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Der aus dem Chaos kommt: Lausanne spielt «deutschschweizerischer» als jedes andere NL-Team – ein gefährlicher Gegner für die ZSC Lions

Am Dienstag beginnt in der National League der Playoff-Final. Vielleicht ist doch nicht alles so klar wie es statistisch scheint.

Die ZSC Lions sind in den wesentlichen Playoff-Statistiken besser als Lausanne und haben die Qualifikation mit 18 Punkten Vorsprung auf Lausanne (3.) gewonnen. Noch Fragen?

Offenbar. Jedenfalls weckt dieser Final Interesse bis an die amerikanische Westküste. Dort lebt Dr. Saul Miller, einer der berühmtesten Sportpsychologen der Welt mit einer langjährigen Beziehung zu unserem Hockey. Es sind nicht nur seine persönlichen Beziehungen zu verschiedenen Exponenten im helvetischen Hockey. Es ist wohl auch so, dass der weise Gelehrte in unserer bunten Liga sportpsychologisches und sonstiges Verhalten fast wie in einem «Laboratorium» erforschen kann.

Da er nicht vor Ort sein kann, erkundigt er sich telefonisch nach den Umständen. Ihn fasziniert die Entwicklung in Lausanne. Wie hier aus einem Chaos ein Playoff-Finalist entstanden ist. Vier Jahre lang bis zu seinem unfreiwillig-freiwilligen Abschied am 4. November 2022 hatte Petr Svoboda Lausanne wie ein Renaissance-Fürst gemanagt und bis zu den Umstellungen während eines Spiels alles bestimmt. Mit seinem Abschied ist Ruhe eingekehrt und ein Team zusammengewachsen, das zum ersten Mal in der Klubgeschichte (gegründet 1922) in einem Playoff-Final steht. Meister war Lausanne noch nie.

John Fust als Integrationsfigur

Der kluge Psychologe bezeichnet John Fust, 52, als Schlüsselfigur. Der kanadisch-schweizerische Doppelbürger ist nach einer respektablen Spieler- und Trainerkarriere (u.a. Langnau, Ambri und Visp) sowie einer Geheimdienst-Ausbildung in der kanadischen Armee am 8. Februar 2016 nach Lausanne gekommen, um bis Ende Saison den gefeuerten Trainer Yves Sarault zu ersetzen. Seither dient er dem Klub. Zurzeit als Sportchef.

Er ist in unruhigen Zeiten eine Integrationsfigur geworden, hat sich unter dem flamboyanten Petr Svoboda behauptet, seinen Arbeitgeber vor mancherlei sportlichen Irrtümern bewahrt und trifft seit dem Wegzug des tschechischen Hockey-Weltstars die richtigen Entscheidungen.

Die wichtigste: Am 6. November 2022 holt er Geoff Ward, 62, an die Bande. Die Verpflichtung ist nur möglich, weil der SCB abgesagt und Toni Söderholm als Ersatz für Johan Lundskog angestellt hat. Der Kanadier ist seit 1989 im Trainerbusiness, arbeitete mehr als zehn Jahre auch in der NHL und ist soeben zum Coach des Jahres gewählt worden. Ein weit gereister, erfahrener, ruhiger Bandengeneral, dessen Charisma in der Bescheidenheit liegt: Ein wenig mahnt er an Inspector Columbo. Er gilt als exzellenter Taktiker und «Bench Coach», der vor dem Spiel die richtige Taktik entwickelt und während des Spiels die richtigen Anpassungen und Umstellungen vornimmt. Er hat im Viertelfinal Josh Holden und vor allem im Halbfinal Christian Dubé regelrecht ausgecoacht.

Das macht Lausanne für den grossen Sportpsychologen so interessant: Ein aus dem Chaos zusammengewachsene Gruppe junger Männer auf einer Mission, maximal motiviert und kommandiert von einem schlauen Anführer, der bei seinen Untergebenen beliebt ist wie selten ein Trainer im Hockey. Eigentlich die Voraussetzungen, um ein Hockeywunder zu schaffen. Lausanne ist den längeren Weg in den Final gegangen (sieben Spiele gegen Davos, fünf gegen Fribourg Gottéron) als die ZSC Lions, die ohne Niederlage mit acht Siegen in Serie in die finale Titelentscheidung vorgerückt sind. Der wesentliche Unterschied: Die ZSC Lions sind gegen Biel und Zug, die tief in der Seele schon still resigniert hatten, nie restlos gefordert worden. Für die Zürcher beginnen die Playoffs eigentlich erst am Dienstag mit dem ersten Finalspiel.

Lausanne kann Störungen beim ZSC verursachen

Gegen einen Widersacher, der rauer, mutiger, hocheytechnisch «böser» und motivierter sein wird als die Bieler und die Zuger. Der «Lausanne Hockey Club» spielt «deutschschweizerischer» als jedes Team aus der deutschen Schweiz und wird dazu in der Lage sein, im Maschinenraum der ZSC Lions für Störungen und Irritationen zu sorgen. Ja, Lausanne ist die einzige Mannschaft der Liga, die in einem Final überhaupt eine Chance gegen den himmelhohen Favoriten aus Zürich hat. Für Saul Miller wäre eine Meisterfeier in Lausanne nicht einmal eine Sensation.

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