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Vincenz bleibt hart in der Sache aber geschmeidig im Stil: Das war der letzte Verhandlungstag im Raiffeisenprozess

Im Schlusswort zum Raiffeisenprozess räumt der Hauptbeschuldigte Pierin Vincenz Fehler und Übertreibungen ein, beharrt aber auf seiner Redlichkeit.

Der Raiffeisen-Prozess ist zu Ende. Nach acht langen Verhandlungstagen, in denen sich die drei Staatsanwälte und die Verteidiger der sieben Beschuldigten einen schonungslosen Kampf um die besten Argumente geliefert haben, liegt der Ball nun beim Zürcher Bezirksgericht.

Das Urteil wird am 13. April eröffnet

Am 13. April will Gerichtspräsident Sebastian Aeppli das Urteil verkünden. Die Anklägerin fordert sechs Jahre Gefängnis für die beiden Hauptbeschuldigten Pierin Vincenz und Beat Stocker.

Sie sollen sich auf Kosten der Bank Raiffeisen respektive der Zahlungsdienstleisterin Aduno unrechtmässig bereichert haben – teilweise in gewerbsmässiger Manier. Den beiden müssten die auf kriminelle Weise erzielten Gewinne von insgesamt rund 25 Millionen Franken entzogen werden, verlangt die Klägerin.

Für die Mitbeschuldigten, denen im Anklagekonstrukt der Staatsanwaltschaft eine Art Gehilfenfunktion zukommt, sind Freiheitsstrafen von zwei Jahren beziehungsweise in einem Fall eine kleine Geldstrafe gefordert. Auch bei diesen Personen will die Staatsanwaltschaft unrechtmässige erworbenen Vermögen in Höhe von insgesamt mehr als 40 Millionen Franken abschöpfen.

Beweismaterial« in schier unüberblickbaren Mengen»

Dem Gericht liegt Beweismaterial «in schier unüberblickbaren Mengen» vor, wie Lorenz Erni, der Verteidiger von Pierin Vincenz am Dienstag in seiner Duplik auf den letzten Auftritt der Staatsanwaltschaft noch einmal feststellte.

Das Material besteht aus vielen Protokollen von abgehörten Telefongesprächen, aus Mails, SMS-Nachrichten, Handnotizen und vielem mehr. Dessen Qualität und Auswertung wird am Ende den Ausschlag für das Urteil geben.

Auch am letzten Verhandlungstag versuchten die Verteidiger noch einmal mit aller Vehemenz das Bild der Verschwörung zu zerstören, das die Staatsanwaltschaft in der Anklage entworfen und vor zwei Wochen in der Replik auf die Plädoyers der Beschuldigtenvertreter in einfacher und prägnanter Weise nachgezeichnet hatte.

Der Fall sei «im Kern einfach», hatte Staatsanwalt Oliver Labhart über die technisch komplexen Finanztransaktionen gesagt, mit denen sich die Beschuldigten bereichert haben sollen.

Verführerischer Vergleich mit dem Diebstahl an der Kaufhauskasse

Vincenz und Stocker hätten bei ihren Geschäften stets zwei Hüte auf gehabt und sie seien jeweils auf beiden Seiten des Verhandlungstisches, gesessen, hatte der Ankläger am 10. März resümiert.

Das hätten auch die Mitbeschuldigten so gewollt, denn sie versprachen sich ihrerseits Vorteile auf Kosten der Privatkläger (Aduno/Raiffeisen), sagte er. «Aber wer sich heimlich auf Kosten seines Arbeitgebers bereichert, macht sich strafbar. Das gilt für die Kassiererin im Laden und es gilt für das Personal von systemrelevanten Banken. Wäre es anders hätte das System versagt.»

Dieser Vergleich mit einem Diebstahl an der Kaufhauskasse sei «ein Versuch der Staatsanwaltschaft die Intuition des Gerichts anzusprechen und damit von den Fakten abzulenken», sagte gestern Dienstag Rechtsanwalt Fatih Aslantas, der die Interessen des krankheitshalber nicht mehr verhandlungsfähigen Mitbeschuldigten Peter Wüst vertritt. Stellvertretend für alle Beklagten warnte er das Gericht, sich von der scheinbar simplen Logik der Anklage verführen zu lassen.

Spuren legen

Angesichts des immensen Reichtums an Informationen und der technischen Einzelheiten zu den fraglichen Finanztransaktionen ist diese Gefahr mindestens für aussenstehenden Beobachter des Prozesses durchaus real.

Freilich verstehen sich auch die Verteidiger bestens darauf, Spuren zu legen mit dem Ziel, die Anklage in Zweifel zu ziehen. So legte Lorenz Erni noch einmal detailreich dar, wie die Staatsanwaltschaft den sogenannten Statthalter-Brief von Investnet-Mitbegründer Peter Wüst als Beleg für die klandestine Beuteteilung zwischen Stocker und Vincenz zu interpretieren wusste.

Dabei sei das Schreiben im Blick auf eine Übernahme von Investnet durch Raiffesen bei Lichte betrachtet doch bloss eine sachliche Darstellung möglicher Varianten einer Erlösaufteilung zwischen den Investnetgründern und Stocker als künftigem Miteigentümer gewesen.

Die Anklägerin mussten sich am Dienstag «Stimmungsmache» und «Voreingenommenheit» vorwerfen lassen und es flogen ihr die eigenen Argumente um die Ohren, mit denen sie vor zehn Tagen ihre Gegenspieler der «Aktenverdrehung» und anderer Ablenkungsstrategien bezichtigt hatten. Vielleicht werden am Ende nicht die offensichtlichen Beweise,sondern die etwas weniger offensichtlichen, aber von den Ermittlern so zahlreich zusammengetragenen Indizien den Ausschlag für das Urteil geben.

Vincenz: Ich habe mich «mit Herzblut» für die Firmen eingesetzt

Eine sinnvolle Prognose ist nicht möglich. Vincenz nutzte die Gelegenheit zum Schlusswort für einen Versöhnungsversuch. «Ich bin mir bewusst, dass ich Fehler gemacht und übertrieben habe. Aber nie habe ich mit dem Vorsatz gehandelt, Raiffeisen oder Aduno zu schädigen», beteuerte der frühere Raiffeisen-Chef.

Er habe sich «mit Herzblut» für die gute Entwicklung dieser Firmen eingesetzt und «nichts Unrechtmässiges» getan. Wie zu seinen besten Zeiten zeigte sich der 65-jährige hart in der Sache aber geschmeidig im Stil.