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Gelungenes Freilichttheater: Der Funke springt auf das Publikum über

Das Theaterstück «Füür im Dach», das im Rahmen von 900 Jahre Aarburg auf einer stimmigen Freilichtbühne zwischen Aare und Rathaus aufgeführt wird, feierte eine erfolgreiche Premiere. 

«Wir hatten Wetterglück», meinte der Autor und Regisseur Nicolas Russi nach der Premiere am Freitag, die Wochen zuvor sei es bei den Proben bei Nässe und kühlen Temperaturen nicht immer gemütlich gewesen. Dafür passte der Rahmen bei der Premiere umso besser – milde Abendtemperaturen, gut gelauntes Publikum und ein Schauplatz, der stimmiger fast nicht sein könnte.

«Füür im Dach» ist eine multimediale Inszenierung einer in die Zeit des Aarburger Städtlibrands von 1840 angesiedelten Liebesromanze à la Romeo und Julia. Das Stück basiert auf der kulturhistorischen Erzählung «Bernhardine und ihre Kinder» von der Schriftstellerin Julia Niggli aus dem Jahr 1945. Regisseur und Autor Nicolas Russi hat Historie, Dialoge, Bühnenbild und Musik zu einem lebendigen, sozialkritischen Liebesdrama gewoben. Fiktion und Wahrheit verschmelzen zu einer gelungenen Legierung. Dabei akzentuiert der Brittnauer Russi meisterlich die Dramaturgie mit den akustischen und optischen Stilmitteln. Grossartig die Szene, in der Christian, gespielt von Benjamin Waber, aus Verzweiflung darüber, dass er seine geliebte Bernhardine, gespielt von Steffi Nussbaumer, nicht bekommen sollte, in die Aare gehen wollte.

Die schauspielerische Performance des mit Selbstmord hadernden Hauptdarstellers, die Licht-Projektion welligen Wassers auf das Gemäuer unter seinen Füssen und die sphärische Musik dazu liessen wohl niemanden im Publikum kalt. Simon Spiess, der «Füür im Dach» musikalisch begleitet, ist zu wünschen, dass er in dieser Szene über alle weiteren Vorstellungen hinweg ein Copypaste legen kann – besser geht nicht. Oder doch? Der hauptberufliche Musiker, aufgewachsen in Aarburg, meinte nach der Premiere, er habe bewusst Raum für Improvisationen gelassen.

Hier sind versierte Laien am Werk

Ein besonderes Knistern erhält «Füür im Dach» durch die schauspielerischen Leistungen der Darstellerinnen und Darsteller. Man merkt rasch: Hier sind versierte Laien am Werk, die nicht das erste Mal auf einer Bühne stehen. «Ja, wir spielen leidenschaftlich gerne Theater», sagen die beiden Protagonisten Steffi Nussbaumer und Benjamin Waber. So, wie im Stück «Füür im Dach», sind sie auch privat miteinander liiert. «Wir haben uns bei unserem gemeinsamen Hobby ineinander verliebt.» Die Authentizität ist spürbar. 

Apropos Authentizität: Die ist auch bei der Figur des Stadtammanns von Aarburg gegeben. Diese Rolle wird nämlich von Hans-Ulrich Schär verkörpert, der im echten Leben eben auch dieses Amt innehat. Seine Rolle besteht darin, aus echten, historischen Protokollen vorzulesen, die Einblick geben in das, was die Katastrophe von 1840 zerstört hat, was sie im Volk ausgelöst hat und wie die Behörden damit umgegangen sind – faszinierend und schauderhaft zugleich. «Es menschelt – damals wie heute», sagte das Stadtoberhaupt auf die Frage, ob er, bezogen auf seine Rolle, Parallelen zur heutigen Zeit ziehen könne.

Hochmut kommt vor dem Happy End

Der kompakte Spielort beim Aarburger Museumsgarten erlaubt es dem Publikum, auf Tuchfühlung mit den Darstellerinnen und Darstellern zu gehen. Man ist mittendrin im Geschehen und hätte zumindest in der einen Szene mit Eskalationspotenzial grösste Lust einzuschreiten. Dr. David Spiegelberg, gespielt vom Aarburger Schauspieler Marc-André Flück, ist ein radikaler Verfechter der damaligen Gesellschaftsordnung. Geht es um das eigene Familiengeschlecht, scheut der Arzt nicht davor zurück, seine Einstellung handfest durchzusetzen. Vermählungen hatten damals standesgemäss zu sein, Heirat aus Liebe zählte nicht. Dem Herrn Doktor mit Dünkel ist der Lehrer Christian Wartburg, der noch nicht einmal sein Examen zum Bezirksschulleiter abgelegt hat, zu wenig für seine Schwester Bernhardine. Doch Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall und so ereilt den «Bösewicht» unerwartet und abrupt ein tragisches Schicksal. Eines, das dem sehenswerten, rund eineinhalb Stunden dauernden Stück «Füür im Dach» die Türe zum Happy End öffnet.

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