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Studie empfiehlt Pflicht für Solaranlagen auf geeigneten Neubaudächern – doch ist das im Aargau mehrheitsfähig? 

Bis 2050 muss die jährliche Solarstromproduktion in der Schweiz auf eine Grössenordnung von 30 Milliarden Kilowattstunden (kWh) ansteigen. So fasst das Forschungs- und Beratungsunternehmen Infras die Ausgangslage in einer von den Kantonen Aargau und Zürich gemeinsam in Auftrag gegebenen Studie zusammen.

Infras kommt zum Schluss, dass «die Potenziale deutlich höher liegen als der notwendige Zubau bis 2050». Schon auf Gebäudedächern könnte rund die doppelte Menge an Solarstrom produziert werden. Zählt man weitere gut nutzbare Flächen hinzu, ergebe sich ein Potenzial, «das deutlich höher liegt als die Solarstrommenge, die für ein nachhaltiges Schweizer Energiesystem nötig ist». Die Transformation dorthin sei zudem selbst unter ungünstigen Bedingungen (Entwicklung Anlagenkosten, Strompreise) «mit sehr geringen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden».

Im Aargau beträgt das Potenzial zusammengezählt allein auf und an Gebäuden jährlich 4400 Gigawattstunden (GWh, vgl. Grafik unten), laut Infras insgesamt (inklusive Autobahnböschungen etc.) sogar 5350 GWh, wobei im Winter nur wenig Solarstrom anfällt. Zur Veranschaulichung: 1 GWh sind 1 Million kWh. 1 Mio. kWh entsprechen dem mittleren Stromverbrauch von 200 Haushalten.


Solarstromproduktion um Faktor 13 bis 17 tiefer als bis 2050 nötig

Die heutige Solarstromproduktion liegt je nach Quelle um rund einen Faktor 13 bis 17 tiefer, als bis Mitte des Jahrhunderts benötigt. Das zeige deutlich den Handlungsbedarf in den nächsten Jahren auf, so Infras. Soll die Energiewende gelingen, müssen die Installationsraten zeitnah stark ansteigen, so die Forderung. Ohne zusätzliche, starke Anpassungen der Rahmenbedingungen sei ein solcher Schub in den nächsten Jahren nicht zu erwarten.

Das sind die für Infras zentralen drei Bausteine:

– Erstens: Einführung einer Installationspflicht für gut geeignete Dachflächen von Neubauten. Infras empfiehlt möglichst dachflächenfüllende Anlagen.

– Zweitens: Einführung einer kantonalen Zusatzförderung für Dachanlagen von bestehenden Bauten. Als Förderbedingung empfiehlt Infras, dass der Kanton einen Zusatzbeitrag zur nationalen Einmalvergütung zahlt, sofern die gesamte Dachfläche belegt wird.

– Drittens: Anstossen einer Debatte zu Installationspflichten für Dächer bestehender Bauten. Eine Installationspflicht bei Dachsanierung würde nur beschränkt wirken, weil die Dachsanierungsraten mit maximal einem Prozent pro Jahr sehr tief liegen.

Kanton setzt nach rundem Tisch auf Drei-Säulen-Strategie

Nach einem runden Tisch mit den Grossratsfraktionen setzt der Kanton auf eine Drei-Säulen-Strategie: Dazu gehört eine schlanke Neuauflage des Energiegesetzes (weiterhin mit Vorgaben zum Heizersatz, aber keine Eigenstromerzeugungspflicht mehr auf Neubauten), eine Solaroffensive und ein Zusatzkredit für das sehr gut laufende Förderprogramm Energie im Gebäudebereich.

Warum aber will der Kanton die Hauptempfehlung (Eigenstromerzeugungspflicht) von Infras nicht aufnehmen? Energiedirektor Stephan Attiger sagte im Interview vor einigen Tagen: «Hauptpunkte der gescheiterten Vorlage waren Vorgaben zum Heizungsersatz und zur Eigenstromerzeugung bei Neubauten. Letzteres lassen wir fallen und setzen in diesem Bereich auf die Solaroffensive.» Weitere Informationen gibt es derzeit nicht, man sei am Ausarbeiten der Anhörungsvorlage. Der Grund dürfte aber darin liegen, so eine mehrheitsfähige Vorlage zu bekommen.

Das waren die Gründe für Nein zum Energiegesetz

Die Grünen haben bereits klargemacht, dass sie die Vorschläge des Kantons zwar unterstützen, aber für völlig ungenügend halten. Ihr Spezialist im Grossen Rat, Jonas Fricker, betont die Wichtigkeit einer gesetzlichen Installationspflicht von Fotovoltaikanlagen im Gebäudebereich – so schnell wie möglich.

Eine Befragung des Zentrums für Demokratie Aarau (ZDA) zeigt: 43 Prozent derjenigen, die das kantonale Energiegesetz im September 2020 abgelehnt haben, sagten Nein wegen einzelner Vorschriften wie dem Zwang zur Eigenstromerzeugung von Neubauten. Würde das Gesetz folglich wieder abgelehnt, falls der Kanton diese Vorschrift wieder vors Volk bringen sollte?

Grüne und GLP machen Druck für griffigere Lösungen

Das sieht Grünen-Politiker Fricker nicht so. Nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes auf Bundesebene seien die Kantone bei den Gebäuden umso mehr in der Verantwortung, griffige Gesetze zu erlassen, sagt er. Ansonsten sei das Klimaziel Netto-Null bis 2050 und eine zukunftsfähige Stromversorgung mit beschränkter Auslandsabhängigkeit zusammen nicht erreichbar. Fricker: «Die Bevölkerung ist sich dessen bewusst. Dies zeigen das wuchtige 62,6-Prozent-Ja zum Energiegesetz im Kanton Zürich am 28. November 2021 und das Verbot von Öl- und Gasheizungen im Kanton Glarus an der Landsgemeinde vom 5. September 2021; beide übrigens inklusive gesetzlicher Installationspflicht von Fotovoltaikanlagen.»

Für GLP-Fraktionschefin Barbara Portmann ist die Drei-Säulen-Lösung, die jetzt diskutiert wird, zudem nicht «ein eigentlicher Kompromiss, sondern eine Minimallösung, diktiert von der FDP». Die Vorschläge seien ungenügend. Die GLP werde mehrere Forderungen zur Verbesserung aufstellen, die ihres Erachtens mehrheitsfähig seien, sagt Portmann. Dazu gehören ein fixes Abstelldatum für Stromheizungen (Widerstandsheizungen, Speicherofen), weil diese im Winter unglaublich viel Energie verpuffen. Ebenso ein fixes Abstelldatum für Elektroboiler und ein fixes Datum, ab dem keine neuen Ölheizungen mehr installiert werden dürfen.

Diktat der FDP? «Eine bösartige Unterstellung»

Für FDP-Fraktionschef Silvan Hilfiker kann eine Pflicht zur Eigenstromerzeugung bei Neubauten nicht Teil der neuen Vorlage sein: «Diese war gemäss ZDA-Nachbefragung einer der Hauptgründe für die Ablehnung des Gesetztes im September 2020. Nähmen wir sie wieder rein, wäre das Gesetz erneut akut absturzgefährdet. Wir wollen aber rasch eine mehrheitsfähige Lösung, wie sie jetzt vorliegt.» Wenn man die noch verbessern könne, sei die FDP gesprächsbereit. Man dürfe aber nicht zu viel reinpacken. Prüfenswert wäre laut Hilfiker etwa ein Steuerabzug für eine neue FV-Anlage.

Zum GLP-Vorwurf, die jetzige Vorlage sei ein «Diktat» der FDP, schüttelt Hilfiker den Kopf: «Es ist eine absurde Behauptung, dass wir einen derart grossen Einfluss auf die Erarbeitung von Gesetzesvorlagen haben.»

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