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Nur ein Securitas-Mitarbeiter machte den Gefangenentransport – doch das sei nicht das Problem, sagt ein Polizist

Dass ein Gefangener bei einem Transport fliehen konnte, wirft Fragen auf. Politiker sind sich besonders bei einem einig: Die Anzahl Transporte sollte verringert werden.

Ein 23-jähriger Häftling ist am Donnerstagmorgen in Baden kurz vor dem Einstieg in ein Gefangenenfahrzeug geflüchtet. Der Mann trug Handschellen, aber keine Fussfesseln. Trotz sofortiger Fahndung und einem Aufruf an die Bevölkerung konnte der Mann bisher nicht gefunden werden.

Einiges deutet darauf hin, dass der Mann Komplizen hatte. Dies kann die Kantonspolizei zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar nicht bestätigen, da die Ermittlungen laufen. Es ist jedoch schwer vorstellbar, wie der Geflüchtete in Baden entkommen konnte, ohne dass ein Fluchtfahrzeug oder Ähnliches auf ihn gewartet hat.

Dieser Mann wird von der Kantonspolizei Aargau gesucht.
Bild: Kantonspolizei Aargau

Pascal Wenzel, Mediensprecher der Kantonspolizei, bestätigt, dass der Gefangenentransport von einem Mitarbeiter der Securitas durchgeführt wurde. «Der Transport wurde von einer Person durchgeführt», sagt Wenzel. Das sei üblich aufgrund der Vielzahl an Verlegungen, Zuführungen und Transporten. Der Häftling habe noch vor dem Einstieg in den Gefangenenbus, im Bruchteil einer Sekunde, die Flucht zu Fuss ergriffen und sei davongerannt. «Er wurde durch den Mitarbeiter zu Fuss verfolgt und es wurde umgehend eine Grossfahndung unter Einsatz mehrerer Diensthunde eingeleitet.»

Schon vor drei Jahren floh ein Gefangener

Die Polizei hat nach dem Aufruf in den Medien Hinweise aus der Bevölkerung erhalten. «Diese werden überprüft, nähere Informationen können wir aktuell nicht geben», sagt Wenzel. Am Freitagabend meldete Tele M1, dass im Gebiet der Lägern ein grosser Polizeieinsatz mit Helikopter im Gang sei. Demnach habe es einen Hinweis gegeben, dass sich der Flüchtige dort aufhalten könnte.

Der Vorfall in Baden war nicht der erste dieser Art: Im Oktober 2022 machte der Fall eines Tunesiers Schlagzeilen, dem am Bahnhof Aaraubeim Aussteigen aus einem Gefangenentransporter die Flucht gelang. Er soll mittlerweile in seiner Heimat sein, wie der Mann selbst gegenüber dem«Blick»erzählt haben soll.

Die Verlegung von Gefangenen kann unterschiedliche Gründe haben, etwa eine Unterbringung an einem neuen Ort, medizinische Abklärungen oder Fahrten zum Gericht. Das Thema beschäftigt derzeit auch die Politik. So forderte die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rats den Regierungsratin einem Postulat dazu auf, zu prüfen,mit welchen Massnahmen die Transporte reduziert werden können. Dies sieht SVP-Grossrat Roland Vogt, der selbst Polizist ist, als wichtige Massnahme: «Gerade bei der Hafterstehungsfähigkeit benötigt es dringend Anpassungen. Die aktuelle Lösung ist nicht zielführend», sagt er.

SVP-Grossrat Vogt: «Securitas macht guten Job»

Zwei Fluchten, beide Male wurde der Transport von Securitas durchgeführt. Doch Vogt sagt: «Wenn man bedenkt, dass im Aargau rund 4200 Gefangenentransporte pro Jahr durchgeführt werden und in den letzten drei Jahren zwei Personen fliehen konnten, liegt das Problem nicht beim Personal.» Die Securitas mache sicher einen guten Job und erledige ihren Auftrag nicht schlechter als die Polizei. «Aber jede Flucht ist eine Flucht zu viel und löst in der Bevölkerung selbstverständlich Ängste aus.» Die Anfrage der AZ bei Securitas für eine Stellungnahme blieb am Freitag unbeantwortet.

Auch dass nur eine Person den Transport durchführte, sei nicht grundsätzlich ein Problem, sagt Vogt: «Jeder Fall muss einzeln beurteilt werden. Generell bei jedem Transport zwei Personen einzusetzen, ist unnötig, benötigt zu viel Personal und verursacht unnötig Kosten.» Es gelte, das Risiko richtig einzuschätzen.

Dass Private die Kantonspolizei bei den Gefangenentransporten unterstützen, ist zwar gesetzlich erlaubt, hat aber auch schon zu Kritik geführt. So hatteSP-Grossrätin Lelia Hunziker dies bereits 2022 als «stossend und heikel» bezeichnet. Das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte kommt in einerStudiezum Schluss, dass die Zulässigkeit der Auslagerung von Gefangenentransporten «zumindest als problematisch, wenn nicht gar widerrechtlich» einzuordnen sei, weil Gefangene während des Transports unter anderem gefesselt werden. Dabei handelt es sich um eine Zwangsmassnahme.

Die SVP forderte 2023,eine polizeiliche Sicherheitsassistenz einzuführen, um die Polizei bei Aufgaben wie Gefangenentransporten zu entlasten. Ob es tatsächlich so weit kommt, ist noch offen, das Geschäft ist in Prüfung.