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Schon vor 200 Jahren galt: Je exotischer die Pracht im Garten, desto besser

Am Sonntag steht anlässlich des 75-Jahr-Jubiläums von Bioterra die Gartentür beim Kölliker Strohdachhaus offen. Museumsgärtner Urs Imhof pflegt hier einen Bauerngarten, wie er in den Anfängen des Strohdachhauses wohl ausgesehen hat. Und das birgt einiges an Überraschungen.

Rote Geranien auf den Fensterbänken, Kartoffeln, Rüebli und Zwiebeln im Garten, daneben ein paar Sonnenblumen – so stellt man sich einen Schweizer Bauernhof samt Garten vor. Das wirkt vertraut, das wirkt ursprünglich, als wäre es immer so gewesen. Einheimisch, urschweizerisch halt. Urs Imhof lächelt und schüttelt den Kopf. Rote Geranien kommen aus Südafrika, Kartoffeln aus Südamerika, orange Rüebli aus Afghanistan, Zwiebeln aus Zentralasien und Sonnenblumen aus Nordamerika.

In Urs Imhofs Museumsgarten beim Strohdachhaus in Kölliken kann man viel lernen. Natürlich wachsen hier all die Genannten; Kartoffeln, Zwiebeln, Sonnenblumen, manches von ProSpecieRara, vieles selbst gezogen; sie gehören fest in diesen Museumsgarten. «Hier wächst, was auch bei der Entstehungszeit dieses Strohdachhauses in Bauerngärten gewachsen ist», sagt Imhof, also ab dem Jahr 1802. Aber ja, es sei schon eindrücklich, wie wenig effektiv einheimisch sei, insbesondere auch bei den Blumen.

Die «Albertine»-Rose beim Eingangstor wuchs ursprünglich vor dem Bürogebäude auf dem Kölliker FAMA-Areal, der alten Stoffbandfabrik. Urs Imhof hat vor dem Abbruch einen Trieb gerettet.
Alex Spichale

«Als Vorbilder für die Bauerngärten dienten die barocken Schlossanlagen und Gärten der Herrschaftshäuser», sagt Imhof. Symmetrisch angelegte Beete mit akkurat gestutzten Buchsbaumhecken waren der letzte Schrei. Und was da bei den Mehrbesseren so blühte, wollte man auch haben; je exotischer und farbenfroher, desto besser. Fündig wurden bereits unsere Vorfahren in den Katalogen niederländischer Blumenhändler.

So blüht und gedeiht hier, was damals wie heute Freude macht: Strauchpäonien aus China, Nachtkerzen aus Nordamerika (früher als Gemüse gezüchtet), Eibisch aus Russland, Meerrettich aus Osteuropa, Mondviolen aus Südeuropa.

Ein Blick in die exotische Vergangenheit

Den Museumsgarten 1991 angelegt hat Ruedi Lüthi, Spezialist für naturnahe Gärten. Er habe damals viel Literatur gewälzt, um sich in die botanischen Gebräuchlichkeiten von vor rund 200 Jahren zurückzuversetzen. Und er bestätigt, was Imhof sagt: «Der Bauerngarten war schon im vorletzten Jahrhundert mehr Prestigesache denn Nutzgarten. Er war was fürs Auge – und ein Zeichen dafür, was sich der Bauer alles leisten konnte.» So, wie die Familie Suter, die «Sauzmes», die das Kölliker Strohdachhaus besassen. Das Gemüse schliesslich wuchs auf dem Feld, die Heilpflanzen wuchsen in den Klostergärten, Teepflanzen sammelte man im Jura. «Was aber durchaus angepflanzt wurde, waren Gewürze; Peterli oder Schnittlauch beispielsweise.»

Diese Stangenbohne, eine alte Sorte aus dem Suhrental, hat die Gluthitze der letzten Woche nicht überstanden.
Alex Spichale

Auch wenn der Museumsgarten einen Blick in die Vergangenheit geben soll, verändert er sich nach aktuellen Bedingungen. Die ursprünglich gepflanzten Buchsbäume mussten vor ein paar Jahren ausgegraben und durch Lavendel ersetzt werden – dem Buchsbaumzünsler und einem Pilz wegen, der im feuchtwarmen Wetter herrlich gedieh. Jetzt setzen die Trockenheit und die Hitze der letzten Wochen gewissen Pflanzen arg zu. Die Stangenbohne beispielsweise, eine historische Sorte aus dem Suhrental, stirbt ab 35 Grad. Auch die Schlitzblättrige Karde, deren stacheliges Köpfchen man früher für das Kardieren von Wolle gebraucht hat, ist früh verdorrt. Andere hingegen profitieren: Der Nussbaum ist explodiert, der Jerusalemsalbei ebenfalls.

Das stachelige Köpfchen der Schlitzblättrigen Karde wurde früher für das Kämmen von Wolle benutzt. Heute lieben es die Vögel als Futterquelle, insbesondere auch im Winter.
Alex Spichale

«Die Spritzkanne ist aktuell mein wichtigstes Arbeitsinstrument», sagt Imhof. Auch rettet er Saatgut alter einheimischer Pflanzen, die aktuell so leiden. Und doch sagt er, dass das eben auch der Lauf der Dinge sei. «Man kann nicht erzwingen, dass eine Pflanze wächst. Man muss mit der Natur arbeiten.»

Bio-Pioniere aus Kölliken

«Mit der Natur arbeiten», das hat in Kölliken eine lange Tradition: Der Museumsgarten ist einer von verschiedenen, der nach Richtlinien von Bioterra (ehemals SGBL, Schweizerische Gesellschaft für biologischen Landbau) gepflegt wird, also ohne jeglichen Kunstdünger oder Pestizide.

Ruedi Lüthi, der noch immer den Obstgarten und die Umgebung beim Strohdachhaus betreut, ist Präsident der Regionalgruppe Aarau/Olten/Zofingen. «Als vor rund 50 Jahren die chemischen Spritzmittel aufkamen, haben sich zwei Kölliker Bauern geweigert. Zwei Biobauern in einem Dorf, das war viel damals», sagt Lüthi. Damals für diese Einstellung belächelt, sieht die Welt heute anders aus. «Trotzdem ist es wichtig, den Mitmenschen immer wieder den Gedanken des biologischen Anbaus zu erklären und sie darauf zu sensibilisieren.» Einer dieser Pioniere, Samuel Vogel, wird am Sonntag, anlässlich des 75-Jahr-Jubiläums von Bioterra, im Museumsgarten von den Anfängen des Biolandbaus in Kölliken berichten.

Am Sonntag, 21. August, wird beim Strohdachhaus Kölliken zusammen mit dem «Offenen Museumsgarten» von 14 bis 17 Uhr das Jubiläum von 75 Jahren Bioterra gefeiert.

Eine Woche später, am Wochenende vom 27. und 28. August, öffnen schweizweit elf Sortenerhalterinnen und Sortenerhalter von ProSpecieRara ihre Gärten. Im Aargau sind dies Verena Tüscher, Buchs, und Eva Zurlinden, Wildegg. Die Sortenerhalterinnen geben Auskunft darüber, wie man Saatgut gewinnt und wie eine nachhaltige Absicherung einer Sorte gelingt. Infos zu diesen Gärten auf www.prospecierara.ch/kalenderAuf der mitunter von Bioterra und ProSpecieRara getragenen Plattform www.offenergarten.ch finden sich zudem Dutzende weitere Gärten, die an diesem Wochenende ihre Gartentüren zum Besichtigen öffnen.