EM-Euphorie erfriert im Letzigrund: Schweizerinnen verlieren Rekordspiel gegen Deutschland gleich mit 0:6
17’306. So viele Menschen sehen am Freitagabend im Letzigrund das Länderspiel der Schweizerinnen gegen Deutschland. Noch nie gab es bei einem Frauenfussballspiel in der Schweiz so viele Zuschauende. Doch das Spiel gegen Deutschland kann die Menschen auf den Rängen im kalten Letzigrund nur bedingt erwärmen. Das Testspiel gegen die Deutschen geht mit 0:6 verloren – und ist damit ein echter Dämpfer im Hinblick auf die Heim-EM im kommenden Sommer.
Noch fast bis in die Pause sieht es sogar gut aus für die Schweizerinnen, auch dank ihrer defensiven Grundausrichtung halten sie lange die Null. Kurz vor der Pause fällt nach einem Eckball aber das Führungstor von Sjoke Nüsken. Es ist der Startschuss für eine Deutsche Gala. Die Deutschen überfahren das Schweizer Team und schenken der Nati insgesamt sechs Gegentore ein.
Ohne viele Topspielerinnen reicht es nicht
Wenn es um das Schweizer Frauen-Nationalteam geht, dreht sich derzeit alles um die Heim-EM. Vor dem Spiel dreht das neue EM-Maskottchen seine Runde. Es handelt sich um einen Bernhardiner-Welpen mit dem Namen Maddli. Und auch das Spiel gegen Deutschland findet natürlich im Hinblick auf das Heimturnier statt. Nationaltrainerin Pia Sundhage will gegen die besten der Welt testen, um im nächsten Sommer gegen Teams aus jener Kategorie bestehen zu können. Gegen Australien (1:1) und Frankreich (2:1) ist das im Oktober auch gut geglückt. Gegen Deutschland aber gibt es eine herbe Klatsche.
Je länger die Partie dauert desto offensichtlicher wird die Tatsache, dass das Schweizer Nationalteam ohne die wichtigsten Spielerinnen auf internationalem Topniveau nicht konkurrenzfähig ist. Lia Wälti, Ramona Bachmann, Luana Bühler, Géraldine Reuteler und Naomi Luyet stehen allesamt auf der langen Liste der Abwesenden. Sie werden vermisst an allen Ecken und Enden. Später sagt ausgerechnet Coumba Sow, die wiedermal die Chance erhält und Captain Lia Wälti als zentrale Mittelfeldspielerin ersetzen darf: «Uns haben super Spielerinnen gefehlt. Wir wissen, was wir an ihnen haben – und wir sind froh, wenn sie wieder zurück sind.»
Alisha Lehmann und die vielen Fehler
Dabei ist der Start in die Partie sogar vielversprechend. Pia Sundhage zeigt auch in diesem Spiel, dass sie einen Plan hat, der funktionierten könnte. In einer ultradefensiven 5-3-2-Formation beschränken sich die Schweizerinnen darauf, kompakt zu stehen. Bei einer Balleroberung geht es mit langen Bällen nach vorne. Sicher auch deshalb erhält Publikumsliebling Alisha Lehmann zum ersten Mal seit Juni wieder einmal die Chance von Beginn an.
Ein langer Ball von Smilla Vallotto findet nach sieben Minuten Lehmann. Die schnelle Bernerin startet deutlich vor ihrer Gegenspielerin, kann den Ball aber nicht wie gewünscht kontrollieren. Die Chance ist vertan. Diese Szene steht sinnbildlich für das Schweizer Offensivspiel. Viel zu leichtfertig gehen die Schweizerinnen mit ihren Möglichkeiten um. Lehmann und ihre Sturmpartnerin Ana-Maria Crnogorcevic verfügen zwar über ein hohes Laufpensum, doch ihnen unterlaufen oft technische Fehler oder Fehlpässe. Auch diese führen dazu, dass die Schweiz zu keinem einzigen gefährlichen Abschluss kommt.
Nach der Pause harzt dann auch noch die Defensivarbeit. Die Schweizerinnen fallen völlig auseinander. Immer wieder sind es Flankenbälle der Deutschen, die im Schweizer Strafraum für Alarmstufe Rot sorgen. Zweimal Laura Freigang, zweimal Lea Schüller und einmal Cora Zicai sorgen schliesslich dafür, das gleich fünf Mal die «völlig losgelöste» deutsche Tormusik «Major Tom» ertönt.
Das schlimmste aus Schweizer Sicht: Deutschland hätte sogar noch mehr Treffer erzielen können. Das Tor von der neuen Schweizer Stammtorhüterin Elvira Herzog ist in der zweiten Hälfte unter Dauerbeschuss. Sie wehrt sich tatsächlich immer wieder erfolgreich – und ist so einer der raren Lichtblicke an diesem kalten Abend in Zürich.
Für die anderen Lichtblicke sorgen die jungen Sydney Schertenleib, Smilla Vallotto und Iman Beney. Mit ihren spielerischen und technischen Fähigkeiten offenbaren sie einmal mehr, dass sie über grosses Talent verfügen und der Schweiz noch viel Freude bereiten werden. Aber davon alleine wird die EM-Euphorie an diesem Abend nicht grösser. Was bleibt ist immerhin eine neue Rekord-Zuschauerzahl.