Schrank von einem Mann – ein Damoklesschwert in Form der Strafanträge des Staatsanwaltes: sechs Monate Freiheitsstrafe unbedingt, 1000 Franken Busse sowie der Widerruf des bedingten Erlasses von drei verhängten Geldstrafen aus den Jahren 2019 und 2020 in einer Gesamthöhe von nicht weniger als 21’720 Franken.

Said tritt in Begleitung seiner um einige Jahre älteren Ehefrau vor Einzelrichterin Angela Eckert. Sehr schnell wird klar, dass Said der deutschen Sprache nur marginal mächtig ist. Bereits auf die Frage der Richterin, ob er die Anklageschrift gelesen und verstanden habe, geht er nicht ein: «Ich weiss nicht, worum es geht, weil ich die Wörter nicht verstehe.»

Bei einem Aufenthalt in seiner Heimat war er überfallen und mit einem Messer übel zugerichtet worden. «Seit ich im Koma lag, bin ich völlig durcheinander.» Eckert hält Said geduldig vor, was die Polizei damals festgestellt hatte und wie er dafür bestraft werden soll.

«Der hat mich behandelt wie einen Hund»

Schliesslich kommt der Beschuldigte in Fahrt. In unfertigen Sätzen, gespickt mit schwer verständlichen Ausdrücken, betont er immer wieder seine komplette Unschuld. Er habe gar nichts manipuliert. Bergab sei das Zweirad schon schnell gefahren, aufwärts habe er es hingegen stossen müssen.

Er habe den Verkäufer zwar gefragt, ob man den Scooter auch schneller machen könne – wie das geht, habe der Mann ihm aber nicht gesagt. «Ich bin kein böser Mensch, ich habe nichts getan.» Den Hinweis der Richterin, immerhin sei er 2019 in Bern einmal und 2020 hier in Baden zweimal rechtskräftig verurteilt worden, ignoriert Said.

Als das Thema der Polizei angeschnitten wird, wandelt sich sein weinerlicher Tonfall aufgebracht in zornige Anschuldigungen, insbesondere an den, wie er ihn bezeichnet, «Gruppenleiter» der Beamten: «Der hat mich behandelt wie einen Hund, mich am Hals gepackt und Scheissausländer gesagt. Der hat den Scooter beim Kontrollieren selber manipuliert.»

Von Richterin Eckert auf das mitgeführte Nunchaku – in der westlichen Welt bekannt geworden durch Bruce Lee – angesprochen, gibt Said an, er brauche dieses für sein Training. «Ich bin kein Krimineller. Ich habe nie etwas Schlimmes gemacht», waren seine letzte Worte, bevor sich Richterin und Schreiberin zur Urteilsberatung zurückzogen.

Auf dem Korridor erläutert ihm seine Frau erneut die Anklagepunkte und den Strafantrag Wort für Wort. Said hört kaum zu, beharrt auf seiner Unschuld und wettert wütend über den «Gruppenführer», während er sich Tränen aus den Augen wischt.

Richterin Angela Eckert spricht den 39-Jährigen in allen Punkten schuldig gemäss Anklage und widerruft die drei bedingten Geldstrafen. Sie verurteilt Said zu einer Gesamtstrafe von 180 Tagessätzen à 30 Franken (5400 Franken) unbedingt, 1000 Franken Busse sowie zur Bezahlung der Nebenkosten in Höhe von 3274.50 Franken. Die Geldstrafe fällt trotz der hohen Summe der drei widerrufenen tief aus, weil die Anzahl Tagessätze laut Gesetz nicht mehr als 180 betragen darf.